Der einstige Hoffnungsträger kämpft weiter

epd-bild/Edu Leon

Venezolaner verlassen ihr Land wegen Wirtschaftskrise

Venezuela
Vor knapp einem Jahr ernannte sich Juan Guaidó zum Übergangspräsidenten Venezuelas. Die Hoffnung auf einen Regimewechsel hat sich aber nicht erfüllt. Das Militär hält zur Regierung, und die internationale Gemeinschaft hält sich zurück.

Berlin, Caracas (epd). Jung, charismatisch und unerschrocken: Vor einem Jahr stellte der junge Oppositionsabgeordnete Juan Guaidó dem venezolanischen Staatschef Nicolás Maduro offen die Machtfrage. Der damals 35-jährige Parlamentspräsident der Oppositionspartei "Voluntad Popular" ernannte sich unter Berufung auf die Verfassung zum Übergangspräsidenten - die Sympathie der Mehrheit der Venezolaner und der westlichen Länder hatte er auf seiner Seite.

Not und Hunger

Doch die Hoffnung auf einen schnellen Machtwechsel in dem Krisenland erfüllte sich nicht. Noch immer hält sich Maduro mit Unterstützung des Militärs an der Macht und dirigiert seinen Propagandaapparat, während die Bevölkerung Not und Hunger leidet. Inzwischen sind mehr als vier Millionen Menschen, rund jeder achte Venezolaner, aus dem Land geflohen. Ein Ende des Alptraums ist nicht in Sicht.

Auch wenn in den Anfangsmonaten des vergangenen Jahres die Hoffnung groß war: Bis jetzt konnte Guaidó keine greifbaren Erfolge nachweisen. Für viele Beobachter ist der Shootingstar der venezolanischen Politik gescheitert. Doch so einfach ist die Situation nicht. Rund 50 Länder, darunter die EU-Staaten, erkannten Guaidó als legitimen Übergangspräsidenten an. Eine Konsequenz war damit nicht verbunden. Der von der Opposition erhoffte internationale Druck blieb weitgehend aus. Das Entscheidende aber war: Guaidó schaffte es nicht, das Militär auf seine Seite zu ziehen. Zu sehr fürchteten die Generäle, ihre Pfründe und Privilegien zu verlieren.

Kein Regimewechsel in Venezuela

Als im September US-Präsident Donald Trump seinen Sicherheitsberater John Bolton feuerte, verlor Guaidó seinen wichtigsten Fürsprecher im Weißen Haus. Bolton hatte immer wieder einen schnellen Regimewechsel in Venezuela versprochen, der jedoch nicht stattfand. Eine militärische Intervention in Venezuela ist jedoch so gut wie ausgeschlossen. Im Jahr der Präsidentschaftswahl will Trump sich nicht in ein neues Kriegsabenteuer stürzen.

So macht Guaidó weiter und tourt unermüdlich durch das Krisenland, schüttelt Hände und trommelt die Bevölkerung zu Demonstrationen zusammen. Vom Staatsfernsehen und den zumeist regierungstreuen Zeitungen wird er totgeschwiegen, so dass ihm nur der direkte Kontakt und die sozialen Medien bleiben. In der Bevölkerung ist der Rückhalt für Guaidó laut Umfragen nach wie vor groß, auch wenn die Menschen nicht mehr in Massen auf die Straße gehen. Tägliche Stromausfälle, rationiertes Leitungswasser, ein zusammengebrochenes Gesundheitssystem und der eklatante Mangel an Lebensmitteln zermürben die Venezolaner.

Bemühungen um Verhandlungslösung

Guaidós bisher größte Leistung war, die zerstrittene Opposition auf eine weitgehend einheitliche Linie zu bringen. Dennoch hat Maduro es verstanden, einen Keil zu schlagen. Er strengte Prozesse gegen Abgeordnete wegen Landesverrats an und ließ ihre Immunität aufheben. Rund 30 von den 167 Abgeordneten der Opposition im Nationalkongress haben sich inzwischen ins Ausland oder in diplomatische Vertretungen geflüchtet. Einige Parlamentarier konnte Maduro auf seine Seite ziehen.

Unter Vermittlung Norwegens starteten im Juli auf der Karibikinsel Barbados internationale Bemühungen um eine Verhandlungslösung. Doch Maduro erklärte die Gespräche schon Anfang August für beendet, nachdem die USA neue Sanktionen gegen Venezuela verkündet hatten. Danach verließ auch die Opposition den Verhandlungstisch.

Eine Verhandlungslösung kann es aber nur mit Maduro geben. Und das ginge vermutlich nur, wenn die internationale Gemeinschaft ihren Druck erhöht. Bislang ist der autokratische Staatschef zwar international isoliert, fühlt sich aber als Sieger im Präsidentenpalast.

 

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