Global Gateway: Initiative ohne Identität

picture alliance / abaca/ANDBZ/ABACA
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eröffnet am 9. Oktober in Brüssel das Global Gateway Forum 2025.
Brüssel
Die EU-Kommission feiert ihr entwicklungspolitisches Flaggschiff als Erfolg und richtet eine neue Anlaufstelle für Unternehmen ein. Im Europäischen Parlament hingegen gibt es weiterhin Bedenken.

Vier Jahre nach dem Start arbeitet Global Gateway, die globale Investitionsinitiative der EU-Kommission, noch immer daran, europäische Interessen etwa beim Zugang zu Rohstoffen, entwicklungspolitische Anliegen wie Armutsbekämpfung und Ernährungssicherung sowie Geschäftsinteressen europäischer Unternehmen unter einen Hut zu bringen. Und während die Kommission beteuert, man sei auf gutem Weg und habe schon viele Erfolge vorzuweisen, herrscht im Europäischen Parlament weiter Skepsis. Das wurde in der ersten Oktoberhälfte beim Global-Gateway-Forum der Kommission und bei einer Anhörung zu der Initiative eine Woche später im Europäischen Parlament deutlich.

Beim zweiten Global-Gateway-Forum – nach 2023 – am 9. und 10. Oktober in Brüssel verkündete Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, seit dem Start der Initiative vor vier Jahren seien bereits 306 Milliarden Euro für Vorhaben in Afrika, Asien und Lateinamerika mobilisiert worden, zwei Jahre früher als vor vier Jahren anvisiert. Auf dem Forum verkündete von der Leyen dann weitere millionenschwere Vorhaben, etwa ein 618-Millionen-Euro-Paket für den Ausbau erneuerbarer Energien in Afrika und Unterstützung in Höhe von 430 Millionen Euro für die Energiewende in Vietnam.

Von der Leyen eröffnete zudem den Global Gateway Investment Hub, eine neue Anlaufstelle, bei der europäische Unternehmen Vorschläge für Projekte einreichen können, in die sie investieren wollen. Die Stelle soll das Herz von Global Gateway stärken: die Förderung von Investitionen privater Unternehmen mit öffentlichen Mitteln der EU und ihrer Mitgliedstaaten, etwa in Form von Garantien oder durch die Mischung mit öffentlicher Entwicklungsfinanzierung (blending). Die Projektvorschläge sollen jeweils von den sogenannten Team Nationals eingebracht werden – also von den beteiligten Unternehmen zusammen mit zuständigen Ministerien sowie Entwicklungsbanken und diplomatischen Vertretungen ihrer Heimatländer. Auf diese Weise soll der entwicklungspolitische Mehrwert der Projekte gewährleistet werden.

Von 200 Milliarden auf 300 Milliarden Euro in nur fünf Monaten?

San Bilal von der entwicklungspolitischen Denkfabrik ECDPM resümierte[, das Forum habe gezeigt, dass sich Global Gateway seit seinem Start weiterentwickelt habe. Die Initiative suche aber noch immer nach ihrer Identität: „Ist sie in erster Linie eine Investitionsplattform? Ein geopolitisches Instrument? Oder eine neue Form der globalen Partnerschaft, die Werte, Strategie und gegenseitige Verantwortung vereint?“

Das Europäische Parlament arbeitet derzeit an einem Bericht zu Global Gateway, der die bisherigen Erfahrungen bilanzieren und einen Blick in die Zukunft werfen soll; zuständig sind die Ausschüsse für Außenpolitik und für Entwicklung. Bei einer Anhörung dieser beiden Ausschüsse Mitte Oktober wurde deutlich, dass viele Abgeordnete – von links bis ganz rechts – weiter skeptisch sind. So wurde ein erheblicher Mangel an Transparenz moniert, etwa in Bezug auf die von Kommissionspräsidentin angeführte Investitionssumme in Höhe von 306 Milliarden Euro. Es sei völlig unklar, woher dieses Geld komme und wohin es geflossen sein soll. Im vergangenen Mai hatte die Kommission noch von Global-Gateway-Investitionen in Höhe von 200 Milliarden Euro gesprochen. Innerhalb von nur fünf Monaten sollen nun mehr als 100 Milliarden dazu gekommen sein?

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Zweifel herrschen im Parlament zudem weiterhin, inwieweit mit Global Gateway auch ärmere Länder und nicht nur solche mit mindestens mittlerem Einkommen erreicht werden. Abgeordnete vor allem der sozialdemokratischen Fraktion fürchten, klassische entwicklungspolitische Aufgaben wie die Armutsbekämpfung könnten auf der Strecke bleiben. Barry Andrews, entwicklungspolitischer Sprecher der liberalen Renew-Fraktion, sagte zum Abschluss der Anhörung: „Investitionen in die menschliche Entwicklung nutzen auch Europa. Jetzt, da mit Global Gateway ein neues Paradigma eingeführt wird, sollte man sich daran erinnern, dass das alte Paradigma jahrzehntelang gut funktioniert hat – und gleichzeitig erfolgreich zur Armutsbekämpfung beigetragen hat.“

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