Bananenzoll als Entwicklungshilfe

„Die Banane ist eine Hoffnung für viele und eine Notwendigkeit für uns alle.“ Das ist kein aktuelles Zitat aus einem Produzentenverband, sondern die Meinung von Konrad Adenauer vom Juli 1949, als nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Bananen im Hamburger Hafen angeliefert wurden. Doch Hoffnungen sind im Bananengeschäft ungleich verteilt, international wie national.

Dafür sorgen unter anderem die Einfuhrzölle der Europäischen Union für Bananen. Der Streit darüber ist so alt wie die EU selbst. Ins Nachkriegsdeutschland konnte die Frucht zollfrei eingeführt werden; in den neunziger Jahren galt ein komplexes Quotensystem, das unterschiedlichen Lieferländern jeweils Höchstliefermengen zuschrieb. Gegenwärtig betreibt die EU eine Hochzollpolitik gegenüber Bananenexporteuren, die nicht zu den Partnerstaaten der EU in Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP-Staaten) gehören – so wie Ecuador. Stets waren die Entscheidungen aus Brüssel Anlass für politischen Streit. In den vergangenen Jahren hat die Welthandelsorganisation WTO die EU sieben Mal verurteilt, weil sie die Einfuhr lateinamerikanischer Bananen gegenüber afrikanischen und karibischen diskriminiert und damit gegen internationales Handelsrecht verstoße.

Autor

Frank Braßel

ist Historiker und Journalist. Er hat unter anderem für die Menschenrechtsorganisation FIAN und die Hilfsorganisation Oxfam gearbeitet.

Bananen sind seit 50 Jahren das wichtigste Agrarexportprodukt Ecuadors. Die Küstenprovinzen El Oro, Guayas und Los Rios sind überzogen von großen Bananenplantagen. Die Exporterlöse sind von 1,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2007 auf 1,6 Milliarden 2008 gestiegen und die Tendenz zweistelliger Zuwachsraten setzt sich trotz der globalen Wirtschaftkrise auch 2009 fort. Die Banane ist längst kein Luxusgut mehr in den nördlichen Industriestaaten von Europa bis Japan, von den USA bis Russland.

Auf gut 200.000 Hektar erzeugen in Ecuador 6500 Betriebe Bananen für den Export. 71 Prozent aller Höfe sind kleiner als 20 Hektar. Auf sie entfällt zusammen fast ein Viertel der Anbaufläche und 16 Prozent der Produktion. Demgegenüber verfügen 228 Betriebe (3,5 Prozent) über mehr als 100 Hektar und kontrollieren knapp ein Drittel der Anbaufläche und 45 Prozent der Bananenproduktion. Allein die sieben größten Plantagen, die sich in den Händen der nationalen Bananenkonzerne Wong und Noboa befinden, bewirtschaften zehn Prozent der Anbaufläche. Hier zeichnet sich ein Konflikt in Bezug auf das für die nahe Zukunft angekündigte Gesetz zur Landverteilung ab: Gemäß Verfassung sollen kleinbäuerliche Betriebe und die „soziale und ökologische Funktion“ des Bodens gefördert werden, beides Kernelemente des Konzepts der Ernährungssouveränität.

Zwar ist die Plantagenwirtschaft „produktiver“ als die kleinbäuerliche Struktur, sie ist aber auch unsozialer. Die hochmodernen Plantagen schaffen Reichtum für ihre Besitzer, aber nur rund halb so viele Arbeitsplätze wie Kleinbetriebe, insbesondere wenn diese sich an ökologischen Kriterien oder denen des Fairen Handels orientieren. Nur unter diesen Bedingungen garantiert die Bananenproduktion ein ausreichendes Einkommen. Kleinbauern, die im herkömmlichen System arbeiten, das von Mittelsmännern und Exporteuren kontrolliert wird, schaffen den Sprung über die Armutsgrenze ebenso wenig wie die Beschäftigten in den Plantagen. Das ecuadorianische Agrobusiness wirtschaftet weitgehend außerhalb gesetzlicher Regeln. Die wenigen Gesetze sind inhaltlich unzureichend, und Kontrollen vom Arbeits- oder Umweltministerium sind auf den Plantagen ebenso exotische Ausnahmen wie Gewerkschaften.

Die überwiegende Mehrheit der Arbeiterinnen und Arbeiter hat keine schriftlichen Verträge, ist nicht sozialversichert und ihr Verdienst liegt unter der Armutsgrenze – selbst im durchaus nicht üblichen Fall, dass der gesetzliche Mindestlohn von 218 US-Dollar im Monat gezahlt wird: Die Armutsgrenze in der „Bananenhauptstadt“ Machala liegt laut dem ecuadorianischen Statistikamt für September 2009 bei 502 US-Dollar pro Familie. Der Verfassungsgrundsatz der Ernährungssouveränität, der auf dem Menschenrecht auf Nahrung basiert, wird von den Strukturen in der Bananenindustrie nicht unterstützt. Im Gegenteil: Hungerlöhne und Landvertreibungen seitens Großunternehmen sind ebenso an der Tagesordnung wie Umweltzerstörung, Monokultur und Wasserraub.

Und was hat das alles mit Europa zu tun? Ecuador ist hinter Kolumbien der zweitwichtigste Lieferant für den europäischen Bananenmarkt. Doch die lateinamerikanischen Länder müssen einen skandalös hohen Einfuhrzoll zahlen: 176 Euro (etwa 240 US-Dollar) pro Tonne. Die Kassen der EU wurden so allein 2008 mit etwa 350 Millionen Dollar Zolleinnahmen aus ecuadorianischen Bananenimporten gefüllt, zwischen 2006 und 2008 waren es umgerechnet 883 Millionen US-Dollar. Die zugesagte multilaterale Entwicklungshilfe der EU für Ecuador beläuft sich für die sieben Jahre von 2007 bis 2013 auf lediglich 159 Millionen Dollar. Die krasse Ungleichheit wird noch deutlicher, wenn man die Produzentenebene betrachtet. Eine handelsübliche Kiste von 18 Kilo wird im konventionellen Anbau zu Kosten von 3,58 US-Dollar produziert, im Fairen Handel sind es 4,59 Dollar. Der Einfuhrzoll beträgt 4,69 Dollar. Die Europäische Union kassiert also mehr, als sämtliche Produktionskosten in Ecuador ausmachen. Im Fairen Handel erhalten zertifizierte Produzenten den Aufpreis von einem Dollar für jeden verkauften Karton – ein äußerst geringer Betrag im Vergleich zum EU-Zoll. Da bekommen die hehren Worte über die Förderung des Fairen Handels auf EU-Ebene mehr als einen schalen Beigeschmack. Und nicht zu vergessen: Die etwa 2,6 Millarden US-Dollar Zolleinnahmen aus den lateinamerikanischen Staaten wandern in den EU-Haushalt und finanzieren auch deren Agrarsubventionen. Das ist doppeltes Unrecht.

Die Schiedssprüche der WTO gegen die Zollregelung haben im Februar zum Angebot der EU geführt, den Zollsatz in den kommenden Jahren sukzessive auf 114 Euro (etwa 160 US-Dollar) pro Tonne zu verringern, was immer noch gut drei Dollar pro Kiste entspräche. Geschehen ist bislang allerdings nichts. Das nahm der ecudorianische Präsident Rafael Correa zum Anlass, sich von den Verhandlungen über einen Freihandelsvertrag zwischen der EU und den Andentaaten vorerst zu verabschieden. „Hier geht es um Würde und Souveränität, wir werden vor niemandem auf die Knie fallen“, erregte sich Correa und erntete dafür in Ecuador überwiegend Zustimmung.

Im Staat am Äquator setzte daraufhin eine interessante Debatte ein. Dabei gibt es einen weitgehenden Konsens, dass eine bloße Senkung der Zölle wenig hilfreich ist. Denn den Zoll zahlen die Importeure; ihn zu senken füllt zunächst deren Taschen, sofern sie nicht die Endverkaufspreise der Bananen senken. Die Zölle haben eine gewisse Schutzfunktion für die europäische Bananenproduktion und die in den AKP-Staaten – früheren europäischen Kolonien, von denen die meisten gegenüber den lateinamerikanischen Produktionsstandorten, wo multinationale Konzernen den Bananenanbau beherrschen, nicht wettbewerbsfähig sind. Eine Reduzierung des EU-Zolls würde letztlich nur einen Kampf um Preise und Märkte herbeiführen und die Sozial- und Umweltstandards weiter absenken, fürchten Gewerkschaften und Produzentengenossenschaften in Ecuador. Leistungsfähige Großplantagen, die mit internationalen Fruchthändlern und Supermarktketten eng vernetzt sind, werden mit Sicherheit zu den Gewinnern gehören. Kleinbäuerliche Betriebe in den AKP-Staaten und ebenso in Ecuador dürften die Verlierer sein – und mit ihnen die Arbeiterinnen und Arbeiter auf den Plantangen weltweit.

Deshalb schlagen Gewerkschaften und Kleinproduzenten in Ecuador vor, die eingesparten Zölle für soziale und ökologische Projekte zu verwenden. Offenbar lassen sich ecuadorianische Bananen auf dem europäischen Markt ja trotz des hohen Einfuhrzolls gut verkaufen. Eine Senkung des Verkaufspreises sei deshalb nicht sinnvoll – besser wäre, wenn die EU weiter den Zoll erheben, das Geld daraus aber teilweise nach Ecuador transferieren würde.

„Eine Umwandlung des Einfuhrzolls in einen Entwicklungsfonds wäre eine einmalige Chance, um die lange Geschichte von Armut und Ausbeutung in der Bananenindustrie zu überwinden und den in unserer neuen Verfassung festgelegten Rechten ein Stück näher zu kommen“, sagt Guillermo Touma, der Vorsitzende der Landarbeitergewerskchaft FENACLE und ehemaliges Mitglied in der Verfassungsgebenden Versammlung Ecuadors. Zur Ausgestaltung des Fonds schlägt Touma vor, ein „Nationales Bananenforum“ mit Vertretern der Industrie, der Arbeiter, der Regierung, der Kleinproduzenten und von Forschungsinstituten einzuberufen, um einen Plan für eine sozial- und umweltverträgliche Bananenindustrie zu entwerfen.

Andere denken in die gleiche Richtung. „Unsere neue Verfassung schreibt die Förderung der kleinen und mittleren Produzenten fest, aber bislang gibt es kaum Initiativen dazu. Die eingesparten EU-Zölle könnten zum Beispiel dazu dienen, eine Vermarktungsgesellschaft für die Kleinproduzenten aufzubauen, um unsere Benachteiligung gegenüber den Multis zu überwinden“, schlägt Joaquim Vazquez vor, der Präsident der Kleinbauernorgansiation UROCAL, die als erste den Weg des Fairen Handels in Ecuador beschritten hatte. Überraschend erscheint in diesem Zusammenhang, dass der Internationale Fairhandelsverband FLO bislang keinerlei Vorschläge dazu entwickelt hat, weder in Ecuador noch international.

In der ecuadorianischen Öffentlichkeit findet der Umwandlungsvorschlag breite Zustimmung. Selbst der einflussreiche Exportverband AEBE hatte keine Argumente dagegen. In Regierungskreisen wird der Vorschlag derzeit auf die Vereinbarkeit mit WTO-Regeln abgeklopft. Attraktiv wäre das Projekt allemal: Die Senkung des EU-Zolls auf 114 Euro würde auf Basis der letztjährigen ecuadorianischen Importe eine Ersparnis von 125 Millionen Dollar Zollzahlungen ausmachen, etwa dreimal so viel wie das jährliche Budget des Landwirtschaftsministeriums. Würde dieser Betrag weiter erhoben und an Ecuador transferiert, dann ließen sich damit Kontrollen der Arbeits- und Umweltgesetze ebenso finanzieren wie Umstellungsprozesse Richtung biologische Bananenproduktion. Für die ökologisch und am Fairen Handel orientierten Kleinproduzenten könnten die Zolleinnahmen direkt an die Produzenten zurückfließen. Die würden dadurch ihre Einkommen mehr als verdoppeln.

 

erschienen in Ausgabe 11 / 2009: Anders wirtschaften
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