Lieber im Norden forschen

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Junge Wissenschaftler haben es in Mosambik und im Senegal schwer, ihren Doktor zu machen. Manchen eröffnet erst ein Aufenthalt im Ausland die Chance, Hochschullehrer zu werden.

Seine Heimatstadt Maputo liegt 9500 Kilometer entfernt – doch Manuel Cochol Gomane fühlt sich an der brasilianischen Küste wie zu Hause. „Die Menschen sind sehr fröhlich und offen“, sagt der Doktorand. „Aber“, so fährt er im gleichen Atemzug fort, „sie kämpfen sich auch von Tag zu Tag. Das erinnert mich an meine Stadt.“ Gomane ist Mosambikaner, lebt aber seit einem halben Jahr in Salvador de Bahia und wird vier Jahre bleiben. Er arbeitet hier an seiner Dissertation in zeitgenössischer Philosophie.

Von 157.431 eingeschriebenen Studierenden in Mosambik waren nach Angaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) im Jahr 2014 nur 120 Doktoranden, das ist ein Anteil von unter einem Tausendstel. In Deutschland war der Anteil im selben Jahr etwa hundert Mal so hoch. Und von den mosambikanischen Studenten waren nur gerade 1,39 Prozent 2014 im Ausland. Zu ihren fünf beliebtesten Zielen gehörten Portugal, Südafrika, Brasilien, Saudi-Arabien und die USA.

In der akademischen Welt liegt es im Trend, grenzüberschreitend zu studieren und zu forschen. Nur ist die Zahl der afrikanischen Akademiker bisher klein im internationalen Vergleich, weil gerade die Hochschulbildung in Afrika noch ausbaufähig ist. Die schwedische Soziologin Paula Mählck hat zu Akademikern aus Mosambik und Tansania geforscht und stellt fest: „Das Bild des internationalen Forschers wird immer noch sehr mit dem globalen Norden in Verbindung gebracht. Aber in der Wirklichkeit bewegen sich Forscher oft vom globalen Süden in den globalen Norden.“

Manuel Cochol Gomane war während seines Masterstudiums ein Jahr lang in Porto, im Norden Portugals. Für die Dissertation wollte er nach Salvador de Bahia, das mit drei Millionen Einwohnern eine der größten Städte Brasiliens und ein bedeutendes Zentrum für afro-brasilianische Kultur ist. Ermöglicht hat ihm das ein bilaterales Abkommen zwischen Brasilien und Mosambik. Es hat das Ziel, die Ausbildung von Hochschullehrerinnen und -lehrern zu stärken, und ist Teil des nationalen Plans von Mosambik zur Förderung der Hochschulbildung, der von 2012 bis 2020 angelegt ist.

Studieren ist in Mosambik teuer

In dem Land gibt es immer noch kaum Möglichkeiten zu promovieren. An der Eduardo-Mondlane-Universität (UEM) in Maputo ist das derzeit in nur drei Fächern möglich, an der Pädagogischen Universität in sechs Fächern. Mosambik zählt zu den ärmsten Ländern der Erde – das Pro-Kopf-Einkommen entsprach 2017 laut Weltbank etwa 1250 US-Dollar. In Bildung flossen 2013 rund 19 Prozent der Regierungsausgaben, davon knapp 14 Prozent – also etwa 2,6 Prozent der gesamten Regierungsausgaben – in Hochschulen und Berufsbildung.

An den insgesamt 49 Hochschuleinrichtungen im Land zu studieren ist teuer: Die monatlichen Gebühren liegen zwischen umgerechnet 21 Euro auf Bachelor-Niveau und bis zu 140 Euro im Promotionsstudium. Zum Teil gibt es staatliche Stipendien zur Unterstützung. Der Forschungsaufenthalt in Brasilien bedeutet für Manuel vor allem, „mich von den Schwierigkeiten in Mosambik zu erholen“. Zuletzt hat er als Dozent in einer Zweigstelle der Pädagogischen Universität (UP) in Maxixe in der Provinz Inhambane gearbeitet. Die UP ist neben der UEM die zweite große staatliche Hochschule des Landes.

Der 34-jährige Manuel, der seinen Bachelor und Master in Maputo gemacht hat, erinnert sich an seine Studienzeit dort: „Oft habe ich mehr Zeit im Straßenverkehr verbracht als an der Uni und in der Bibliothek.“ Damals musste er jede Münze zweimal umdrehen und stand ab fünf Uhr in der Schlange für den Bus, damit er um halb acht an der Uni ankam.

Auch Eduardo Felisberto Buanaissa ist froh, für seine Promotion im Ausland ein wenig Ruhe gefunden zu haben: Er ist seit Oktober DAAD-Stipendiat an der Universität in Gießen. „Ich kann mich ganz auf das Studium konzentrieren“, sagt er. Auch er hat zuvor als Dozent an der Pädagogischen Universität gearbeitet und ist für die dreijährige Promotion am Institut für Erziehungswissenschaften beurlaubt. Der Kontakt nach Deutschland habe sich schon seit 2008 aufgebaut, erzählt der 31-Jährige mit der eckigen Brille. Damals sei eine Delegation der Universität Marburg zu Besuch an der PU gewesen. Im Masterstudium 2012 ging Eduardo dann für ein Semester nach Marburg. „Im Februar feiern Deutschland und ich unser elfjähriges Beziehungsjubiläum“, sagt er und lacht.

Schlecht ausgestattete Universitäten

Autorin

Lucia Weiß

arbeitet als freie Journalistin in Berlin, unter anderem zu Migration, Jugend und Klimafragen. Sie promoviert über Literatur aus dem Senegal und aus Mosambik.
Eduardo kennt sich aus mit den Universitäten und Schulen in seinem Land: In seiner Dissertation untersucht er die Bildungspolitik in Mosambik nach der Unabhängigkeit 1975. „In Deutschland gibt es starke Institutionen, in Mosambik eher starke Einzelpersonen“, sagt er. Die Unis seien schlecht ausgestattet, da das Land arm sei. Das treffe die Naturwissenschaftler, die für ihre Experimente auf gute Labore angewiesen seien, besonders hart.

„Die Professoren an den Unis verdienen nicht so viel. Das Leben in Maputo ist teuer. Oft müssen sie noch etwas anderes machen, als Berater arbeiten zum Beispiel. Darunter leidet die Qualität“, erklärt Eduardo. Deshalb sei es auch schwierig für Akademiker in Mosambik, regelmäßig zu publizieren.

Der Bereich Hochschulbildung in Subsahara-Afrika wachse zwar, erläutert die Soziologin Paula Mählck. Das gelte jedoch nicht für die Forschung. 2015 wurden aus Mosambik 299 Publikationen registriert, wie aus einem DAAD-Bildungsbericht hervorgeht. Aus Deutschland waren es fast 150.000.

Danach zurück nach Afrika

Nach dem Abschluss ihrer Promotionen möchten Manuel Cochol Gomane und Eduardo Felisberto Buanaissa auf jeden Fall nach Afrika zurück. „Mosambik braucht mich mehr als jedes andere Land“, sagt Manuel. Eduardo plant, nach seiner Doktorarbeit an die Universidade Pedagócica zurückzukehren und weiter in der Wissenschaft zu arbeiten. Er will sich vor allem dafür einsetzen, die Ausbildung von Lehrern zu verbessern: „Der Bildungsbereich ist der wichtigste, wenn man in einem Land etwas verändern will.“ Und er schließt nicht aus, später einmal in die Politik zu gehen.

Im Unterschied zu Mosambik ist das Bildungssystem im Senegal von der französischen Kolonialzeit geprägt. Das Schulwesen orientiert sich weitgehend an dem europäischen Modell. An den Universitäten gibt es seit 2011 das sogenannte LMD-System: Nach sechs Semestern können Studierende eine Licence (Bachelor-Äquivalent) machen, nach vier weiteren einen Master und schließlich ein Doctorat (Promotion). Die Promotionszeit beträgt sechs Semester.

Das westafrikanische Land verfügt laut einem DAAD-Bericht von 2018 über 127 Hochschulen. Dort waren laut UNESCO im vergangenen Jahr etwa 162.600 Studierende eingeschrieben. Mehr als die Hälfte von ihnen besuchen die landesweit größte Universität Cheikh Anta Diop in Dakar (UCAD). Die 1957 gegründete Uni hat neuesten Schätzungen zufolge um die 90.000 Studierende. Die kleinere Schwester ist die Université Gaston Berger (UGB) in Saint Louis im Norden des Landes, die 1990 den Lehrbetrieb aufnahm. Obwohl in den vergangenen Jahren noch einige Regionaluniversitäten hinzugekommen sind, dominieren die UCAD und die UGB mit weitem Vorsprung die Universitätslandschaft.

Doch seit 2012 läuft es an der senegalesischen Uni der Superlative nicht mehr rund. Wer morgens die chronisch verstopfte Avenue Cheikh Anta Diop in Dakar entlanggeht, an der das UCAD-Gelände liegt, sieht fast immer eine Traube von Studierenden gegenüber der Uni. Die Schlange wartet vor einem einzigen Bankautomaten der Ecobank. Die Studierenden erhalten nach einer Prüfung ein Stipendium, das je nach Niveau zwischen 55 und 90 Euro monatlich beträgt. Die Studiengebühren belaufen sich auf 38 bis 114 Euro pro Jahr. Immer wieder streiken die jungen Leute, weil das Stipendiengeld zu lange auf sich warten lässt. Die Professoren streiken zuweilen wegen schlechter Rentenaussichten.

„Es gibt keinen Filter, wer wirklich Student ist und wer nur auf dem Papier“, meint Ibrahima Sene zu den Studienstipendien; manche dürften unberechtigt Stipendien kassieren. Der schlaksige 25-Jährige ist im ersten Promotionsjahr in der Germanistik der UCAD. Dafür fehlen ihm aber wichtige wissenschaftliche Bücher. In Rechts- und Politikwissenschaften, Romanistik und Medizin sei der Zugang zu Material leichter, erklärt er, „weil diese Forscher in Zusammenarbeit mit Verlegern im Senegal regelmäßig veröffentlichen.“ Ibrahima Sene hat sich für einen Promotionsaufenthalt in Saarbrücken beworben und hofft, dass er bald in einer gut ausgestatteten Bibliothek schreiben kann.

Ins Ausland verschlagen

Rund acht Prozent der senegalesischen Studierenden waren nach DAAD-Angaben 2016 im Ausland. Auf Platz zwei der Beliebtheitsskala lagen die USA – nach Frankreich und vor Kanada, Saudi-Arabien und Marokko. Dass es Korka Sall aus der senegalesischen Stadt Thiès ins US-amerikanische Amherst verschlagen hat, war eher Zufall, erzählt sie. „Ich wollte das eigentlich gar nicht. Ich sagte mir, warum nicht im Senegal bleiben für eine Promotion?“ Trotz der schwierigen Bedingungen, die sie im Studium erlebt hatte. „Für einen Kurs um acht Uhr im großen Vorlesungssaal bin ich extra um fünf Uhr aufgestanden. Da saßen später bis zu 2000 Leute, es war zum Platzen voll. Bei einer Prüfung waren wir oft 300 Studenten und zehn Professoren mussten alles korrigieren.“

Korka hat ihren Master in englischer Literatur an der UCAD gemacht und war dann Programmassistentin an einem Forschungsinstitut in Dakar. 2012 ergab sich die Gelegenheit, an der Universität von Massachusetts (UMASS) in Amherst Französisch zu unterrichten. Korka hörte sich auch Unikurse an, traf einige Professoren und bekam schließlich das Angebot, einen Master und Doktor an der UMASS zu machen, voll finanziert. „Mein Schicksal nimmt Fahrt auf, dachte ich mir.“ Dennoch seien ihr immer wieder Zweifel gekommen: Es fühle sich wie Verrat an ihrer Heimat an.

Inzwischen ist die 35-jährige Doktorandin und UMASS-Dozentin auch zweifache Mutter und will für andere Frauen im Senegal ein Vorbild sein. „Die Mädchen müssen sich doppelt bewähren. In unserer Kultur glauben viele immer noch, dass ein Mädchen kein Studium braucht und in einer Ehe aufgehoben sein sollte.“ Korka ist eines von neun Geschwistern und die erste in ihrer Familie, die eine Universität besucht hat.

Der 30-jährige Lamine Niang will gleich im Senegal bleiben und nicht mehr, wie ursprünglich beabsichtigt, in den USA promovieren. „Ich interessiere mich theoretisch für Dekolonisierung“, unterstreicht er. Nun ziehe er praktische Konsequenzen. „Ich glaube fest an den globalen Süden“, sagt Lamine, der als Studiendirektor bei einer amerikanischen Agentur für Studienaustausch in Dakar arbeitet.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2019: Jugend und Bildung
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