Wien arbeitet an einer Afrikastrategie

Die drei Politiker:innen sitzen an einem Tisch und beantworten Fragen während einer Pressekonferenz.
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Sie stehen hinter der österreichischen Afrikastrategie (von links): Michaela Schmidt (SPÖ), Staatssekretärin im Bundesministerium für Wohnen, Kunst, Kultur, Medien und Sport, Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) und Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP), Bundesminister für Wirtschaft, Energie und Tourismus bei einer Pressekonferenz Anfang Oktober in Wien.
Österreich
Die österreichische Regierung will die Beziehungen zu Afrika auf eine neue Grundlage stellen. Ziel ist es, die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu dem Kontinent auszubauen. Manche Fachleute fürchten, dass dabei die Menschenrechte in den Hintergrund geraten könnten.

Die Strategie soll Außenpolitik, Wirtschaft, Migration, Sicherheit und Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika in einem gemeinsamen Rahmen bündeln; bis Mitte 2026 soll sie fertig sein. Bereits 2018 hatte die damalige Regierung den Bedarf an einer Afrikastrategie erkannt; die nachfolgende Regierung erarbeitete dann einen ersten Entwurf, der jedoch nie fertiggestellt wurde. Jetzt soll das Außenministerium die Strategie ausarbeiten. Außerdem soll der Posten eines Afrikabeauftragten beziehungsweise einer Afrikabeauftragten geschaffen werden, um Koordination und Sichtbarkeit zu stärken.

Die erste Vorlage, die im Oktober vom Ministerrat abgesegnet wurde, nennt vier zentrale Themenfelder: Sicherheit und Stabilität, wirtschaftliche Kooperation, Migration und Mobilität sowie Bildung, Kultur und Wissenschaft.

Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und Afrika sind bislang überschaubar. 2024 beliefen sich die Exporte von Motoren, Industriemaschinen und anderen Gütern in Richtung des Kontinents auf rund 2,15 Milliarden Euro, gut ein Prozent der österreichischen Gesamtexporte. „Das entspricht unserem Exportvolumen in die Türkei beziehungsweise nach Kroatien oder Schweden“, erklärt Dietmar Schwank, Leiter der Abteilung Außenwirtschaft Afrika und Nahost in der Wirtschaftskammer Österreich (WKO).

Österreichische Firmen haben Niederlassungen in Afrika

Die Dynamik der vergangenen zwanzig Jahre ist dennoch deutlich: Das Volumen hat sich in diesem Zeitraum fast verdoppelt. Rund 250 österreichische Unternehmen betreiben etwa 350 Niederlassungen in afrikanischen Staaten, besonders in Südafrika und in Ländern Nordafrikas. Eine Analyse des International Trade Centre taxiert das zusätzliche Exportpotenzial österreichischer Unternehmen auf rund zwei Milliarden US-Dollar. Der technologische und demografische Wandel auf dem Kontinent – der Anstieg mobiler Internetnutzung, die Entstehung von digitalen Angebote für Finanzdienstleistungen, die wachsende Urbanisierung – wird in Wien zunehmend als Chance für österreichische Unternehmen in Bereichen wie Anlagenbau, Infrastruktur, Gesundheitswirtschaft, Umwelttechnologien und Energieversorgung wahrgenommen.

Die Bundesregierung betont im bisherigen Entwurf, die Strategie solle auf einem „menschenrechtsbasierten Ansatz“ sowie „gleichberechtigten Partnerschaften“ aufbauen. Ob sie diesem Anspruch genügen wird, bezweifeln manche Fachleute. So bestehen zwischen Österreich und Uganda – einem Schwerpunktland der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit – langjährige Verbindungen: Präsident Yoweri Museveni formulierte in den 1980er-Jahren während seines Exils in einem Dorf in Niederösterreich ein programmatisches Dokument seiner Bewegung. Museveni stellt sich nächstes Jahr zur Wiederwahl und wäre bei einem Sieg über 40 Jahre an der Macht. Österreich sieht Uganda auch als möglichen Partner für migrationspolitische Gespräche und für wirtschaftliche Kooperationen etwa im Bereich grünen Wasserstoffs. 

Die Menschenrechtslage des Landes ist jedoch schwierig und steht regelmäßig in der Kritik internationaler Organisationen. Aus dem Außenministerium heißt es, man sei sich dessen bewusst, sehe jedoch wenig Nutzen darin, sich aus schwierigen Kontexten zurückzuziehen. „Wir dürfen anderen Playern wie China oder Russland nicht das Feld überlassen“, heißt es aus dem Ministerium. Problematische Themen – darunter die Verfolgung von LGBTIQ-Personen – würden in bilateralen Gesprächen „klar angesprochen“. 

Restriktive Vergabe von Visa an Afrikaner

Mit Blick auf den Anspruch gleichberechtigter Partnerschaften mit Afrika weist Miriam Mona Mukalazi von der entwicklungspolitischen Denkfabrik Vienna Institute for International Dialogue and Cooperation darauf hin, dass dafür wichtige Voraussetzungen gar nicht erfüllt seien. Allein die restriktive Vergabe von Visa an Afrikanerinnen und Afrikaner erschwere wissenschaftliche und wirtschaftliche Kooperationen in der Praxis. Mukalazi kritisiert außerdem, dass der Entwurf der Strategie nichts zur UN-Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit enthalte. Das sei eine „verpasste Chance“. 

Das strategische Bemühen Österreichs um afrikanische Länder erfolgt auch vor dem Hintergrund veränderter globaler Rahmenbedingungen. Österreich bewirbt sich neben Deutschland und Portugal um einen nichtständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat für 2027/28. In Wien wird deshalb genau beobachtet, welche Positionen afrikanische Staaten in den UN-Gremien vertreten, etwa in Bezug auf den Krieg gegen die Ukraine oder den Gaza-Konflikt. Die Stimmen Afrikas werden zunehmend wichtig in internationalen Foren. Die Bundesregierung sieht einen umfassenden politischen Dialog mit dem Kontinent daher als notwendig an.

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