„Es fließt kein Franken nach Brüssel“

Erweiterungsbeitrag für EU-Mitglieder in Osteuropa
Mit 93 Projekten hat die Schweiz in den vergangenen zehn Jahren Bulgarien und Rumänien unterstützt, um die sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheiten mit Europa zu verringern. Eine Fortsetzung dieses Erweiterungsbeitrags für Staaten in Osteuropa ist im Prinzip bewilligt. Doch bevor es zur Auszahlung kommt, müssen Bern und Brüssel einen Streit beilegen.

Mit insgesamt 257 Millionen Schweizer Franken hat die Schweiz seit dem Jahr 2009 öffentliche und soziale Dienste wie Gesundheit und Bildung in Bulgarien und Rumänien gefördert, die Zivilgesellschaft gestärkt, zum Umweltschutz beigetragen und das Wirtschaftswachstum gefördert. So haben Romakinder in beiden Ländern einen besseren Zugang zu Bildung und Gesundheitsvorrichtungen erhalten, konnten junge Leute in Bulgarien eine duale Berufsausbildung nach Schweizer Vorbild absolvieren und wurden in Rumänien erneuerbare Energien ausgebaut.

Auf einer Medienkonferenz im Januar zum Abschluss des sogenannten Erweiterungsbeitrags zogen die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) eine „insgesamt erfolgreiche Bilanz“, wie Ruth Huber, DEZA-Leiterin der Ostzusammenarbeit, erklärte. Die Projekte hätten den Bedürfnissen der Partnerländer entsprochen, die Schweiz genieße dank den Projekten ein gutes Image in beiden Ländern und der Erweiterungsbeitrag habe Schweizer Unternehmen neue Geschäftsmöglichkeiten eröffnet. „Es fließt kein Franken nach Brüssel“, betonte Hugo Bruggmann, Ressortleiter Erweiterungsbeitrag/Kohäsion beim SECO. Die Projekte seien in Zusammenarbeit mit den Partnerländern ausgewählt und nach Schweizer Vorgaben umgesetzt worden. Die Partnerländer mussten mindestens 15 Prozent der Projektkosten beitragen.

Insgesamt drei Projekte mussten jedoch abgebrochen werden, darunter eines zur Bekämpfung der Geldwäsche und des Terrorismus in Rumänien. Die vereinbarten Bedingungen seien nicht eingehalten und Dokumente nicht geliefert worden, erklärte Bruggmann. Als ein Abschluss bis Ende 2019 nicht mehr möglich gewesen sei, habe man das Projekt abgebrochen. Die Schweiz habe dabei kein Geld verloren, erklärte Bruggmann.

Mit dem Erweiterungsbeitrag unterstützt die Schweiz den Abbau der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der EU. Er ist Teil des Bundesgesetzes über die Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas aus dem Jahr 2006. Von 2007 bis 2017 hat die Schweiz insgesamt 210 Projekte in den zehn Ländern umgesetzt, die 2004 der EU beigetreten sind. Nach Abschluss der Projekte in Bulgarien und Rumänien, die bis vergangenes Jahr liefen, ist die Schweiz noch bis zum Jahr 2024 an Projekten im jüngsten EU-Mitgliedstaat Kroatien beteiligt. Im Dezember genehmigte das Parlament einen zweiten Beitrag in der Höhe von insgesamt 1,3 Milliarden Schweizer Franken über weitere zehn Jahre.

Dieser zweite Erweiterungsbeitrag mit dem Titel „Schweizer Beitrag an ausgewählte EU-Mitgliedstaaten“ soll dort anknüpfen, wo der erste für die Neumitglieder aufgehört hat. Er wird in Form von zwei Rahmenkrediten ausgezahlt: einem weiteren Beitrag zum Abbau von Ungleichheiten, der von der DEZA und dem SECO vor allem in Osteuropa umgesetzt wird, und einem Beitrag von 200 Millionen Franken zur Bewältigung der Migration aus und durch Osteuropa, für den das Staatssekretariat für Migration zuständig ist.

Der Haken: Das Parlament hat entschieden, dass Verpflichtungen auf der Grundlage der Rahmenkredite nicht eingegangen werden, solange die EU „diskriminierende Maßnahmen“ gegen die Schweiz erlasse. Gemeint ist vor allem die sogenannte Börsenäquivalenz, welche die EU im vergangenen Jahr hat auslaufen lassen. Da die Schweiz nicht zur EU gehört, muss die Schweizer Börse von der EU als gleichwertig anerkannt werden, damit Schweizer Händler Zugang zu EU-Märkten erhalten. Die EU hat diese Anerkennung aus Sicht der Schweiz deshalb nicht verlängert, weil die Verhandlungen zwischen Brüssel und Bern über ein gemeinsames Rahmenabkommen zu den bilateralen Beziehungen stocken.

Das Ja des Parlaments zum zweiten Beitrag hat jedoch den Startschuss für die Vorbereitung neuer Projekte gegeben. Sie werden nun mit den Partnerländern ausgehandelt und sollen Anfang 2021 dem Bundesrat vorgelegt werden. Erst wenn der die Abkommen mit den Partnerländern unterzeichnet, werden die Zahlungen ausgelöst. Ob sich die Schweiz von der EU weiter diskriminiert fühlt, was die Unterzeichnung verhindern könnte, wird der Bundesrat nach Konsultation der außenpolitischen Kommissionen beider Kammern entscheiden.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2020: Schuften für den Weltmarkt
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