Äthiopische Katholiken äußern sich kritisch zur Lage im Land

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Kirchgänger in der Region Tigray verlassen die Arabtu Ensessa Kirche in der Stadt Axum.
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Kirchgänger in der Region Tigray verlassen die Arabtu Ensessa Kirche in der Stadt Axum. In Tigray kämpften von 2020 bis 2022 Truppen der äthiopischen Regierung und ihres Verbündeten Eritrea gegen die Truppen der Volksbefreiungsfront von Tigray. Die humanitäre Situation ist noch immer katastrophal.
Kirche und Ökumene
Katholiken sind in Äthiopien eine verschwindend kleine Minderheit. Dennoch gehört ihre Kirche zu den wenigen kirchlichen Stimmen, die sich kritisch zur Situation im Vielvölkerstaat äußern – vor allem zur Lage in Tigray.

Dass Geistliche sich gegenseitig öffentlich kritisieren, kommt eher selten vor. Erst recht in Äthiopien, wo sich die Kirchen kaum zum Zustand der Nation äußern. Umso bemerkenswerter ist die deutliche Kritik an den religiösen Führern des Landes, die unlängst der Generalsekretär der katholischen Bischofskonferenz in Äthiopien, Lukas Teshome Fikre Woldetensae, in einem Interview mit einem lokalen Fernsehsender geäußert hat. Wenn religiöse Führer etwas für den Frieden in Äthiopien tun wollten, müssten sie sich zuallererst „von ethnischem Sektierertum“ freimachen, sagte er. Nur dann könnten sie eine wichtige Rolle als Vermittler spielen und zu einer Kultur des Friedens und der Versöhnung beitragen. 

„Religiöse Institutionen und die Regierung haben die Verantwortung, junge Menschen auf den richtigen Weg der Entwicklung zu führen und nicht in den Krieg“, sagte er. „Unsere jungen Leute sind mit Arbeitslosigkeit und Verzweiflung konfrontiert. Wir müssen aufhören, sie in den Kampf zu schicken, und sie vor Menschenhändlern schützen, ihnen helfen, dass sie in ihrem eigenen Land glücklich leben.“ Der Bischof beklagte außerdem das Bild, das Äthiopien derzeit vor den Augen der Welt abgebe. „Wir galten einst als ein Volk des Glaubens und der Demut, aber heute wird dies durch die täglichen und andauernden Konflikte und Kriege in Frage gestellt, die weiterhin zu allgemeiner Unsicherheit und extremer Armut führen.“

Eine wichtige öffentliche Stimme

Die katholische Kirche ist eine sehr kleine Religionsgemeinschaft im Vielvölkerstaat Äthiopien, in dem etwa ein Drittel Muslime und zwei Drittel Christen sind. Neben der Äthiopisch-Orthodoxen Kirche (43,8 Prozent) und den Protestanten (22,8 Prozent) machen Katholiken gerade einmal 0,7 Prozent der Bevölkerung aus. Dennoch gehört die katholische Kirche zu den wenigen Stimmen, die sich überhaupt öffentlich zu Wort melden. Und sie kann es sich offenbar leisten. Denn im Gegensatz zu den anderen Kirchen ist sie in eine weltweite Institution eingebunden, die mit dem Papst in Rom als ihrem Oberhaupt international wahrgenommen wird und diplomatische Vertretungen bei den großen internationalen Organisationen hat. 

So hat Ende April beispielsweise Erzbischof Ettore Balestrero, der Apostolische Nuntius und Ständige Vertreter des Heiligen Stuhls bei den Vereinten Nationen, seine Position genutzt, um bei einem Spendenevent in Genf auf die ernste Situation in Äthiopien aufmerksam zu machen. Er sprach von einer tiefgreifenden humanitären Krise und verwies auf die Not von mehreren Millionen Binnenvertriebenen aufgrund der Auseinandersetzungen in den Regionen Tigray, Afar, Amhara und Oromia. 

Besonders dramatisch ist die Situation in Tigray, wo von 2020 bis 2022 ein brutaler Krieg zwischen den Truppen der äthiopischen Regierung und ihres Verbündeten Eritrea gegen die Truppen der Volksbefreiungsfront von Tigray stattfand. Zwar wurde der Krieg offiziell mit einem Friedensabkommen im November 2022 beendet, doch die humanitäre Situation ist immer noch katastrophal, worauf Tesfasellassie Medhin, Bischof der katholischen Eparchie Adigrat, zu der die Region Tigray gehört, Ende April in einem offiziellen Statement hingewiesen hat. „Ich bin Zeuge von unsäglichem Leid, unsäglicher Verzweiflung, Krankheit und Tod um mich herum aufgrund von jahrelangen Konflikten, aufgrund von Dürre und fehlender Hilfe, um auch nur die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen stillen zu können.“ 

Medhin forderte, das Friedensabkommen müsste vollständig umgesetzt werden; die Waffen müssten dauerhaft zum Schweigen gebracht werden. Die Probleme der Menschen in Tigray beträfen alle Bereiche des Lebens, sie seien „sozial, politisch, wirtschaftlich, psychologisch und spirituell“. Die Weltgemeinschaft dürfe nicht warten, bis die Situation wirklich katastrophal sei, sagte Medhin. 

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