Kohlenstoff aus dem Abgas eines Schweizer Zementwerks oder einer Anlage zur Abfallverbrennung abscheiden, verflüssigen und in einem anderen Land langfristig im Boden einlagern: Um dies künftig möglich zu machen, hat die Schweiz dieses Jahr Abkommen mit Norwegen und mit Dänemark unterzeichnet . Sie schaffen die Rechtsgrundlage dafür, dass die Schweiz dort CO2 speichert. Carbon Capture and Storage, kurz CCS, heißt die Technik. Der Weltklimarat geht davon aus, dass der Einsatz von CCS zwingend ist, um die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Auch der Bundesrat hält CCS für notwendig, um die Schweizer Klimaziele zu erreichen: Netto-Null-Emissionen bis 2050.
Besondere Rolle der Zementindustrie
Denn es gibt Industriezweige, in denen man CO2-Emissionen nur schwer vermeiden kann, etwa die Zementindustrie. Hier entstehen rund zwei Drittel der Emissionen durch die chemischen Prozesse beim Erhitzen des Zementklinkers. Deshalb lassen sich die Emissionen hier nur begrenzt verringern, selbst wenn fossile Energie für die Herstellung durch erneuerbare ersetzt wird. Die Zementbranche ist für acht Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich.
CSS sei ein „Puzzleteil“ in einer Reihe von Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels, sagt Cyril Brunner, der an der ETH Zürich zum Thema CO2-Speicherung forscht. „Wir werden in den nächsten zwanzig Jahren nicht vom Zement loskommen“, sagt er. Deswegen müsse man auf Techniken setzen, die es erlaubten, die Produktion klimaneutral zu machen. Technisch ist CSS weit fortgeschritten; allerdings wird es bisher noch nicht verbreitet eingesetzt. Brunner spricht von rund 40 Standorten weltweit, an denen heute CO2 eingelagert wird. Das Potenzial sei jedoch riesig, sagt er.
Es sei unklar, wann die Technologie marktfähig sei, schreibt der Energieexperte des WWF, Leandro De Angelis, auf Anfrage: „Großemittenten, Anbieter von Transport- und Speicherinfrastruktur und Regierungen schauen sich derzeit gegenseitig an, um herauszufinden, wer wie viel, wann und zu welchem Preis speichern will.“
Begrenzte Speicherkapazitäten
Dass die Schweiz nun Abkommen mit anderen Ländern zur Speicherung abschließt, liege daran, dass die eigenen Speicherkapazitäten begrenzt seien, schreibt das Umweltdepartement UVEK auf Anfrage. Laut Schätzungen könnten rund drei Millionen Tonnen CO2 insgesamt in der Schweiz eingelagert werden. Um ihre Klimaziele zu erreichen, müsste die Schweiz jedoch insgesamt 14 Millionen Tonnen dauerhaft speichern. Allerdings steht die Forschung zur Speicherkapazität in der Schweiz noch am Anfang. Man habe es bisher „weitgehend verpasst“, sich mit dieser Frage zu befassen, schreibt WWF-Experte De Angelis. Der WWF begrüßt, Kooperationen mit anderen Ländern zu prüfen. „Denn die Zeit drängt“, so De Angelis.
Cyril Brunner von der ETH Zürich sagt, man wisse in der Schweiz wenig über die Geologie, weil es kaum Öl- und Gasvorkommen gebe. Anders in Dänemark und Norwegen: Dort stammten solche Abschätzungen über den Umfang möglicher CO2-Speicher vorwiegend von fossilen Unternehmen. So geht etwa die dänische staatliche Ölfirma Nordsøfonden von einem großen Potenzial für CO2-Speicherung im dänischen Untergrund aus: „Dänemark hat das Potenzial, der europäische Hub für CO2-Speicherung zu werden“, schreibt sie auf ihrer Website.
Die drei Millionen Tonnen CO2-Speicherpotenzial, von denen der Bund ausgeht, hält Brunner für zu tief geschätzt. Das UVEK beziehe sich dabei auf eine Studie, die sich ausschließlich mit der Speicherung in Gesteinen befasse – es gebe aber auch andere Möglichkeiten, etwa in salzhaltigen Grundwasserleitern, so Brunner. In den Schweizer Alpen ist eine Einlagerung wegen der Gesteinsstruktur offenbar schwierig. Für eine mögliche CO2-Speicherung im Schweizer Mittelland soll ein Forschungsprojekt im Zürcherischen Trüllikon nun genauere Antworten liefern. „Wenn auch mit großen Unsicherheiten behaftet, geht man derzeit davon aus, dass das Speicherpotenzial in der Schweiz regional verschieden, aber insgesamt mehr als groß genug ist“, sagt Brunner.
Leandro De Angelis vom WWF betont, dass CCS eine Notlösung bleibe und nur eingesetzt werden sollte, wenn es keine anderen Optionen gebe. In Bereichen wie dem Verkehr oder der Gebäudeheizung sei ein Umstieg von fossiler Energie auf Strom und erneuerbare Energien die günstigere Alternative.
Und hier wiederum geschehe viel zu wenig. Bund und Kantone müssten aktiver werden, fordert De Angelis. Der Bau von Gas- und Ölheizungen sollte eingeschränkt werden, die Installation von Solarpanels bei Dachneubauten verpflichtend sein. Noch deutlicher formuliert es Reto Burkard, Vizedirektor des Bundesamts für Umwelt und dort verantwortlich für den Klimabereich: „Stand heute kann ich Ihnen versichern, wir werden unsere Klimaziele für 2030 verfehlen – und dies massiv“, sagte er auf einer Tagung der Universität Bern.

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