Fachkräfte gegen den Klimawandel

REUTERS/Monicah Mwangi
Eine Bäuerin im Süden von Kenia begutachtet ihre Maisernte. Deutsche Fachkräfte sollen Bauern im globalen Süden künftig unterstützen, besser mit dem Klimawandel fertig zu werden.
Entwicklungshelfer
Die deutschen Personaldienste, die Entwicklungshelfer in Partnerländer entsenden, wollen einen neuen Internationalen Klimafachdienst schaffen. Das Entwicklungsministerium zeigt sich aufgeschlossen, sperrt sich aber bei einem wichtigen Detail.

Spezielle Fachkräfte sollen unter dem Dach des Entwicklungshelfergesetzes in Ländern des globalen Südens Partnerinstitutionen in Fragen der Klimapolitik, des Klimaschutzes und der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützen. Für einen solchen Internationalen Klimafachdienst (IKD) hat die Arbeitsgemeinschaft der Entwicklungsdienste (AGdD) ein Konzept erarbeitet, das aber noch nicht öffentlich ist. Zur AGdD gehören sieben große Entsendedienste, darunter Agiamondo, Dienste in Übersee, die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und Eirene. 

Dem Vernehmen nach soll der neue Dienst drei Schwerpunkte abdecken: Klimapolitik und Klimalernen; erneuerbare Energien; Ernährungssouveränität. So sollen IKD-Fachkräfte zivilgesellschaftliche Organisationen in den Einsatzländern dabei unterstützen, die Bevölkerung über den Klimawandel zu informieren, die nationale Klimapolitik zu beeinflussen und den Umstieg auf erneuerbare Energien kritisch zu begleiten. Im Schwerpunkt Ernährungssouveränität geht es um eine an den Klimawandel angepasste Land- und Forstwirtschaft. 

Die Partner in Afrika, Asien und Lateinamerika haben auf Bitten von AGdD-Mitgliedern Projektvorschläge gemacht. Dazu zählen etwa die Sensibilisierung für den Klimawandel in Guatemala, die Stärkung des gesellschaftlichen Engagements für den Schutz des Amazonas-Regenwaldes in Brasilien, technische Beratung für den Umgang mit dem Klimawandel in Fairtrade-Agrarlieferketten in Ghana und die Einbindung der Zivilgesellschaft in internationale Klima- und Energiepartnerschaften in Namibia und Südafrika.

Nur ein neues Label?

Die Vorschläge zeigen: Unter den Klimafachdienst würden etliche Einsätze fallen, die so oder so ähnlich heute schon stattfinden, etwa in den Bereichen Umweltschutz und Landwirtschaft. Insofern handelt es sich beim IKD zum einen um ein neues Label für solche Einsätze, das unter anderem verdeutlichen soll, dass die Entsendedienste und das Entwicklungsministerium (BMZ) den Klimawandel und seine Folgen in der personellen Zusammenarbeit auf dem Schirm haben. 

Zum anderen sollen die Einsätze in den drei IKD-Schwerpunkten unter dem Dach des neuen Fachdienstes institutionell gebündelt werden. Die beteiligten Entsendedienste und ihre Partner im globalen Süden sollen sich über ihre Erfahrungen austauschen und voneinander lernen. Die Einsätze der Fachkräfte sollen nicht als Einzelprojekte stehen, sondern in IKD-Länderprogramme zusammengefasst werden. Ihnen soll ein gemeinsames Konzept zugrunde liegen und sie sollen nach gemeinsamen Kriterien evaluiert werden. Ziel des IKD ist es, ein Netzwerk der beteiligten Organisationen in den Entsende- und den Einsatzländern zu schaffen, so dass sie an einem Strang ziehen und mehr bewirken können. Vorbild ist der Zivile Friedensdienst, der seit zwanzig Jahren die personelle Zusammenarbeit in den Bereichen Gewaltprävention und Friedenskonsolidierung in einem Gemeinschaftswerk staatlicher und zivilgesellschaftlicher Institutionen bündelt.

Das BMZ steht einem neuen internationalen Klimafachdienst „grundsätzlich offen gegenüber“, heißt es auf Anfrage. Voraussetzung sei, „dass die nötigen Haushaltsmittel zur Verfügung stehen“. Die AGdD rechnet mit der Finanzierung einer Pilotphase ab dem kommenden Jahr. 

Fokus auf wechselseitiges Lernen

Aus dem BMZ heißt es, ein Klimafachdienst könne dazu beitragen, Kapazitäten in den Partnerländern im Kampf gegen die Ursachen und Folgen des Klimawandels zu stärken. Das klingt nach dem alten Muster, nach dem der Entwicklungshelfer aus dem Norden dem Partner im Süden zeigt, wie es geht. Hingegen legt die AGdD den Fokus auf das wechselseitige Lernen. Aus Kreisen der AGdD-Mitglieder heißt es, das Leben im Klimawandel und der notwendige Umbau von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft seien überall auf dem Globus unbekanntes Terrain. Die personelle Zusammenarbeit sei ideal dafür, über Kulturgrenzen hinweg gemeinsam nach Wegen auf diesem Terrain zu suchen und auf diese Weise neues Wissen zu generieren.

Aus diesem Grund plädieren die AGdD-Mitglieder dafür, den neuen Klimafachdienst in beide Richtungen, also auch in Süd-Nord-Richtung stattfinden zu lassen: Es sollten nicht nur Fachkräfte in die Partnerländer entsandt werden, sondern auch von dort nach Deutschland. Immerhin leben die Menschen in vielen Regionen Afrikas, Asiens und Lateinamerikas schon viel länger unter harten klimatischen Bedingungen und verfügen über ein Wissen, von dem der sich zunehmend erhitzende Norden profitieren könnte. 

Doch einen solchen Süd-Nord-Klimafachdienst lehnt das BMZ bislang ab. Auf die Frage, ob es den Einsatz von Fachkräften aus Partnerländern in Deutschland finanzieren würde, hat das Ministerium nicht geantwortet. Stattdessen betont es, der IKD könne „für engagierte und gerade auch jüngere Menschen in Deutschland zusätzliche und inhaltlich spannende Perspektiven bieten“. Das klingt, als schwebe dem BMZ ein neuer Bildungs- und Erlebnisdienst für junge Leute vor, also eine Art „weltwärts“ mit Fokus Klimawandel. Es scheint, als hätten die AGdD und das Entwicklungsministerium noch einiges zu besprechen.

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Mein Kommentar als Mitglied einer evangelischen Landeskirche ist eher eine Bitte an Welt-Sichten:
Ja, bitte Kritik an BMZ, weil der staatliche Dienst im Klimadienst ausgeschlossen wird; aber bitte Kritik auch an EWDE bzw. Brot für die Welt, dass im evangelischen Personaldienst die Süd-Nord und Süd-Süd Vermittlungen immer noch kein selbstverständlicher Teil sind. So müsste es auch Welt sichten bekannt sein, dass Brot für die Welt im ZFD die einzige Trägerorganisation im ZFD ist, die es trotz der Ermutigung des BMZ bisher unterlassen hat, Südfachkräfte in sein Programm aufzunehmen.

Wenn ich das erläutern dürfte: Es freut mich, dass Welt-sichten die Besonderheit des ZFD-Programms und des neuen Schwesterprogramms fast korrekt wiedergegeben hat: Ergänzend zu anderen entwicklungspolitischen Personalprogrammen handelt es sich beim ZFD und dem IKD um entwicklungspolitische Personalprogramme mit einem besonderen korporativen Ansatz. Jedoch möchte ich darauf hinweisen, dass meiner Ansicht nach der wichtigste Webfehler des neuen Programms nicht darin besteht, dass eine Süd-Nord-Komponente fehlt. Der entscheidende Webfehler des neuen IKD Programms ist aus meiner Sicht die Ausgrenzung des GIZ-Entwicklungsdienstes. Das ist der eigentliche Skandal: Die GIZ als der einzige staatliche Träger des Entwicklungsdienstes wird ausgeschlossen. Während der staatliche Dienst unter dem Entwicklungshelfer-Gesetz das Partnerfeld der Kirchen und NGOs im ZFD wunderbar ergänzt und wichtige Impulse gibt, wird die GIZ im Konzept des Klimadienstes ausgeschlossen. Als Grund ist zu vermuten, dass bei der Fusion der GIZ unter Minister Niebel ein Ende des Zuwendungsverfahrens für GIZ Programme vereinbart wurde. Um den damals schon gut funktionierenden ZFD nicht zu beschädigen, konnte im ZFD von den weitsichtigeren Kolleg:innen eine ideologische Ausnahme durchgesetzt werden. Der ZFD in der GIZ ist entsprechend auch eins der gut funktionierenden Programme der GIZ, während die GIZ-Leitung offensichtlich seit Jahren nicht in der Lage ist, die Rolle der GIZ als einziger Träger des Entwicklungshelfer-Gesetzes erfolgreich im Auftragsverfahren zu gestalten. Eine Sanktion des BMZ, um die GIZ hier wieder auf einen erfolgreichen Weg zu bringen ist hier bisher nicht erfolgt. Im Gegenteil, aus ideologischen Gründen wird nun beim IKD eine weitere Ausnahme im Blick auf das Zuwendungsverfahren nicht mehr zugelassen und egal, wie sinnvoll und wichtig ein korporativer Ansatz mit einem staatlichen Akteur wäre, beim Klimadienst wird er ausgeschlossen. Das ist der eigentliche Skandal an diesem Konzept und der Webfehler mit der größten Implikation auf die Wirkung des neuen Dienstes. Kritik an den Verantwortlichen ist an dieser Stelle wichtig. Hier muss BMZ und GIZ in die entwicklungspolitische Verantwortung genommen werden und dabei könnte auch Welt-Sichten unterstützen. Einfach nur im Geschäftsbericht nachlesen, wie erfolgreich die Arbeit der GIZ-Leitung im Bereich des GIZ EH-Stammprogramms ist. Die Vermittlungszahlen anschauen genügt.
Was die Süd-Nord Komponente angeht: Ja, die Auslegung des BMZ Mandats liegt hinter der ansonsten gewonnenen Einsicht zurück, dass Entwicklung nur global zusammen gedacht und umgesetzt werden kann. Das ist sicher beim BMZ zu kritisieren. Aber für eine Zeitschrift wie Welt-Sichten hätte ich es wichtig gefunden, zunächst die eigenen Kirchen in den Blick zu nehmen: Gerade der seit 20 Jahren erfolgreich gefahrene und teuer finanzierte entwicklungspolitische Rückwärtsgang im evangelischen Bereich sollten bei welt-sichten im Blick sein.
Selbstverständlich war evangelische Entwicklungsarbeit und insbesondere der Personaldienst programmatisch schon fortgeschrittener, als er sich heute darstellt. So hat es bei Dienste in Übersee, (dem Personaldienst evangelischer Kirchen) eine fest verankerte Süd-Nord Komponente, nämlich das Programm "Ökumenische Dienste in Deutschland" gegeben. Dieses Süd-Nord-Personalprogramm war bis Ende der 90er Jahre ebenso wie die gesamte Inlandsarbeit von Dienste in Übersee incl. der Zeitschrift „Der Überblick“ für die übrigen kirchlichen als auch staatlichen Akteure der Entwicklungsarbeit wegweisend.
So lag der entwicklungspolitische Fokus beim Personaldienst schon mindestens seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts auf beiden Perspektiven, dem Norden und dem Süden. Fachkräfte wurden im Norden gewonnen und kamen mit den Erfahrungen aus dem Süden in den Norden zurück. Das Motto des evangelischen Personaldienstes war daher "Wir vermitteln Zurückgekehrte". Die Message war: Wir tragen mit den Personalvermittlungen zur Veränderung der Verhältnisse im Süden und im Norden bei, damit globale Entwicklung mit menschlichem Maß möglich wird. Heutzutage ist diese Betrachtung auch in der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit angekommen, und Engagement Global hat viele Programme von der DÜ Inlandsarbeit aufgegriffen. Das Ökumenische Dienste in Deutschland Programm (ÖDD) mit der kolumbianischen Fachkraft für Fairen Blumenhandel, dem brasilianischen Landrechtspastor zur Förderung der Anerkennung des internationalen Rechts auf Nahrung bei FIAN, die Förderung der internationalen Gewerkschaftsarbeit im DGB durch eine Süd Fachkraft oder die Unterstützung der Kampagnen vom Pestizid-Aktionsnetzwerk oder der Anti-Rassismus-Arbeit sind nur einige Themenfelder aus dem ÖDD-Programm.
Leider hat sich die evangelische Kirche in den 90er Jahren dazu verleiten lassen, mit ihrer Entwicklungsarbeit zur Lösung von Machtfragen zwischen Diakonischem Rat und EKD beizutragen. Es ging dann eher um Fusionen und Fragen der Machtverteilung was dann damit endete, dass die Organisationen der evangelischen Entwicklungsarbeit im Einflussbereich des Diakonischen Rates beim Diakonischen Werk blieben und die Organisationen im Einflussbereich des Rates der EKD zum EED zwangsfusioniert wurden. Der Wechsel des Diakonischen Werkes nach Berlin gab dann 10 Jahre später den Ausschlag, alles in Berlin im EWDE zusammenzuführen - entwicklungspolitische Programme und finanzieller Aufwand hin oder her. Der entwicklungspolitische Personaldienst und damit der zukunftsweisende Teil der Entwicklungsarbeit evangelischer Kirchen ist damit jedenfalls unter die Räder gekommen. Davon waren auch die Ökumenischen Dienste in Deutschland (ÖDD) betroffen. Statt ÖDD weiterzuentwickeln, ging es in den jeweiligen neuen Häusern in erster Linie um Aufbau neuer Strukturen und die Klärung der internen Machtverhältnisse - was insbesondere beim EWDE von den Kirchen erschreckend unkritisch begleitet wurde.
Im ZFD ist das EWDE bzw. Brot für die Welt dafür bekannt, dass es der einzige ZFD-Akteur ist, der noch immer keine Südfachkräfte im ZFD einsetzt. Während Missionswerke schon seit Jahrzehnten Südpartner in Leitungen haben, wird im EWDE selbst die neu erfundene Leitungsebene der Direktor:innen noch in Deutschland rekrutiert. Südexpertise wird maximal zur Beratung zugelassen, zugegeben: neuerdings auch altersübergreifend…. Ich muss es überlesen haben, wenn welt-sichten diese Entwicklungen kritisch begleitet hat.
Nicht nur Dienste in Übersee, auch Missionswerke und Mitgliedskirchen des EWDE wie z.B. die Mennoniten haben eben auch schon längst erkannt, dass der Austausch von Fachkräften im Süden ein wichtiger kirchlicher Beitrag zu Frieden, Gerechtigkeit und der Bewahrung der Schöpfung ist. Die Mennoniten spielen hier in Südostasien z.B. eine vorbildliche Rolle, die nicht genügend gewürdigt werden kann. Während bei EED und EWDE die seit 20 Jahren immer wieder gemachten internen Anläufe zu diesen Vermittlungen ins Leere laufen. Vor allem die Mitglieder des EWDE sollten den Mut aufbringen, für ihre Finanzierung des EWDE auch wieder einen evangelischen Personaldienst einzufordern, der entwicklungspolitisch nicht abgehängt ist, sondern natürlich auch mit einem Ökumenischen Dienste Programm 2.0 endlich wieder auf die Höhe der Zeit kommt. Hier gibt es viel aufzuholen.
Beim Gang über den Stuttgarter Kirchenhügel hätte Jesus den Personaldienst evangelischer Kirchen an dessen Programmen als sein Haus erkannt. Es wäre schön, wenn wir ihm die Gelegenheit gäben, dies in Berlin auch zu tun.

Jürgen Deile, Brot für die Welt, Koordinator Ziviler Friedensdienst, Phnom Penh, Kambodscha

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