Kultur, Kolanüsse und Kondome

Die Vorbeugung gegen Aids ist nur wirksam, wenn kulturelle und traditionelle Werte berücksichtigt werden. Bei Kampagnen in Entwicklungsländern und unter Migranten setzen Organisationen deshalb zunehmend auf „kultursensible" Ansätze. In Bern haben Fachleute im Mai von ihren Erfahrungen damit berichtet.

Das Scheitern von HIV-Präventionsprogrammen in Afrika wird oft auf traditionelle und kulturelle Werte zurückgeführt. Laut Fachleuten greift diese Erklärung zu kurz: „Kultur ist nicht primär ein Problem, sondern Teil der Lösung", sagt Helena Zweifel, Geschäftsführerin von Medicus Mundi Schweiz und Koordinatorin von aidsfocus.ch, der Plattform von Schweizer Aids-Organisationen. Ein Problem sei der „Faktor Kultur" nur dann, wenn er bei Präventionskampagnen nicht berücksichtigt werde.

Was aber heißt es, kultursensibel vorzugehen? Das Spektrum ist weit, wie eine von aidsfocus.ch organisierte Tagung in Bern verdeutlicht hat. Aids-Aufklärung kann zum Beispiel in traditionelle Riten, Geschichten oder Lieder integriert werden. Oder man arbeitet mit Dorfältesten, Heilern und religiösen Würdenträgern zusammen. In Bangladesch hat das funktioniert: Eine Umfrage im Rahmen eines Entwicklungsprojekts hatte gezeigt, dass viele traditionelle Heiler zur Aids-Prävention Kräuter empfahlen. Bereits nach einem dreitägigen Workshop propagierten die meisten dann Kondome. Shariful Islam von der Organisation „Partners in Population and Development" betonte in Bern, die Zusammenarbeit mit Heilern sei unabdingbar, weil viele Menschen gar keine Alternative zu ihnen hätten.

Dass kultursensible Ansätze auch schief laufen können, erläuterte Noël Tshibangu von der Aids-Hilfe Schweiz anhand seiner Erfahrungen mit einer Präventionskampagne in der Schweiz, die sich an Menschen afrikanischer Herkunft richtete. Dafür suchten Experten nach typisch afrikanischen Symbolen und Redewendungen - und kamen auf die Kolanuss. Diese wird in westafrikanischen Gesellschaften als Zeichen der Freundschaft überreicht und gilt als Aphrodisiakum. Aber viele der afrikanischen Migranten sind in Städten oder in der Schweiz aufgewachsen und kennen diese Bedeutung der Kolanuss gar nicht.

Die Kampagne sei dennoch nicht umsonst gewesen, betonte Tshi­bangu. Wegen der Kolanuss-Bilder hätten sich Gespräche über Herkunft, Identität und soziale Beziehungen ergeben. „So konnten wir fast beiläufig über sexuelle Beziehungen, HIV und Kondome sprechen", sagte Tshibangu. „Die Kolanuss hat sich als wirksames Vehikel für eine Auseinandersetzung mit HIV und Aids erwiesen - wenn auch anders als geplant."

Charlotte Walser, InfoSüd

 

 

erschienen in Ausgabe 6 / 2009: Kleidung – Wer zieht uns an?
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