Kranke Menschen, verwüstetes Land

Mike hutchings/reuters

Innehalten unter Tage: Dieser Arbeiter einer Goldmine  in Westonaria, Südafrika, gönnt sich eine kurze Pause.
 

Rohstoffe
Der Bergbau im südlichen Afrika verschmutzt vielerorts die Umwelt und zerstört die Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Wer das ändern will, muss den betroffenen Gemeinden helfen, sich dagegen zu wehren.

Mineralien spielen bei der Bereitstellung grundlegender Infrastruktur eine wichtige Rolle. Beispielsweise fließt der Strom zur Beleuchtung von Häusern, Kirchen und Schulen durch Kupferdrähte. An der Fördermenge gemessen ist das südliche Afrika mit der Demokratischen Republik Kongo und Sambia nach Chile der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt.

Deutschland importiert Kohle aus Südafrika für einen Teil seiner Stromerzeugung. Für die Stahlproduktion sind westliche und asiatische Länder auf südafrikanisches Eisenerz angewiesen. Mobiltele­fone und Batterien für Elektroautos werden mit Coltan und Kobalt aus dem Kongo hergestellt. Insgesamt liegen in dem zentralafrikanischen Land über 65 Prozent der weltweiten Kobaltvorkommen; Südafrika und Simbabwe verfügen über 95 Prozent der globalen Platinreserven. Mehrere Länder in der Region sind Diamantenproduzenten, wobei Botswana nach Russland der zweitgrößte Produzent weltweit ist. Das südliche Afrika produziert viele andere wichtige Mineralien, darunter Mangan, Uran und Lithium. Der Abbau und Transport dieser Rohstoffe hat schwerwiegende Folgen für lokale Gemeinschaften und die Umwelt.

Ohne Entschädigung vom eigenen Land vertrieben

Die erste gravierende Auswirkung ist der Verlust von Land. Meistens wird die lokale Bevölkerung ohne Absprache oder angemessene Entschädigung von ihrem Land vertrieben. Um ausländische Investitionen ins Land zu holen, sind die meisten Regierungen bereit, die Rechte der Bevölkerung zu beschneiden. Gemeinden werden umgesiedelt und verlieren ihr Ackerland und ihren Zugang zu Wasser. Der Grundsatz der freien, vorherigen und informierten Zustimmung wird selten beachtet. Die Gemeinden haben keine Möglichkeit, dem Rohstoff­abbau zuzustimmen oder ihn abzulehnen.

Die zweite schwerwiegende Folge des Rohstoffabbaus im südlichen Afrika betrifft die Gesundheit der Menschen, insbesondere der Bergarbeiter und der Kinder in umliegenden Gemeinden. In den Goldminen Südafrikas sind mehr als 500.000 Bergarbeiter an Tuberkulose erkrankt oder haben sich eine Staublunge zugezogen. Seit mehr als einem Jahrhundert verlieren Wanderarbeiter aus dem gesamten südlichen Afrika ihr Leben, während sie das Gold ausgraben, das die Grundlage für Südafrikas Wohlstand und wirtschaftliche Entwicklung war. Heute sterben ehemalige Bergleute aus Südafrika, Mosambik, Lesotho, Swasiland und Botswana an Krankheiten, die durch die Arbeit in den südafrikanischen Goldminen verursacht wurden. Hunderttausende kranke ehemalige Bergarbeiter wurden nach Hause geschickt, um dort ohne irgendeine Entschädigung zu sterben – und ohne überhaupt die Unterlagen zu erhalten, die für einen Entschädigungsantrag erforderlich wären.

In der Demokratischen Republik Kongo werden in Gegenden, in denen Unternehmen wie der Schweizer Konzern Glencore Kupfer und Kobalt fördern, Kinder wegen des hohen Uranvorkommens mit Fehlbildungen geboren. In der sambische Stadt Kabwe hat der Konzern Anglo-American von 1904 bis 1994 eine Bleimine betrieben. Einer Studie des Blacksmiths-Instituts zufolge zählt Kabwe wegen der hohen Rückstände von Schwermetallen wie Zink, Kadmium und Blei zu den zehn dreckigsten und giftigsten Städten der Welt. Als die Mine 1994 stillgelegt wurde, waren mehr als 300.000 Einwohner vergiftet, wobei Kinder am stärksten betroffen waren. Laut dem Copperbelt Environment Project benötigten im Jahr 2015 fast drei Viertel der Kinder in Kabwe dringend eine Chelat-Therapie, eine medizinische Behandlung zur Beseitigung von Metallen oder Mineralien aus dem Körper. Auf dem ehemaligen Minengelände befinden sich immer noch Rückstände und andere Abfälle aus der Mine und dem Schmelzwerk, unter anderem eine von den Einheimischen als „Schwarzer Berg“ bezeichnete große Abraumhalde. Dort suchen heute Kleinbergleute nach Blei und riskieren dadurch eine Vergiftung.

Autor

Claude Kabemba

ist Direktor von Southern Africa Resource Watch, einer zivilgesellschftlichen Organisation mit Sitz in Südafrika, die sich für einen gerechten Rohstoffabbau einsetzt.
Die dritte gravierende Auswirkung betrifft die Umwelt. In fast allen südafrikanischen Ländern verschmutzt der Bergbau Wasser, Boden und Luft, zerstört die biologische Vielfalt großer Gebiete und trägt durch CO2-Emissionen zum Klimawandel bei. Zwei bekannte Fälle sind die Verschmutzung des Flusses Kafue in Sambia und das saure Grubenwasser in Johannesburg. Wegen der Abwässer aus Kupferminen im sogenannten Kupfergürtel im Norden Sambias gilt der Kafue als der am stärksten verschmutzte Fluss der Welt. In Johannesburg haben 100 Jahre Bergbau das Grundwasser mit Säure verunreinigt, die zur Goldgewinnung verwendet wird. Dieses Wasser steigt nach oben und droht, die Trinkwasserreservoirs zu vergiften. In dem Gebiet rund um die simbabwischen Marange-Diamantenfelder haben Konzerne aus China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Simbabwe Flüsse verschmutzt – doch die Regierung hat nie Sanktionen gegen sie verhängt.

Fahrlässigkeit der Industrie

Verschmutzte Flüsse und Luft, vertriebene Gemeinden, kranke Arbeiter: Die Fahrlässigkeit der Industrie zeigt sich in allen Bergbauregionen im südlichen Afrika. Die finanziellen Kosten der Gesundheits- und Umweltschäden des Bergbaus sind unbekannt. Den meisten Staaten im südlichen Afrika gehören keine Bergwerke. Sie sind an Joint Ventures mit ausländischen Unternehmen beteiligt, die die Mehrheitseigner sind. In den meisten Fällen betragen die Anteile der Regierung nicht mehr als 30 Prozent, außer im Fall Botswanas, wo die Regierung und das Unternehmen De Beers jeweils die Hälfte der Anteile an den Diamantenminen halten. In Südafrika sind einige wenige Bergbauunternehmen im Besitz von Einheimischen. Doch die Bedingungen in den von Afrikanern betriebenen Minen unterscheiden sich nicht von den Bergwerken in ausländischer Hand. Es besteht auch praktisch kein Unterschied zwischen westlichen und chinesischen oder indischen Unternehmen im südlichen Afrika – die Menschenrechtsverletzungen, die Verschmutzung und die schlechten Beziehungen zur Bevölkerung sind vergleichbar.

Nach Protesten gegen die Fahrlässigkeit der Industrie wurden in den USA in den 1960er und 1970er Jahren eine Reihe strenger Umweltschutzgesetze etwa zum Schutz von Wasser und Luft verabschiedet. Der landesweite Protest rührte aus der zunehmenden Besorgnis der Menschen über Smog, dreckige Flüsse, das Verschwinden wildlebender Tiere sowie von Pflanzen und die beängstigende Zunahme von Krebserkrankungen und zuvor seltener Krankheiten. Das scharfe Vorgehen gegen Umweltverschmutzung traf die Industrie hart und zwang sie dazu, Fabriken zu sanieren und in einigen Fällen sogar zu schließen. Warum können afrikanische Regierungen die Minenbetreiber nicht ebenso dazu zwingen, sich an die Gesetze und Vorschriften zu halten und die Umwelt nicht zu zerstören?

Für das Fehlverhalten der Unternehmen gibt es eine Reihe von Gründen, doch unzureichende Vorschriften und Gesetze zählen nicht dazu. Rohstoffreiche Länder wie die Demokratische Republik Kongo, Botswana, Namibia, Madagaskar, Mosambik, Südafrika, Sambia und Simbabwe haben sehr fortschrittliche Gesetze und Vorschriften, die sich an den weltweit besten Standards und Prinzipien orientieren und ständig aktualisiert werden. Vier Schlüsselprobleme sind die Hauptursache für die Vernachlässigung von Umweltschutz und Menschenrechten in der Bergbauindustrie im südlichen Afrika.

Erstens sind die meisten für den Bergbau zuständigen staatlichen Institutionen schwach und unzureichend ausgestattet. Dadurch entsteht eine Kluft zwischen den Gesetzen und deren Umsetzung. Bergbau- und Umweltministerien und die mit der Überwachung des Bergbaus beauftragten Behörden verfügen entweder nicht über die personellen oder nicht über die finanziellen Ressourcen, um ihrem Auftrag gerecht zu werden. Zweitens sind viele staatliche Institutionen und Personen in Machtpositionen durch Korruption kompromittiert und setzen die Gesetze und Vorschriften nicht richtig durch. Die Staatschefs zahlreicher afrikanischer Länder begrüßen ausländische Unternehmen, obwohl sie Menschenrechte missachten, weil sie an ihnen viel Geld verdienen.

Der dritte Grund ist der Mangel an Transparenz bei der Verhandlung von Bergbauverträgen. Wie ein Unternehmen seine Konzession verhandelt, hat Einfluss darauf, wie es sich anschließend verhält. Oft kommen ausländische Firmen nicht durch faire und transparente Vereinbarungen ins Geschäft. Wenn sich ein Unternehmen die Abbaurechte durch Korruption gesichert hat, wird es wahrscheinlich auch Menschenrechte, Umweltschutz und seine soziale Verantwortung missachten. Solche Konzerne neigen zu korrupten Praktiken, einschließlich der Hinterziehung und Umgehung von Steuern.

Fast unmöglich, Arbeit der Firmen lokal zu überwachen

Viertens werden die Gemeinden bei den Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen oft nicht eingebunden. Meistens verfassen die Unternehmen diese Dokumente in Eigenregie, ohne die betroffene Bevölkerung zu beteiligen. Das macht es auf lokaler Ebene so gut wie unmöglich, die Arbeit der Unternehmen zu überwachen. Häufig spiegeln diese Dokumente nicht die wirklichen Gegebenheiten in den Fördergebieten wider: Bergbauunternehmen verwenden überall die gleichen Dokumente und beginnen oft mit der Förderung, bevor die Prüfberichte genehmigt wurden.

Offenkundig sind die Staaten im südlichen Afrika weder in der Lage noch willens, die schädlichen Folgen des Bergbaus für die Bevölkerung und die Umwelt zu verhindern. Die Gemeinden selbst müssen dazu ermächtigt werden, die Durchsetzung der Gesetze einzufordern. Sie müssen über die Vorschriften und über die Verantwortung von Unternehmen aufgeklärt werden und sich entsprechend organisieren, um sie zu überwachen und zur Verantwortung ziehen zu können. Die Gemeinde Xolobeni in Südafrika hat sich trotz Druck seitens der Regierung geweigert, den Abbau von Titan in ihrer Region zu akzeptieren. Das Beispiel zeigt, dass Menschen in der Lage sind, ihre Interessen zu schützen und gegen Regierung und Unternehmen durchzusetzen.

Aus dem Englischen von Elisabeth Steinweg-Fleckner.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2020: Schuften für den Weltmarkt
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