Zivil-militärische Zusammenarbeit „gängige Praxis“

Bundeswehrsoldaten und deutsche Entwicklungshelfer sollen künftig enger zusammenarbeiten. Das sieht eine neue Vereinbarung zwischen dem Verteidigungsministerium und der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) vor. Nichtstaatliche Hilfsorganisationen und Oppositionspolitiker sehen das Papier mit Argwohn: Droht der zivilen Hilfe die militärische Instrumentalisierung?

GIZ und Bundeswehr sind sich einig: Das neue Abkommen soll die Zusammenarbeit von Soldaten und Entwicklungshelfern verstärken. Zu Ländern, in denen „die Bundeswehr zukünftig voraussichtlich stärker gefordert sein wird“, werde man fortan mit den zivilen Helfern Informationen über Einsatzgebiete und Länderbesonderheiten austauschen; man werde Soldaten entwicklungspolitisch schulen und gemeinsam in Einsatzgebiete fliegen. Mehr noch: Die GIZ will für die Bundeswehr Baumaßnahmen und Liegenschaften managen. Im Gegenzug dürfen die GIZ-Mitarbeiter Briefe per Feldpost verschicken und in Bundeswehrlagern zollfrei einkaufen. So soll der Begriff der vernetzten Sicherheit „praktisch“ werden, heißt es in der Vereinbarung.

Publik gemacht hat die Vereinbarung lediglich das Verteidigungsministerium, das im Unterschied zur GIZ eine Pressemitteilung verschickte. Den Entwicklungspolitikern der Opposition im Bundestag blieb sie dennoch nicht verborgen. Die „GIZ-Mitarbeiter werden explizit in den Militärapparat eingebunden“, hieß es im Büro von Heike Hänsel (Linke). Im Büro der Grünen-Abgeordneten Ute Koczy sieht man es nicht ganz so streng: Mehr Kohärenz der Politik sei grundsätzlich wünschenswert; eine „Unterordnung des Zivilen unter das Militärische“ müsse allerdings unbedingt vermieden werden. Sascha Raabe (SPD) erwägt, die Sache im Entwicklungsausschuss (AWZ) zur Sprache zu bringen.

NGOs in Afghanistan halten sich fern vom Militär

Vor allem die nichtstaatlichen Hilfsorganisationen legen seit jeher großen Wert darauf, draußen „im Feld“ nicht mit dem Militär identifiziert zu werden und eigenständig zu arbeiten. Die meisten von ihnen lehnen einen engeren Schulterschluss ab, den ihnen vergangenes Jahr Entwicklungsminister Dirk Niebel mit zehn Millionen Euro Sondermitteln für eine engere Zusammenarbeit mit den Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan schmackhaft zu machen suchte. Ulrich Post, Vorsitzender der Dachorganisation nichtstaatlicher Hilfsorganorganisationen Venro und leitender Mitarbeiter der Deutschen Welthungerhilfe, legt Wert auf die Feststellung, dass man in Afghanistan nicht einmal kleine Militärdienste wie etwa den Feldpostversand in Anspruch nehme. Zugleich beklagt er, dass das Konzept der vernetzten Sicherheit bis heute nicht operationalisiert sei.

Die neue Vereinbarung regele lediglich vertraglich, was längst praktiziert werde, wiegelt derweil BMZ-Pressesprecher Rolf Steltemeier ab. Bei der GIZ in Eschborn heißt es ähnlich, „gängiger Praxis“ sei lediglich eine formale Grundlage gegeben worden. Soweit die GIZ im Auftrag des Verteidigungsministeriums arbeite, habe sie nun mal „friedensstabilisierende“ Aufgaben. Ihre entwicklungspolitische Eigenständigkeit bleibe davon vollkommen unberührt – auch dann, wenn man etwa Transportkapazitäten der Bundeswehr in Anspruch nehme.

„Lächerlich und keine wirklich neue Zusammenarbeit“ sei das Ganze, meint ein Insider im Entwicklungsministerium hinter vorgehaltener Hand: „So war das doch schon immer. Die GIZ stellt ihr Länder-Knowhow und ihre Mitarbeiter dürfen dafür bei der Bundeswehr essen und trinken.“ Und ein guter Kenner der zivil-militärischen Interessenlage hat gar beobachtet, dass das Militär mehr Nähe zu den Entwicklungsleuten gar nicht wünsche. Gern spotte man immer wieder darüber, dass sich Entwicklungsminister Niebel, zugleich Hauptauftraggeber der GIZ, als „Nebenverteidigungsminister“ geriere.

 

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erschienen in Ausgabe 7 / 2011: Entwicklungsdienst: Wer hilft wem?
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