Im Zweifel illegal


Seit der Ankündigung Dänemarks, die Grenzen zu seinen EU-Nachbarn wieder zu kontrollieren, dreht sich die Debatte um Zuwanderung nur noch um diese Frage. Wichtige Aspekte der Steuerung von Migration bleiben auf der Strecke - auch weil die Kommission dazu nicht viel zu bieten hat.

Anfang Mai präsentierte EU-Kommissarin Cecilia Malmström die „Mitteilung zur Migration", die zunächst im EU-Ministerrat behandelt wird und dann den Schwerpunkt für das Treffen der EU-Regierungschefs Ende Juni liefern soll. Doch der Entwurf ist nicht mehr als eine Auflistung von 32 Einzelmaßnahmen, von denen nur die wenigsten strukturelle Aspekte der Zuwanderung nach Europa behandeln. Unterschieden wird in der Mitteilung zwischen hochqualifizierten Migranten, denen mit einer „Blue Card" Vorzugsbedingungen gewährt werden sollen, Studenten und Auszubildenden, die nachweisen müssen, dass sie Lebensunterhalt und Ausbildungskosten bestreiten können, Saisonbeschäftigten etwa für den Tourismus oder die Landwirtschaft sowie „Geschäftsleuten", denen Reisen in die und Aufenthalte in der EU erleichtert werden sollen.

Autor

Heimo Claasen

ist freier Journalist in Brüssel und ständiger Mitarbeiter von "welt-sichten".

Alle übrigen Zureisenden, die auf Dauer in der EU verbleiben wollen, sind - soweit sie nicht den Schutz der Genfer Flüchtlingskonvention genießen und Asyl beanspruchen können - in EU-Sicht grundsätzlich „irreguläre" Migranten. Allein 18 der 32 Maßnahmen der Kommissionsliste befassen sich damit, wie man diese Migranten aufspüren und gleich abweisen oder aber aus Europa ausweisen kann. Nur fünf betreffen Asylverfahren und nur eine einzige befasst sich mit der Integration von Migranten. Die Mitteilung aus Brüssel zeigt, dass die EU Zuwanderer nur zulassen will, sofern sie als Arbeitskräfte benötigt werden. Zum anderen liegt der Fokus auf repressiven Maßnahmen gegen „irreguläre Zuwanderung", die Europa überhaupt erst mit seinen Abwehrregeln geschaffen hat.

Zu den Ursachen von Migration sagt die Kommission nichts

Zudem umgeht die Kommission in ihrer Liste die Frage, die ansonsten in so gut wie jeder Vorlage abgehandelt wird, nämlich wie man die Ursachen von Migration bekämpfen wolle. Gegenüber den Übergangsregierungen in Ägypten und Tunesien steht das Ansinnen der Europäischen Union von Abkommen über die „Rücknahme" von Flüchtlingen ganz oben - als Bedingung für mögliche Aufbauhilfe.

Offenbar hat Kommissionspräsident José Manuel Barroso selbst die Aufsplitterung des „Gesamtentwurfs" in zahlreiche Einzelschritte veranlasst, um in letzter Minute noch eine gesonderte Vorlage zur Debatte um die Wiedereinführung von Grenzkontrollen in der EU einzufügen. Das EU-Parlament wertete das als „knieweiche" Reaktion mit der Absicht, Kritiker des Migrationskonzepts zu besänftigen. Denn fast alle 32 Vorschläge enthalten Ansätze, die der Kommission mehr Mitsprache in der grundsätzlich national bestimmten Ausländerpolitik geben würden. Der Schuss könnte aber auch nach hinten losgehen und die Debatte um Grenzen zusätzlich befeuern: Einen Tag, bevor die Mitteilung zum ersten Mal im EU-Ministerrat besprochen wurde, kündigte die dänische Regierung an, sie wolle die Grenzen zu den EU-Nachbarn wieder kontrollieren.

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erschienen in Ausgabe 6 / 2011: Wir konsumieren uns zu Tode
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