"Kein Ort mehr, an den wir gehen können"

picture alliance / NurPhoto | Fayed El-Geziry
Kinder hüten Ziegen in Madira, Kenia.
Klimawandel in Kenia
Die Angehörigen einer Volksgruppe im Nordwesten Kenias leben überwiegend als nomadische Viehhirten. Sie spüren die Folgen des Klimawandels und extremer Dürren überdeutlich und haben Angst, nicht überleben zu können.

All ihre Ziegen seien gestorben, erzählt Akalale. Auch jene, die sie auf der Suche nach Futter zu weit entfernten Weideplätzen gebracht haben, hätten es nicht geschafft. „Diese Dürre ist schlimmer als alle anderen.“ Früher hätten sie von ihren Tieren gelebt, die sie mit Milch und Fleisch versorgt haben. „Diese Zeit ist sehr schmerzhaft“, sagt die Frau, die den Turkana angehört, einer Volksgruppe im Nordwesten Kenias, von denen viele als nomadische Viehhirten leben.

Ihre fünf Kinder und auch ihr Mann seien jetzt abhängig von dem wenigen Geld, das sie mit dem Verkauf von Holzkohle und Feuerholz auf dem Markt in der keinen Stadt Kakuma verdiene, erzählt Akalale. Etwa sechs Stunden laufe sie dorthin durch die karge, staubige Landschaft der Halbwüste. Um vier Uhr morgens bricht sie auf. Von dem Geld kauft sie etwas Mais, Zucker und Milch für sich und ihre fünf Kinder.

Hunderttausende Ziegen, Schafe und Kamele sind verendet

Seit zwei Jahren hat es in der Turkana-Region - wie auch in anderen Teilen Ostafrikas - zu wenig und zu unregelmäßig geregnet. Hunderttausende Ziegen, Schafe und Kamele sind verendet, Wasserstellen ausgetrocknet. Schon jetzt sprechen die Vereinten Nationen von der verheerendsten Dürre seit vier Jahrzehnten. Die Prognosen für die fünfte Regenzeit in Folge, die eigentlich jetzt beginnen sollte, sind schlecht.

Klimafachleute gehen davon aus, dass solche langen Trockenphasen infolge des Klimawandels zunehmen. Obwohl sie kaum etwas dazu beigetragen haben, bedroht die Erderwärmung damit die traditionelle Lebensweise der Viehhirten, aber auch von Kleinbäuerinnen, die auf den Regen angewiesen sind. In ganz Ostafrika nimmt der Hunger wieder zu, warnen die Vereinten Nationen. Bis zu 20 Millionen Menschen sind bedroht.

Einige Kilometer von Akalales Dorf entfernt steht ein weiteres Dutzend Hütten in der Nähe einer der seltenen Wasserstellen. Kartons und weiße Planen spenden etwas Schutz vor dem Staub und der stechenden Sonne. Gegen Mittag schon steigen hier die Temperaturen auf mehr als 35 Grad. Vor ihrer Hütte steht Adiaka Lomuole. Auch bei ihr seien wegen der Dürre fast alle ihre Tiere gestorben, erzählt sie. Damit sie ihre sechs Kinder versorgen kann, spare sie bei den eigenen Mahlzeiten.

Die Viehzucht sei ihr Leben gewesen, sagt Lomuole. Aber wegzugehen, sich woanders ein neues Leben aufzubauen, darüber habe sie nie nachgedacht. „Wenn die Dürre kommt, kämpfen wir zusammen als Gemeinschaft.“

„Ohne Regen gibt es keine Lebensgrundlage“

Doch je öfter und länger der Regen ausbleibt, desto schwieriger wird es, durchzuhalten. „Ohne Regen gibt es keine Lebensgrundlage“, sagt der Nothilfe-Direktor für Ostafrika vom International Rescue Committee (IRC), Shashwat Saraf. Für die Viehhirten könne nicht so einfach Infrastruktur gebaut werden - etwa in Form von Bewässerungsanlagen - wie in der Landwirtschaft.

Verschärft wird die Krise zudem durch die hohen Preise für Grundnahrungsmittel wie Mais, die in auch in Kenia wegen der Inflation, Ernteeinbußen und höherer Transportkosten gestiegen sind. Gleichzeitig erzielen die Viehzüchter mit dem Verkauf von Ziegen auf den Märkten immer weniger Einnahmen, weil ihre Tiere ausgemergelt oder krank sind. Laut Schätzungen der UN und von Hilfsorganisationen bringt der Verkauf einer Ziege in Turkana Geld für 22 Kilogramm Mais - in den Jahren zuvor war es fast doppelt so viel.

Schon jetzt nehmen in der Region wegen der Dürre auch die Konflikte zwischen den Angehörigen der Turkana und den Zehntausenden Menschen im nahegelegenen Kakuma-Flüchtlingslager um knapper werdende Ressourcen zu, berichten Helfer. Die Viehhirten fühlten sich benachteiligt, weil sie kaum etwas hätten von der Unterstützung für die Vertriebenen etwa aus dem Südsudan, Äthiopien oder Somalia.

Akalale hat Angst, dass Menschen verhungern, wenn die Dürre anhält. Doch sich woanders ein neues Leben aufzubauen, ist auch für sie keine Option. Hoffnung habe sie keine mehr. „Es gibt keinen Ort, an den wir gehen können. Die Dürre hat alle Orte zerstört.“

Von Moritz Elliesen (epd)

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