Nachsitzen für Post-Cotonou

Vertrag zwischen der EU und den AKP-Ländern
Das Nachfolgeabkommen für den Cotonou-Vertrag zwischen der Europäischen Union und der Gruppe der AKP-Länder (Afrika, Karibik, Pazifik) kann nicht wie geplant Anfang März in Kraft treten. Die Verhandlungen haben sich verzögert. Als harter Brocken erweist sich Migration.

Der im Jahr 2000 geschlossene Cotonou-Vertrag läuft am 29. Februar 2020 aus. Seit Herbst 2018 wird der Nachfolgepakt verhandelt, der die Beziehungen zwischen den dann wohl 27 EU-Staaten und 79 AKP-Ländern auf eine neue Basis stellen soll.
Die EU-Kommission hält sich über den Verlauf der Verhandlungen weitgehend bedeckt. Sie gingen „gut voran“, Fortschritte gebe es sowohl beim für die gesamte AKP-Gruppe geltenden Grundlagenvertrag („Foundation“) als auch bei den drei regionalen Säulen für Afrika, Karibik und Pazifik, die die Beziehungen mit der EU für die jeweilige Region konkretisieren, teilte eine Sprecherin mit. Einige Sektionen seien bereits von den Chefverhandlern gutgeheißen worden. Deren letztes Treffen war Ende September. Das nächste ist für den 14. Februar in Brüssel geplant, sagt David A. Hales, Botschafter aus Guyana und Vizechef der zentralen Verhandlungsgruppe der AKP-Botschafter.

Sobald beide Seiten eine politische Einigung verkünden, muss der Vertrag bis zum vorläufigen Inkrafttreten noch rechtlich geprüft und übersetzt werden; zudem stehen die Annahmeprozeduren in der EU und den AKP-Ländern aus. Ein Diplomat eines EU-Mitgliedstaates setzt dafür grob neun Monate an. Damit der Vertrag bis Jahresende unter Dach und Fach sein kann, müsste die Einigung also spätestens im März/April erfolgen. Er sei „vorsichtig optimistisch“, sagt der Diplomat, der nicht namentlich genannt werden möchte.

Der Zeitplan ist relevant, weil zum 1. Januar 2021 der nächste siebenjährige EU-Haushaltsrahmen in Kraft tritt. Die Entwicklungsfinanzierung soll nach derzeitigen EU-Plänen neu geordnet und der für die AKP reservierte Europäische Entwicklungsfonds aufgelöst werden, was die AKP-Seite nicht will. Es ist daher spannend, ob und wie ein neues EU-Finanzinstrument mit dem Cotonou-Nachfolgeabkommen verbunden wird. Die AKP-Seite hat Botschafter Hales zufolge jedenfalls vier Schlüsselforderungen: ein für die AKP-Staaten reserviertes Finanzpaket, Zugang zu Beihilfen für alle AKP-Staaten unabhängig von ihrer Wirtschaftsleistung, Berechenbarkeit  und eine Beteiligung der AKP an der Verwaltung der Gelder.

Ein Hauptstreitthema bleibt die Migration. Dem europäischen Diplomaten zufolge sind fünf der sechs strategischen Prioritäten des Grundlagenvertrags durchverhandelt, abgesehen von wenigen streitigen Punkten. Weitgehend offen sei dagegen das Kapitel zu Migration; vor allem die Punkte Rückführungen und Wiederaufnahme von Migranten in ihren Herkunftsländern seien „kontrovers“. Während die EU detaillierte Regelungen festklopfen wolle, etwa Fristen für die Ausstellung von für Rückführungen nötigen Dokumenten, wolle die AKP-Seite den Text allgemeiner halten, sagt der Diplomat.

Der AKP-Gruppe geht es vor allem um Entwicklungshilfe

Hildegard Hagemann von der Deutschen Kommission Justitia et Pax sieht Fehler in den Verhandlungsansätzen beider Seiten. Bei der Migration versäume die EU – unabhängig von den Post-Cotonou-Verhandlungen –, reguläre Wege für Bürger aus Entwicklungsländern zu schaffen. Erst wenn die EU dies getan habe, könne sie der AKP-Seite vernünftige Angebote machen, urteilt die Vertreterin der katholischen Organisation. Zugleich kritisiert sie die AKP. In deren Verhandlungsmandat liege der Fokus zu sehr auf den Finanzen. Damit würde die klassische Geber-Nehmer-Beziehung zementiert. „Für ein Abkommen, das progressiv-visionär sein sollte, ist das sehr enttäuschend“, sagt Hagemann.

Auch innerhalb der EU gibt es Spannungen. Dem christdemokratischen Europaabgeordneten György Hölvényi (Ungarn) zufolge will die EU-Kommission die bisherige gemeinsame Parlamentarische Versammlung von AKP und EU abschaffen und  entsprechend der regionalen Säulen drei Versammlungen mit Vertretern der jeweiligen Region und der EU an ihre Stelle setzen. Der Erhalt der jetzigen Institution, die zwei Mal jährlich zusammentritt und der Hölvényi angehört, bilde jedoch „eine rote Linie“ für das Europaparlament – das dem Post-Cotonou-Abkommen am Ende zustimmen muss.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2020: Meinungs- und Pressefreiheit
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