Sprachlose Evaluierer

OECD
Ein internationales Team der OECD hat Anfang Juni die Qualität der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit Österreichs geprüft. Ergebnisse gibt es noch nicht, aber die innerösterreichische Debatte ist in vollem Gange.

Nach einer Woche zogen die OECD-Evaluierer am 7. Juni eine Zwischenbilanz, die zunächst mit den verantwortlichen Stellen im Außenministerium diskutiert werden soll. Sie fassten ihre „Eindrücke“ in 17 Punkten zusammen, die sie aber noch nicht als Empfehlungen verstanden wissen wollten. Der offizielle Bericht – der sogenannte DAC Peer Review –, der dann auch Empfehlungen enthalten wird, wird im Dezember veröffentlicht. Dieses Verfahren ist in allen Mitgliedsstaaten der OECD alle fünf Jahre Routine.

Auch die beste Empfehlung bleibe ohne Umsetzung wirkungslos, schreibt die SPÖ-Abgeordnete Petra Bayr in einer parlamentarischen Anfrage zur Umsetzung der Empfehlungen des letzten Berichts aus dem Jahr 2014: Darin hätten die Prüfer festgestellt, dass Österreich lediglich 7 Prozent der Empfehlungen aus dem bislang letzten DAC Peer Review aus dem Jahr 2009 umgesetzt habe. 73 Prozent seien teilweise und 20 Prozent gar nicht umgesetzt worden. Bayr zieht den Vergleich zur Schweiz, wo 53 Prozent ganz, 42 Prozent teilweise und nur 5 Prozent gar nicht umgesetzt worden seien.

Die Anfrage wurde von der scheidenden Außenministerin Karin Kneissl einen Tag vor ihrer Entlassung nach einem parlamentarischen Misstrauensvotum gegen die gesamte Regierung beantwortet. Viele der Antworten sind wenig konkret oder ausweichend, etwa: „Die Umsetzung der Empfehlungen wird im Rahmen der Möglichkeiten und gesetzlichen Vorgaben betrieben.“ Bayr findet „die Qualität der Antworten genauso schlecht wie die Implementierung der Empfehlungen“. Manche Antworten seien schlicht falsch, wie die, dass Katastrophenhilfe verbessert worden sei. „Die wurde von 20 auf 15 Millionen Euro gekürzt“, sagt Bayr.

Empfehlungen nur zögerlich umgesetzt

Die OECD-Evaluierer seien sprachlos gewesen, als sie erfahren hätten, dass der Entwicklungspolitische Unterausschuss des Parlaments in der 17-monatigen Legislaturperiode nur ein Mal getagt habe, berichtet Bayr. Die Sozialdemokratin hält drei bis vier Sitzungen für das Minimum.

Annelies Vilim, die Geschäftsführerin des NGO-Dachverbandes Globale Verantwortung, sieht das ähnlich: Obwohl die Österreichische Entwicklungszusammenarbeit „sicherlich Fortschritte“ gemacht habe, seien die Empfehlungen des letzten DAC Peer Reviews von vor fünf Jahren nur „zögerlich“ und mehrheitlich gar nicht umgesetzt worden. Vilim vermisst „politischen Willen und Unterstützung sowie eine Strategie für eine gesamtstaatliche Entwicklungspolitik, die sowohl die Umsetzung der Agenda 2030 als auch kohärente Politik im Interesse der Ärmsten der Armen sicherstellt“.

Die Regierung, so Vilim, müsse „endlich das seit Jahren gegebene Versprechen erfüllen und 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für die öffentliche Entwicklungshilfe zur Verfügung stellen“. Unter der Regierung von Bundeskanzler Sebastian Kurz hat sich Österreich vergangenes Jahr weiter von diesem Ziel entfernt. Im Jahr 2018 waren es gerade 0,26 Prozent gegenüber 0,30 Prozent im Jahr davor. Nichtstaatliche Organisationen wie auch die OECD fordern einen klaren Stufenplan zur Erhöhung der Hilfe, den die Regierung bisher nicht vorgelegt hat. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird man diese Empfehlung auch im kommenden Peer Review wiederfinden.

Besonders originell findet Bayr die Antwort auf ihre Frage an die Regierung, wann das 0,7-Prozent-Ziel erreicht sein werde: „Meinem Ressort“, schreibt Außenministerin Kneissl, „ist es 2018 trotz auferlegter Kürzungen gelungen, eine Kürzung der Mittel für die Austrian Development Agency (ADA) zu vermeiden. 2019 kam es zu einer Erhöhung des ADA-Budgets.“ Die ADA ist die Agentur des Bundes, die die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit Österreichs abwickelt.

Nichtstaatliche Hilfsorganisationen kritisieren zudem, dass der Auslandskatastrophenfonds mit 15 Millionen Euro (plus fünf Millionen Euro Rücklagen) jährlich nicht nur vergleichsweise bescheiden dotiert ist, sondern auch wegen bürokratischer Verzögerungen an Effektivität verliert. Bis bewilligte Gelder tatsächlich ausgezahlt werden, vergehen oft vier Wochen. Auch wäre es aus Sicht der Organisationen wünschenswert, dass der Fonds vor allem für die in Ostafrika und auf dem Balkan liegenden Schwerpunktländer zur Verfügung steht. Annelies Vilim beklagt die „Fragmentierung der humanitären Hilfe, die bereits 2014 beim letzten DAC Peer Review kritisiert wurde“.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2019: Multilaterale Politik: Zank auf der Weltbühne
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