Streitkraft

Die deutsche Sozialdemokratie ist irgendwie gestrig. Seit Jahrzehnten schrumpft die Mitgliedschaft der Partei, und was tut sie? Sie will ihre Mitglieder stärker an Entscheidungen beteiligen und Leute ohne Parteibuch mitreden lassen. Statt Strukturdebatten zu führen, sollten sich die deutschen Genossen lieber erneut an der britischen Labour-Partei orientieren. Schon beim Marsch von links in die neue Mitte war Tony Blair ihnen schließlich voraus.

Jetzt, da seinen Erben die Anhänger weglaufen, lassen die sich etwas Originelles einfallen: Sie werben unter der Klientel des politischen Gegners, unter Soldaten. Die frühere Partei der Arbeiterklasse will sich ein Image als Fürsprecher der Streitkräfte zulegen, das sie seit Tony Blair ja auch verdient. Und sie bietet einen echten, einen materiellen Anreiz: Alle Soldaten und Veteranen sollen für nur 1 britisches Pfund pro Monat Mitglied werden können – üblich sind 3,42 Pfund, für Menschen ohne Einkommen die Hälfte.

Eigentlich müsste sich das Modell nach Deutschland übertragen lassen. In der SPD allerdings, so muss man fürchten, wird die Anwerbung von Soldaten just an der neuen Mitsprache der Basis scheitern. Der FDP, der gerade viele Getreue weglaufen, könnte es mit dem Mützen-Minister eher gelingen, den christlichen Parteien ihre Soldaten abspenstig zu machen. Aber man muss sich ja nicht auf die Streitkräfte versteifen. Eine Discount-Mitgliedschaft kann die Liberalen zum Beispiel für Leiharbeitskräfte und Umweltbewegte attraktiv machen oder die SPD für Zahnärzte und Investmentbanker. Die Linke könnte es mal im Industrieverband versuchen. Obwohl – die Postkommunisten werden das Prinzip des Rabatts nicht verstehen und nach langen Debatten gar einen Aufschlag für die Reichen verlangen. Das wäre nun wirklich gestrig.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2011: Globalisierung: Auf dem Weg zur Einheitskultur?
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