Rückkehr in Würde

Kommunen helfen Geflüchteten in ihrer Heimat
Asylantrag abgelehnt, und dann? Manche Städte unterstützen Geflüchtete bei der Rückkehr – allerdings in anderer Form als das Entwicklungsministerium.

Babakar Sadikh Segnane kam 2015 nach Prien. Nach seinem Asylantrag wurde er einer Unterkunft in dem kleinen Ort in Bayern zugewiesen. Der Gemüsebauer aus dem ländlichen Senegal wollte sich in Deutschland eine neue Existenz aufbauen. Jedoch zeichnete sich Anfang 2016 ab, dass es für ihn keine realistische Chance gab, hierzubleiben. Sein Antrag auf Asyl wurde abgelehnt.
Aber er hatte in Prien Unterstützer gefunden, die ihm mit privaten Spenden bei der Rückkehr in sein Heimatdorf helfen wollten, neu anzufangen. Daher wollte er vor einer Abschiebung freiwillig ausreisen. Segnane entschloss sich, auf dem Boden der Familie wieder Landwirtschaft zu betreiben. Dabei halfen ihm auch Kenntnisse, die er in Prien bei einem landwirtschaftlichen Praktikum erworben hatte. Mit dem Geld aus Prien begann er, Gemüseanbau, eine Hühnerzucht und ein Restaurant aufzubauen. Durch die Projekte konnte er sich und seiner Familie eine stabile Lebensgrundlage und gleichzeitig Arbeitsplätze für die Dorfbewohner schaffen.

So ist aus dem persönlichen Kontakt mit einem Geflüchteten ein Projekt entstanden, das nicht nur dem Rückkehrer, sondern dem ganzen Dorf nutzt. In Prien entstand der Verein Vision Yamalé, der weitere Geflüchtete aus dem Senegal und aus Nigeria bei ihrer Rückkehr in die Heimat mit Krediten und Beratung unterstützt. „Es können nicht alle in Deutschland bleiben“, sagt Helke Fussell von Vision Yamalé. „Menschen, die zurückgehen wollen oder müssen, brauchen eine Perspektive für die Zeit nach ihrer Rückkehr ins Heimatland.“

Die Rückkehrhilfe ist ein sensibles Thema

Die Unterstützung von Rückkehrern ist ein sensibles und umstrittenes Thema. Die deutsche staatliche Entwicklungszusammenarbeit arbeitet erst seit zwei Jahren in diesem Bereich. Das Entwicklungsministerium (BMZ) propagiert mit seinem Programm „Perspektive Heimat“ seit 2017 die freiwillige Rückkehr und nachhaltige Reintegration im Herkunftsland als Alternative zur Abschiebung. 5900 Rückkehrer wurden nach Angaben des BMZ bis Juli 2019 unterstützt. In 13 Ländern in Nord- und Westafrika sowie Osteuropa hat die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) im Auftrag des Ministeriums Zentren eingerichtet, in denen Geflüchteten bei der Jobsuche oder Existenzgründung geholfen werden soll. Weitere solcher Migrationsberatungszentren sind in Planung.

Kritiker sprechen von einem vorrangigen Interesse an hohen Ausreisezahlen. „Rückkehr in Würde gibt es nicht“, sagt etwa Paulino Miguel, Projektleiter Diaspora, Migration und Entwicklungspolitik vom Forum der Kulturen Stuttgart. „Sichtbarkeit und Teilhabe von Migranten und Geflüchteten in Deutschland sind Ziel meiner Arbeit, nicht ihre Rückführung.“ Auch weil Teile der Zivilgesellschaft dem Ansinnen kritisch gegenüberstehen, halten sich die Kommunen mit Projekten für Rückkehrer in ihren Heimatländern – wie jenes im bayerischen Prien – bisher zurück.

Marion Lich leitet in München das städtische Büro für Rückkehrhilfen. Bereits 1996 eröffnet, ist es die älteste kommunale Einrichtung dieser Art. Lich kennt die Vorbehalte gegen die Rückkehrhilfe und möchte sie gern abbauen. Die Hilfe für Rückkehrer hält sie für einen wichtigen und zu lange vernachlässigten Bereich. Ursprünglich hat das Büro Flüchtlingen aus dem Bosnienkrieg bei der Rückkehr geholfen. Knapp 4000 Menschen wurden seitdem beraten und unterstützt.

„Wir beraten unabhängig, umfassend und ergebnisoffen“, sagt Lich. „Anders als bei staatlichen Beratungsstellen stehen für uns nicht die Ausreisezahlen im Vordergrund, sondern eine umfassende Beratung und Hilfe vor allem bei Personen mit psychischen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen.“ Bayerische Städte wie Nürnberg, Würzburg und Augsburg haben das Modell in den Jahren 2003 und 2004 übernommen. Projekte in den Heimatländern der Rückkehrer betreiben die kommunalen Beratungsstellen allerdings nicht.

Ein kleiner Kredit reicht nicht für die Existenzgründung

Auch Virginia Wangare Greiner vom afrikanischen Frauenverein Maisha in Frankfurt am Main kritisiert die staatlichen Rückkehrprogramme. Was sie bieten, reiche bei weitem nicht aus. Rückkehrer und vor allem Rückkehrerinnen bräuchten viel mehr Unterstützung. Der Verein hat mit Geldern des Auswärtigen Amtes in Ghana 2018 eine Anlaufstelle für Rückkehrerinnen aufgebaut. 500 Ghanaerinnen, die abgeschoben worden sind oder freiwillig nach Hause wollten, konnten bisher dort betreut werden.

„Mit einem kleinen Kredit für die Existenzgründung ist es nicht getan“, sagt Wangare Greiner. „Vielen Frauen fehlt jegliche Perspektive.“ Sie seien bei ihrer Rückkehr krank und traumatisiert, hätten Schulden bei Schleusern und seien häufig auf sich allein gestellt, weil die Familien den Kontakt abbrechen. Allerdings hätten die Rückkehrerinnen auch ein großes Potenzial. Sie hätten eine Menge Energie bei ihrer Flucht nach Europa bewiesen. Diese Energie können sie nun in Projekte in Ghana stecken.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2019: Mission und Macht
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