„Zollvergünstigung war der Wettbewerbsvorteil“

Handel Afrika-USA
Die USA haben das Gesetz, unter dem Länder Afrikas vieles zollfrei in die USA liefern konnten, zunächst nicht verlängert. Welchen Ländern das Gesetz geholfen hat und was nun droht, erklärt der in den USA lehrende Ökonom Bedassa Tadesse.

Bedassa Tadesse ist Professor für Ökonomie an der Universität Minnesota-Duluth in den USA und arbeitet vor allem zu Entwicklungsökonomie, Migration und globalem Handel.

Mit dem African Growth and Opportunity Act (AGOA) haben die USA afrikanischen Ländern ermöglicht, zollfrei in die USA zu liefern. Jetzt ist das Gesetz ausgelaufen. Warum?
Sowohl das Weiße Haus als auch der Kongress haben sich dafür ausgesprochen, es um zumindest ein Jahr zu verlängern. Aber es ist nicht gelungen, darüber bis 30. September im Kongress abzustimmen. Das ist offenbar in der innenpolitischen Blockade in den USA begründet. Jetzt gelten die Bestimmungen von AGOA erst einmal nicht weiter.

Welche afrikanischen Länder konnten AGOA in Anspruch nehmen? 
Der US-Präsident hat das jedes Jahr festgelegt nach Kriterien wie Arbeitsrechte, marktwirtschaftliche Orientierung und Regierungsführung. Äthiopien etwa wurde wegen des Kriegs in Tigray ausgeschlossen und später wieder zugelassen. Im Schnitt haben sich 30 bis 35 Länder qualifiziert und konnten über 6000 Produkte zollfrei in die USA liefern.

Wie sehr hat ihnen das geholfen? 
Das war von Land zu Land sehr unterschiedlich. Am meisten profitiert haben Kenia, Äthiopien, Eswatini, Mauritius und Südafrika. Kenia hat dank AGOA eine große Kleiderfertigung mit Zehntausenden Jobs aufgebaut; das Land hat eine Exportproduktionszone mit verlässlicher Stromversorgung und Investitionsförderung eingerichtet. Mauritius hat AGOA für die Ausweitung seiner Leichtindustrie genutzt. Südafrika exportierte unter AGOA Zitrusfrüchte, Wein, Nüsse und auch Autos, basierend auf seiner schon relativ fortgeschrittenen Industrie. 

Warum hat es anderen Ländern weniger genutzt?
Am meisten hat AGOA Ländern geholfen, die relativ stabile Regierungen und bessere Infrastruktur haben, um verlässlich produzieren und liefern zu können. Manche hatten zum Beispiel keine ausreichenden Hafenanlagen. Und die meisten erfolgreichen Länder konnten auch Investoren aus Asien anlocken.

Welche Folgen hat die Aussetzung von AGOA in Afrika? 
Jetzt werden erst einmal die US-Importe der für AGOA zugelassenen Länder mit zusätzlichen Zöllen belegt – je nach Produkt von zwei bis zwanzig Prozent. Das wird sich auf die Bereitschaft auswirken, in Ländern, die AGOA genutzt haben, weiter zu investieren. Es wird dort auch schwieriger, Arbeitsplätzen zu schaffen. Zum Beispiel haben südafrikanische und taiwanesische Investoren Textil- und Kleidungsfabriken in Lesotho aufgebaut, die für den US-Markt produzieren. Auf deren Rentabilität werden sie jetzt weniger vertrauen. 

Auch wenn AGOA am Ende erneuert wird, hat die Unterbrechung schon Schaden angerichtet? 
Ohne Zweifel. AGOA wird zu einer Zeit ausgesetzt, in der die USA zu einer mehr protektionistischen Handelspolitik übergegangen sind und viele Importe mit höheren Zöllen belegen. Ein T-Shirt oder eine Jeans aus Kenia zum Beispiel wird ohne AGOA mit einem Zoll von 17 bis 19 Prozent belegt, und alle pauschalen Zölle würden hinzukommen. Wenn das T-Shirt am Fabriktor vier Dollar kostet, kommen etwa 68 bis 76 Cent obendrauf. Wenn der Verkaufspreis in den USA gleichbleibt, kann der ganze Gewinn der Produzenten weg sein. Aber wenn die den Preis erhöhen, bestellen die Händler lieber in Bangladesch oder Vietnam. Der Wettbewerbsvorteil der afrikanischen Länder waren genau die Zollvergünstigungen. Jetzt werden deshalb Bestellungen an die afrikanischen Exportzonen storniert oder nicht erneuert. Afrikanische Länder sollten Reformen zur Erhöhung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit beschleunigen und andere Märkte suchen – in Afrika oder in der EU. 

China hat jüngst Importe aus den meisten afrikanischen Staaten von Zöllen befreit. Ist das eine Chance, dort mehr abzusetzen? 
Das ist schwierig. Die Erzeugnisse aus den Exportproduktionszonen unter AGOA sind auf den US-Markt ausgerichtet. Man kann sie nicht von heute auf morgen an die Vorlieben in China anpassen. Zudem ist der Preiswettbewerb in China viel härter als in den USA. Afrikanische Produkte können kaum mit in China hergestellten konkurrieren; selbst wenn die Arbeitskosten geringer sind, kann der Transport sie teurer machen. Und chinesische Firmen produzieren auch in Nachbarländern wie Vietnam günstiger, als afrikanische Unternehmen profitabel nach China liefern könnten. Pekings Angebot ist eine Geste, um die freundschaftlichen Beziehungen zu afrikanischen Ländern zu vertiefen, aber es hat für sie kurzfristig wenig wirtschaftlichen Nutzen. 

Das Gespräch führte Bernd Ludermann.

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