Der Tschad lässt die Muskeln spielen

Diplomaten setzen sich für die Rückkehr eines Bischofs in den Tschad ein

Im Tschad wird seit 2003 Erdöl gefördert. Viele hatten gehofft, dass der Ölexport das Land aus der Armut führen würde. Doch obwohl sich das Staatsbudget in den vergangenen Jahren mehr als verfünffacht hat, haben sich weder die Gesundheitsversorgung noch das Bildungswesen verbessert.

In einer Predigt hatte Michel Russo, seit 1989 Bischof in der Erdölregion Doba, die Regierung in N’Djamena deshalb kritisiert und mehr Transparenz gefordert. Kurz darauf forderten die Behörden ihn auf, das Land zu verlassen, was Russo auch umgehend tat. Der italienisch-stämmige Russo lebt zwar seit mehr als 30 Jahren im Tschad, besitzt jedoch nicht dessen Staatsbürgerschaft.

„Bischof Russo hat sich immer als ein Sprachrohr der Bevölkerung verstanden“, sagt Axel Müller von Misereor, der bis vor kurzem im Tschad tätig war und mit an einer Studie über die Erdöleinnahmen des Landes gearbeitet hat. In der Diözese Doba litten die Menschen am meisten unter den Auswirkungen der Erdölförderung. Sie lebten zum Teil eingekeilt zwischen den Förderanlagen und hätten ihr Land ohne angemessene Entschädigung verloren. „Bischof Russo hat immer wieder kritisiert, dass man früher in Armut gelebt habe, jetzt aber im Elend lebe“, fügt Müller hinzu.

Der erhoffte Entwicklungsimpuls ist ausgeblieben

Es sei selten, dass sich das Budget eines Landes in so kurzer Zeit vervielfache. Der erhoffte Entwicklungsimpuls sei jedoch ausgeblieben. Das Geld fließe vor allem in den Bau von Prachtbauten in der Hauptstadt oder werde für Militärausgaben verwendet. „Die Regierung nutzt das Geld, um die eigene Macht auszubauen“, sagt Müller.

Die Ausweisung eines Bischofs ist einmalig in den Beziehungen zwischen der tschadischen Regierung und der Kirche. Trotzdem kommt sie für Michael Hippler von Misereor nicht überraschend. „Wer sich im Tschad für Transparenz und Menschenrechte einsetzt, muss damit rechnen, dass er schikaniert wird“, sagt der Abteilungsleiter für Afrika. Nicht die Predigt Russos sei der Grund für dessen Ausweisung gewesen, sondern die kritische Haltung der katholischen Kirche insgesamt. „Die tschadische Regierung hat ein Problem mit der katholischen Kirche, weil diese öffentlich und international fordert, dass die Einnahmen aus dem Erdölgeschäft auch bei den Menschen im Tschad ankommen.“

Mit der Ausweisung eines weißen Bischofs führt die Regierung in N’Djamena der katholischen Kirche ihre heikle Situation vor Augen: Nur drei der insgesamt sieben Diözesen im Tschad werden von einheimischen Bischöfen betreut. Die anderen vier sind Ausländer, die jederzeit ausgewiesen werden könnten. „Die tschadische Bischofskonferenz war sich deswegen schnell einig, dass man diesen Fall mit Besonnenheit angehen muss“, sagt Hippler. Derzeit werde hinter verschlossenen Türen verhandelt, ob Michel Russo wieder einreisen darf. Auch die Botschaften Frankreichs, Italiens und der Europäischen Union seien eingeschaltet.

Zurzeit strebt der Tschad eine volle Mitgliedschaft bei der internationalen Transparenzinitiative EITI (Extractive Industries Transparency Initiative) an. Staaten, die EITI beitreten, verpflichten sich freiwillig, über Zahlungen von Unternehmen im Rohstoffsektor an die Regierung zu berichten. Vor kurzem hat der Tschad seinen ersten EITI-Bericht mit den Zahlungsströmen aus 2007, 2008 und 2009 veröffentlicht. Für Müller steht das in starkem Gegensatz zum Umgang mit Bischof Russo. „Die Ausweisung eines Bischofs, der genau diese Transparenz anmahnt, kommt nicht gut an und stellt das Engagement der Regierung in Frage“, sagt er.

Katja Dorothea Buck

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erschienen in Ausgabe 12 / 2012: Leben mit dem Klimawandel
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