Guterres hat das bei der Vorstellung des dritten Berichts der Global Crisis Response Group (GCRG) gesagt, die er im März einberufen hatte; ihr gehören die Chefs von UN-Sonderorganisationen, multilateralen Entwicklungsbanken, regionalen UN-Wirtschaftskommissionen und des IWF an. Dieser Bericht beschreibt, dass Millionen Menschen in Entwicklungsländern nach guter Nahrung nun auch Energie nicht mehr bezahlen können und die Finanznot der Regierungen dort mit Zinserhöhungen in den USA und Europa noch wächst. Er konzentriert sich dann darauf, wie die Energiepreiskrise global bewältigt werden kann, ohne den Klimaschutz irreparabel zu beschädigen. Die Hauptverantwortung dafür weist die GCRG den Ländern zu, die die meiste Energie verbrauchen; sie kritisiert, dass manche nun Treibstoff mit Subventionen verbilligen oder Kohlekraftwerke wieder ans Netz nehmen. Stattdessen könnten und sollten sie kurzfristig Energie einsparen.
Regierung scheut Schritte zum Energiesparen
Dies hat sich der UN-Generalsekretär zu eigen gemacht. Es trifft nicht zuletzt die Regierung in Berlin, die energische Schritte zum Energiesparen bisher scheut. Nicht einmal zu einem Tempolimit auf Autobahnen kann sie sich entschließen, weil es unter anderem für Liberale in die persönliche Freiheit eingreift, das Gaspedal nicht durchtreten zu dürfen.
Auch eine Sondersteuer auf – wie es hierzulande heißt – „Übergewinne“ der Energiekonzerne wird vor allem von der FDP blockiert. Finanzminister Christian Lindner betont, dass Firmengewinne immer stark schwanken könnten und man im Steuerrecht gar nicht abgrenzen könne, wo ein normaler Gewinn aufhört und ein Übergewinn anfängt. Er hat Recht, dass ein Sonderrecht für irgendwie unpopuläre Gewinne problematisch ist. Man sollte daraus aber genau den entgegengesetzten Schluss ziehen wie er: Auch andere hohe Profite sind moralisch, sozial und politisch bedenklich.
So beruht ein erheblicher Teil der Gewinne, die manche Großunternehmen und Investoren heute erzielen, nicht auf Innovation, Leistung oder Risiko. Ein Teil entsteht durch Ausnutzung von Marktmacht, zum Beispiel im Fall der Internet-Giganten oder vieler Pharmakonzerne. Ein weiterer ist Abzocke mittels Finanz- und Steuermanipulation, wie zahlreiche bekannt gewordene Skandale deutscher und internationaler Großbanken sowie Enthüllungen über Steueroasen belegen. Und wenn ein Großkonzern nach Zeiten der Profitmaximierung ins Taumeln gerät, lässt er sich gern vom Staat retten.
Anstieg der Profite ist Grund für soziale Ungleichheit
Zudem ist der Anstieg der Profite und Kapitalerträge im Verhältnis zu den Arbeitseinkommen ein Grund für die Zunahme der sozialen Ungleichheit. Und er ist mit einem übermäßigen Wachstum des Finanzsektors verbunden, der Gewinne an Vermögende schleust und, wie man an der Krise von 2007-08 gesehen hat, dabei Risiken für die ganze Gesellschaft erzeugt.
Der richtige Schluss aus Christian Lindners Argument gegen eine Übergewinnsteuer müsste also lauten: Es ist höchste Zeit, alle Profite und Kapitalerträge wieder gleichermaßen konsequent und höher als jetzt zu besteuern. Um dabei Steuerwettbewerb einzudämmen, sollte die 2021 in den G20 vereinbarte globale Mindeststeuer erhöht werden. Und nicht zuletzt sollten Steueroasen endlich ausgetrocknet und der Finanzsektor strenger reguliert und eingehegt werden.
Alle diese Forderungen werden auch in den UN laut und sind António Guterres bekannt. Er geht aber wohl davon aus, dass es in absehbarer Zeit kaum Chancen gibt, sie politisch durchzusetzen – auch weil wichtige Finanzministerien wie das deutsche mauern. Für die Abschöpfung der krisenbedingten Extraprofite der Energiekonzerne gibt es hingegen jetzt einen gewissen Rückenwind. Anscheinend will Guterres wenigstens diesen Trippelschritt in Richtung eines globalen Ausgleichs. Denn ihm steht vor Augen, dass die gegenwärtige Krise viele arme Länder um Jahre oder Jahrzehnte zurückwirft.
Steuerrechtlich wäre eine Übergewinnsteuer unsauber und unlogisch. Aber solche Notlösungen gibt es bei Steuern öfter. Wenn Christian Lindner sie blockiert, läuft das auf Nichtstun hinaus und offenbart eine provinzielle Mentalität: Wie seine Politik sich auf schwächere Länder auswirkt, scheint ihn wenig zu interessieren. Damit allerdings ist er in Deutschland nicht allein.
Neuen Kommentar hinzufügen