Städtepartnerschaften im Ukraine-Krieg

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picture alliance / dpa/Uli Deck
Zu den Partnerstädten von Baden-Baden zählten auch Sotschi und Jalta. Seit der russischen Annexion der Krim vor acht Jahren ruht die Partnerschaft mit Jalta, nun hat Baden-Baden auch jene mit Sotschi ausgesetzt. Andere deutsche Städte halten an ihren Städtepartnerschaften mit russischen Gemeinden fest.
Partnerstädte
Deutsche Städte helfen derzeit ihren Partnern in der Ukraine - doch Beziehungen zu Kommunen in Russland werden infrage gestellt. Während Chemnitz an der Verbindung mit Wolgograd festhält, hat Düsseldorf die Städtepartnerschaft zu Moskau aufgekündigt.

Vor dem Neuen Rathaus in Leipzig weht seit dem 24. Februar die Flagge der Ukraine. Die Stadt zeigt ihre Solidarität symbolisch, aber auch praktisch. Bereits einen Tag vor dem Beginn der russischen Invasion hat Leipzig einen Hilfstransport mit medizinischer Ausrüstung für Kiew, seine älteste Partnerstadt, losgeschickt. Es waren Sachspenden einer Klinik und eines Altenheims, die in der ukrainischen Hauptstadt dringend benötigt werden.

In der Krise zeigt sich, wie wichtig Kontakte auf lokaler Ebene sind, um schnell helfen zu können. Über langjährige Verbindungen aus kommunalen Partnerschaften kann schnell vermittelt werden, welche Hilfsgüter am dringendsten nötig, welche Partner zuverlässig und welche Kanäle am wirksamsten sind.

Verbindungen zwischen deutschen und ukrainischen Städten gibt es schon lange, sie reichen bis in die 1960er Jahre zurück, vor allem bei ostdeutschen Kommunen. Die meisten Kontakte von westdeutschen Städten sind jüngeren Datums und wurden erst seit den 1980er Jahren geknüpft, vor allem nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986, und nach der russischen Besetzung der Krim vor acht Jahren intensiviert. Seitdem hat auch die Servicestelle Kommunen in der Einen Welt (SKEW) im Auftrag des Entwicklungsministeriums (BMZ) die deutsch-ukrainischen Kommunalbeziehungen mit Förderprogrammen gestärkt, auch um den nach Europa orientierten politischen Kräften Rückenwind zu geben. Die offizielle Zusammenarbeit von drei deutschen Städten mit Kommunen auf der Krim und die Partnerschaft von Bochum mit Donezk wurden damals ausgesetzt, zivilgesellschaftliche Kontakte bestehen aber weiter.

Nürnberg bietet Unterkunftsbörse zur Aufnahme Geflüchteter aus Charkiw

Heute gibt es rund 40 deutsch-ukrainische Städteverbindungen, darunter Regensburg-Odessa, München-Kiew, Freiburg-Lwiw (Lemberg) und Nürnberg-Charkiw. Die Stadt Charkiw in der Ostukraine wurde bereits in den ersten Kriegstagen schwer bombardiert. Nürnberg, seit 1990 mit Charkiw verbunden, hat in der Krise eine Unterkunftsbörse zur Aufnahme Geflüchteter und eine „Service-Hotline Flüchtlinge“ eingerichtet, bei der ehrenamtliche Hilfsangebote gemeldet werden können. Ein Hilfstransport, der sogenannte Frankenkonvoi, hat Kleidung, Hygieneartikel, Wasser und Lebensmittel direkt in die Ukraine geliefert und dort verteilt. Weitere Lieferungen sind geplant. Der Partnerschaftsverein Nürnberg-Charkiw hält Kontakte zu den Partnern im Nürnberger Haus, einer 1995 von Nürnberg in Charkiw gegründeten Kultureinrichtung, und zum Sozialen Hilfsdienst, einer Nürnberger Initiative in Charkiw, die alte und behinderte Menschen in der Partnerstadt versorgt.

Es zeigt sich auch, wie wichtig Querverbindungen sind. Denn sowohl Nürnberg als auch Leipzig sind zusätzlich mit dem polnischen Krakau verbunden. Die Stadt im Südosten Polens ist aufgrund ihrer geografischen Lage zu einer Anlaufstelle für ukrainische Flüchtlinge und zu einem Logistik-Drehkreuz für Hilfstransporte in die Ukraine geworden. „Unsere Stadt ist zu einem der wichtigen Zentren geworden, von dem aus täglich Lastwagen in verschiedene Städte der Ukraine fahren“, schrieb Krakaus Stadtpräsident Jacek Majchrowski an Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König. Auch in Krakau ist der Bedarf an Hilfsgütern für die Versorgung Geflüchteter groß.

Die SKEW hat eine Hotline eingerichtet, um die Kommunen bei der Hilfe für die Ukraine zu unterstützen. Die Hilfsbereitschaft sei groß, berichtet die Servicestelle. Es würden sich auch Städte melden, die bisher noch gar keine Beziehungen zur Ukraine hatten.

Jede vierte Partnerschaft mit russischen Städten ausgesetzt

Aber wie umgehen mit Beziehungen zu russischen Städten? Der Präsident des Deutschen Städtetags und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe (CDU), hat sich gegen den Abbruch deutsch-russischer Städtepartnerschaften ausgesprochen. Rund 80 formale Partnerschaften und etwa 50 weitere Kontakte und Kooperationen gab es vor Beginn der russischen Invasion. Die Verbindungen könnten in der jetzigen Situation deeskalierend wirken, sagte Lewe gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Das sehen allerdings nicht alle Kommunen so. Düsseldorf hat seine Partnerschaft mit Moskau kurz nach Kriegsbeginn gekündigt, weil man sich nach dem „beispiellosen Akt der Aggression“ Russlands mit der Ukraine solidarisch zeigen will. Die Landeshauptstadt von Nordrhein-Westfalen hat kurzfristig beschlossen, stattdessen eine Städtepartnerschaft mit Czernowitz in der Westukraine aufzunehmen, zu der die jüdische Gemeinde in Düsseldorf bereits gute Kontakte hat. Ähnlich geht Ingolstadt vor, dass ebenfalls seine offizielle Partnerschaft mit Moskau gekündigt hat. Kontakte zur Zivilgesellschaft sollen jedoch bestehen bleiben.

Chemnitz, dass seit 1988 mit Wolgograd, dem früheren Stalingrad, verbunden ist, hat sich anders entschieden. Man wolle an der Verbindung festhalten, heißt es aus der Pressestelle der Stadt. Es sei Putins Krieg und nicht der des russischen Volkes. Laut einer Umfrage des „Spiegel“ unter deutschen Kommunen mit Russland-Verbindungen wurde bis Mitte März jede vierte der 80 formalen Kooperationen mit russischen Städten ausgesetzt.

Hotline der SKEW: Tel.: 0228-20 717-2670

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erschienen in Ausgabe 4 / 2022: Streiten für die Menschenrechte
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