Hochschulpolitik ist Entwicklungspolitik

Es gibt gute Gründe dafür, dass die Hochschulpolitik in Entwicklungsländern mehr Gewicht in der Entwicklungszusammenarbeit bekommen sollte. Universitäten könnten zum Beispiel stärker auf entwicklungsrelevante Fragen hin ausgerichtet werden. Der Zugang zu wissenschaftlicher Literatur muss sowohl für Studierende als auch für Lehrende vereinfacht werden. Und es muss die Korruption an Hochschulen eingedämmt werden, damit künftige Eliten sich gar nicht erst an das Zahlen und Entgegennehmen von Schmiergeldern gewöhnen.

Die Forderung, Wirtschaftsethik zu einem Pflichtfach der Managementausbildung zu machen, wird nicht nur in Europa, sondern auch in China diskutiert. In Indonesien sind 700.000 Hochschulabsolventen arbeitslos. Nun will die Regierung endlich die Handwerkerausbildung stärker fördern. Ebenfalls in Indonesien sind ein Drittel der Studierenden einer großen christlichen Universität Muslime. Der Boom zur Eröffnung neuer privater Universitäten hält an. Auf solche Fakten bin ich kürzlich während meiner Ethik-Gastvorlesungen in China und Indonesien gestoßen. Sie zeigen, dass die Hochschulausbildung große entwicklungspolitische Bedeutung hat und mehr Beachtung finden sollte.

Die tertiäre Bildung ist in vielen Entwicklungsländern ausgebaut und verbessert worden. Fernbildung und Internetzugang haben den Zugang zu Hochschulbildung erleichtert. Doch in vielen Ländern hat die Universitätspolitik große Mängel: Oft ist die Eröffnung neuer Hochschulen mehr von ethnischer, lokalpolitischer oder religiöser Konkurrenz als von einer entwicklungsbezogenen Bedarfsanalyse getrieben. Und dass Millionen Hochschulabgänger teuer ausgebildet werden und dann arbeitslos sind oder ins Ausland abwandern („Brain Drain“), ist eine Verschwendung von Ressourcen.

Universitätspolitik ist Friedenspolitik und kann die Integration fördern. So können in Indonesien Muslime an christlichen Privatuniversitäten studieren. Leider ist das umgekehrt Christen an muslimischen Privatuniversitäten oft untersagt. Universitätspolitik kann zudem zu guter Regierungsführung beitragen. Korruption ist auch im Hochschulbereich weit verbreitet. Schmiergelder für die Zulassung zum Studium oder für das Bestehen der Examen führen bei späteren Führungsschichten schon in der Ausbildung zur Überzeugung, dass Karriere ohne Korruption kaum möglich ist. Deshalb ist Good Governance im Hochschulbereich ein entscheidender Beitrag zur Korruptionsbekämpfung. Dazu gehört die Erhöhung der Professorengehälter, denn bei Monatslöhnen von 300 Euro ist es schwierig, Korruption einzudämmen.

Autor

Christoph Stückelberger

ist Direktor des internationalen Ethiknetzwerks Globethics.net in Genf (www.globethics.net) und Professor für Ethik an der Universität Basel.

Universitätspolitik ist Publikationspolitik. Ein Buch für 30 Euro ist für Dozenten und schon gar für Studierende unerschwinglich. Raubkopien sind oft die einzige Möglichkeit, an Literatur zu kommen. „Social Bookshop“ heißt eine Buchhandlung in Semarang in Indonesien, die ausschließlich Raubkopien wissenschaftlicher Bücher verkauft und die auch von Dozenten einer christlichen Universität in der Nachbarstadt Salatiga frequentiert wird. Eine wichtige Alternative sind Online-Bibliotheken wie die kostenlose Ethikbibliothek von Globethics.net im Internet sowie die wachsende Zahl von Online-Angeboten der Universitätsbibliotheken. Die Universitäten der Entwicklungsländer müssen dafür sensibilisiert und befähigt werden, Publikationen ihrer Dozenten sowie Dissertationen im Internet frei verfügbar zu machen. Überall auf der Welt streiten sich Universitäten und ihre Bibliotheken mit kommerziellen Verlagen darüber, ob und unter welchen Bedingungen sie Bücher online zur Verfügung stellen dürfen. Die Verhandlungsposition der Universitäten in den armen Ländern in diesem Konflikt zu stärken, ist ein wichtiger Entwicklungsbeitrag.

Universitätspolitik ist Partnerschaftspolitik. Forschungspartnerschaften zwischen Universitäten aus Nord und Süd nehmen im Zuge der Globalisierung deutlich zu. Die Kooperation zwischen Hilfswerken und solchen Forschungspartnerschaften sollte verstärkt werden, um die Forschung entwicklungsrelevanter zu gestalten und ihre Ergebnisse für die Arbeit der Hilfswerke stärker zu nutzen. Hilfswerke waren in den letzten vier Jahrzehnten besonders engagiert beim Aufbau von zivilgesellschaftlichen Akteuren und nichtstaatlichen Organisationen. Sie waren aber wenig präsent im tertiären Bildungsbereich. Die Förderung einzelner Lehrstühle, Forschungszentren und Stipendienprogramme durch Hilfswerke ist wichtig. Der Nutzen solcher Förderung wird aber verstärkt, wenn sie in eine breitere entwicklungspolitische Strategie zur Hochschulpolitik eines Entwicklungslandes eingebettet ist.

 

 

erschienen in Ausgabe 11 / 2009: Anders wirtschaften
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