Sichere Häfen nicht erwünscht

Seebrücke

Druck der Straße: Bürger wie hier in Würzburg fordern von ihren Kommunen die Aufnahme von Flüchtlingen.

Städte
Tausende Migranten und Flüchtlinge sind auf dem gefährlichen Weg nach Europa in den vergangenen zehn Jahren im Mittelmeer ertrunken. Viele andere landen ohne Perspektive in Elendslagern. Einige Städte und Bundesländer haben ihre Bereitschaft signalisiert, zusätzlich Flüchtlinge aufzunehmen. Doch das Bundesinnenministerium mauert.

Deutsche Städte wollten nicht mehr zuschauen, wie Menschen auf der Flucht nach Europa im Mittelmeer ertrinken oder in Flüchtlingslagern wie auf der griechischen Insel Lesbos unter katastrophalen Bedingungen leben müssten. So begründete der Bürgermeister von Potsdam, Mike Schubert (SPD), warum sich rund 120 Städte zu „sicheren Häfen“ erklärt und ihre Bereitschaft signalisiert haben, freiwillig mehr Geflüchtete aufzunehmen, als sie müssten. Schubert ist einer der Initiatoren des Bündnisses „Städte Sichere Häfen“, das rund 50 Kommunen im vergangenen Jahr gegründet haben. Sie fordern von der Bundesregierung, die gesetzlichen Vorgaben so zu ändern, dass Kommunen ohne die Zustimmung des Bundesinnenministeriums Migranten aufnehmen dürfen.

„Wir haben die Kapazitäten, einige hundert Menschen aufzunehmen“, sagt Miriam Koch, Leiterin des Amts für Migration und Integration der Stadt Düsseldorf. Das Jugendamt der nordrheinwestfälischen Landeshauptstadt wäre in der Lage, sich um 100 bis 150 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu kümmern. Doch Düsseldorf sind die Hände gebunden. Denn die Bundesregierung lehnt das Engagement der Kommunen für Geflüchtete  ab und verweist auf die Rechtslage. Nach §23 Aufenthaltsgesetz ist derzeit nur die oberste Landesbehörde im Einvernehmen mit dem Bundesinnenministerium berechtigt, eine Einreiseerlaubnis zu erteilen. Der Bund verteilt die Flüchtlinge dann über den sogenannten Königsteiner Schlüssel auf die Bundesländer, die sie an die Kommunen weiterreichen. So hat zum Beispiel Potsdam im Januar 25 aus Seenot im Mittelmeer gerettete Menschen in städtischen Unterkünften untergebracht. Sie wurden nach den Vorgaben der sogenannten Vereinbarung von Malta vom September 2019 zwischen Deutschland, Frankreich, Malta und Italien aufgenommen und der Stadt vom Land Brandenburg zugewiesen.

Die Behinderung der privaten Seenotrettung im Mittelmeer durch Staaten wie Italien war für die Sicherer-Hafen-Bürgermeister der Anlass, nicht mehr zu schweigen. Im Sommer 2018 war das private Rettungsschiff Lifeline tagelang auf See umhergeirrt, bis es von Malta die Erlaubnis erhielt, in den Hafen von Valetta einzufahren. Dann konnten sich die EU-Staaten nicht einigen, wer die Menschen aufnimmt. Die Bürgermeister von Köln, Bonn und Düsseldorf (parteilos, SPD und CDU) forderten damals in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Flüchtlinge aufnehmen zu dürfen. Es sei dringend geboten, die Seerettung wieder zu ermöglichen und den in Not Geratenen zu helfen, schrieben sie.

Berlin und Thüringen unterstützen den Vorstoß

Seitdem hat sich die Lage jedoch nicht grundsätzlich verändert, nur dass die Flüchtlingszahlen wieder steigen. Das Bündnis „Städte Sichere Häfen“ fordert daher neben der Aufnahme von aus Seenot geretteten Menschen auch zusätzliche Möglichkeiten der legalen Einwanderung. Unter den Bundesländern hat die Städteinitiative unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen. Berlin und Thüringen unterstützen den Vorstoß und haben eine Initiative zur Änderung von §23 Aufenthaltsgesetz im Bundesrat eingebracht. Der Paragraf soll so geändert werden, dass Bundesländer ohne die Zustimmung des Bundesinnenministers Flüchtlinge aufnehmen dürfen. Über diese Vorlage wurde noch nicht entschieden.

Ob sie überhaupt eine Chance hat, ist jedoch fraglich, denn andere Bundesländer sind strikt gegen mehr Rechte für die Städte bei der Migration. In Nordrhein-Westfalen hat sich Integrationsminister Joachim Stamp (FDP) in deutlichen Worten gegen die freiwillige Aufnahme von Bootsflüchtlingen durch Kommunen ausgesprochen. „Wer Bootsflüchtlinge bevorzugt aufnimmt, provoziert, dass sich noch mehr Menschen in Hoffnung auf ein besseres Leben auf die Lotterie um Leben und Tod im Mittelmeer einlassen“, sagte Stamp dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Eine Änderung der Rechtslage ist nicht geplant

Von solchen Äußerungen lassen sich die engagierten Kommunen nicht beeindrucken. Die Zahl der „Sicherer-Hafen“-Kommunen steigt weiter. Zuletzt hat sich Bielefeld zu einer aufnehmenden Stadt erklärt. Ende Januar trafen sich auf Einladung von Bielefelds Oberbürgermeister Pit Klausen (SPD) Vertreter von rund 20 Kommunen aus Nordrhein-Westfalen, um zu beraten, wie sie unbegleitete Minderjährige aus griechischen Flüchtlingslagern aufnehmen könnten. Hintergrund ist die prekäre Situation in den dortigen Lagern, etwa auf der Insel Lesbos. Nach Angaben von humanitären Organisationen fehlt es an grundlegender Infrastruktur; die Versorgung der Menschen sei angesichts winterlicher Verhältnisse mangelhaft, was die Gesundheit vor allem von Kindern und Jugendlichen gefährde.

Die Bundesregierung zeigt sich bis jetzt ungerührt von Appellen und offenen Briefen. Zwar ist bis Ende März ein Gespräch zwischen Kommunalvertretern und der Fachebene im Innenministerium in Berlin geplant. Doch das Innenministerium sagte auf Anfrage von „welt-sichten“, man könne sich lediglich vorstellen, bestehende Abläufe zu verbessern. Eine Änderung der Rechtslage sei nicht geplant. Das wissen auch die Kommunen. Die Situation sei sehr unbefriedigend, sagt Miriam Koch aus Düsseldorf, aber man werde nicht aufgeben und weiter Druck machen.

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Ist nun mal die Außenpolitik. Dazu gehört auch die Aufnahme von Ausländern. Es ist Theaterdonner, wenn Politiker etwas fordern, wofür sie nicht zuständig sind. Oder indirekt Subventionen Dritter brauchen...
Zweitens führt die Aufnahme zu einer Steigerung der Wohnungsnot. Potsdam und Düsseldorf sind nicht für Leerstand bekannt. In Folge werden Alteingesessene ins Umland verdrängt und verbittern dort am rechten Rand. Die Städte müssen ihre Wohnungs- und Pendlerprobleme lösen.
Natürlich könnte Deutschland mehr tun, aber das muss sehr geschickt angestellt werden...

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erschienen in Ausgabe 3 / 2020: Schuften für den Weltmarkt
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