Wer gemeinnützig ist, ist stets auch politisch

Herausgeberkolumne
Die Abwicklung der US-Entwicklungsagentur ist nur die Spitze des Eisbergs: Auch in Europa kürzen Regierungen die Hilfe für den globalen Süden. Zugleich wächst die Kritik an gemeinnützigen Organisationen, sie seien „zu politisch“. Dabei müssen wir politisch arbeiten, wenn wir etwas bewirken wollen.

Bernd Nilles ist Geschäftsleiter von Fastenaktion.

Viel zu viele Menschen in den Ländern des globalen Südens leiden noch immer unter Hunger und Armut – jetzt sogar deutlich mehr als noch vor ein paar Jahren. Die Weltbank warnt in ihrem neuen „World Food Security Outlook“ vor einem Anstieg von aktuell 733 auf 950 Millionen Menschen bis 2030, womit klar ist, dass das SDG-Ziel unerreichbar scheint, den Hunger bis 2030 zu beenden. Die Gründe dafür sind vielfältig. So bringt die Klimaerwärmung Hitzewellen, Dürren, Stürme und Überschwemmungen mit sich, die die Nahrungsmittelproduktion behindern. Multinationale Unternehmen holen ohne Rücksicht auf Umwelt und Menschenrechte wertvolle Rohstoffe aus dem Boden, und autokratische, korrupte Regime bereichern sich auf Kosten der Bevölkerung. 

Derlei Missstände öffentlich zu benennen und die Politik zum Handeln aufzufordern, wie Organisationen wie Fastenaktion das tun, das ist auch politische Arbeit. Große Teile der Gesellschaft in der Schweiz und Deutschland stehen hinter solch gemeinnützig-politischen NGOs, das zeigen die vielen Spenden, die sie regelmäßig erhalten. In der Schweiz waren es 2024 rund 2,2 Milliarden Franken, in Deutschland 12,8 Milliarden Euro. Zudem bestätigen Umfragen den Rückhalt dieser Organisationen in der Bevölkerung und ihr gutes Image. Da viele von ihnen auch staatliche Mittel erhalten, werden nun aus der Politik Stimmen laut, diese Förderung – oder deren Beendigung – als Hebel einzusetzen, ihr politisches Engagement zu schwächen.

So hat die Schweizer Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) 2020 beschlossen, die Finanzierung von Sensibilisierungsarbeit in der Schweiz zu entwicklungspolitischen Themen stark einzuschränken. In Deutschland hat eine CDU/CSU-Anfrage im Bundestag der Regierung Fragen zu 17 NGOs wie Greenpeace gestellt und dabei den Eindruck erweckt, NGOs seien nicht parteipolitisch neutral. In den USA entzieht die Trump-Regierung aus ideologischen Gründen auch UN-Organisationen die Unterstützung, um die Förderung von Frauenrechten, Diversität, Antikorruptionsarbeit, Demokratie oder Rechtsstaatlichkeit zu verhindern. 

Das Damoklesschwert der Strafzahlung

Gleichzeitig überziehen Großkonzerne NGOs in den USA und zunehmend auch in Europa immer häufiger mit sogenannten SLAPP-Klagen (Strategic Lawsuits against Public Participation). Die sollen gemeinnützige Organisationen einschüchtern und unter Druck setzen. Sich gegen sie zu wehren, bindet enorme Ressourcen – und die drohenden riesigen Strafzahlungen könnten direkt in den Ruin führen. So wurde Greenpeace im März 2025 im US-amerikanischen Bundesstaat North Dakota verurteilt, 660 Millionen Dollar an den Betreiber einer Ölpipeline zu bezahlen, weil es Proteste indigener Stämme gegen das Projekt unterstützt hatte. Greenpeace wird das Urteil anfechten, doch das Damoklesschwert der Strafzahlung hängt nun über der Organisation. Um sich für Angriffe dieser Art zu wappnen, haben hiesige NGOs, einschließlich Fastenaktion, die Schweizer Allianz gegen SLAPP gegründet.

Letztlich geht es bei all dem nur um die Schwächung der Zivilgesellschaft und ihrer kritischen Stimmen. Dabei ist das Ziel unseres politischen Engagements parteipolitisch unabhängig und ganz klar am Gemeinwohl orientiert: Wir wollen die Lebensbedingungen der Armen und Benachteiligten verbessern und machen uns für Frieden, Gerechtigkeit und Teilhabe stark. Hinter der Kritik an unserer Arbeit stehen meist Partei- und Klientelinteressen, die nur einer Minderheit dienen – in der Regel einer, der es sehr gut geht. Wir dürfen uns deshalb nicht einschüchtern lassen. Und müssen uns mit allen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, gegen diese Entwicklung wehren, rechtlich und natürlich auch politisch.  

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