Fairtrade oder Fairwashing?

Arbeitsbedingungen
Die Aktion 3. Welt Saar und die Gewerkschaft „Nahrung Genuss Gaststätten“ im Saarland weisen auf eine Schwachstelle des fairen Handels hin: Wie Arbeiterinnen und Arbeiter hier bei uns behandelt werden, spielt oft keine Rolle.

Durch fairen Handel soll die Situation der Produzenten im globalen Süden verbessert werden. Dazu vergibt die Organisation Transfair ein Siegel auf Waren wie Kaffee, Tee, Schokolade, Blumen oder T-Shirts. Das Siegel bestätigt, dass das Produkt die Kriterien wie Mindestpreise und Fairtrade-Prämie, Verbot von Kinder- und Zwangsarbeit, geregelte Arbeitsbedingungen und Versammlungsfreiheit erfüllt.

Auch Kaffee von Starbucks oder von Discountern wie etwa Lidl trägt das Transfair-Siegel. Diese Unternehmen weisen jedoch Defizite bei den Arbeitnehmerrechten hierzulande auf, sagen Kritiker. „Auf diese Diskrepanz wollen wir hinweisen“, sagt Roland Röder von der Aktion 3. Welt Saar. „Zu einer fairen Welt gehören für uns auch faire Löhne – überall auf der Welt.“ Wenn Lidl und Starbucks von Transfair zertifizierten Kaffee verkaufen, dann sei das „Greenwashing“ oder genauer „Fairwashing“.

Mit einem Stadtrundgang in Saarbrücken hat die Aktion 3. Welt Saar auf die Probleme hingewiesen. An Stationen in der Innenstadt wie der Staatskanzlei, Starbucks, McDonald‘s und dem Textildiscounter Primark erhielten interessierte Teilnehmer Hintergrundinformationen zum Thema fairer Handel und Arbeitsrechte für Beschäftigte in Deutschland.

Prekäre Arbeitsbedingungen bei Starbucks

Seit Jahren gibt es innerhalb der Fairhandelsbewegung Meinungsverschiedenheiten über angemessene Standards. Importeure fair gehandelter Waren wie Gepa, El Puente und dwp haben das Siegelsystem von Transfair deshalb verlassen. Sie legen teilweise höhere Standards für ihre Waren fest und betonen mit eigenen Siegeln, dass sie anders als etwa Lidl nicht nur einige ausgewählte faire Produkte anbieten, sondern ausschließlich mit solchen Waren handeln.

Bei Starbucks ist das anders. Seit 2010 sind bei der amerikanischen Kaffeehauskette alle auf Espresso basierenden Kaffeesorten zertifiziert. In ihren über 16.000 Niederlassungen in aller Welt werden nach Unternehmensangaben rund zwei bis drei Prozent des weltweit als fair zertifizierten Kaffees ausgeschenkt. Gleichzeitig aber haben prekäre Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Cafés dem Konzern immer wieder negative Schlagzeilen beschert.

„Fairtrade beachtet die Arbeitsrechte im Norden nicht“

Mark Baumeister von der Gewerkschaft „Nahrung, Genuss, Gaststätten“ (NGG) im Saarland wirft Starbucks die Beschneidung gewerkschaftlicher Rechte vor. Mitarbeiter würden daran gehindert, Betriebsräte zu gründen. Außerdem würden sie nicht nach Tarif bezahlt, sondern in untere Lohngruppen nur knapp über dem Mindestlohn gedrängt. Aber nicht nur Starbucks steht in der Kritik. Auch beim Discounter Lidl würden Mitarbeiter bei der Gründung von Betriebsräten behindert. „Fairtrade beachtet die Arbeitsrechte im Norden nicht“, lautet die Schlussfolgerung von Baumeister.

Fairer Handel, ja, aber bitte auch Arbeitnehmerrechte im Norden beachten, fordern daher 3. Welt Saar und die Gewerkschaft NGG. Wenn das Saarland, wie von den regierenden Partnern CDU und SPD im Koalitionsvertrag festgelegt, „faires Bundesland“ werden solle, dann geht das für die Entwicklungsorganisation und die Gewerkschaft nur ohne Produkte mit dem Siegel von Transfair. Die Stadt Saarbrücken hat im Jahr 2015 die Auszeichnung „Hauptstadt des Fairen Handels“ erhalten. Die Aktion 3. Welt Saar verweist unterdessen darauf, dass sie im eigenen Weltladen seit dem Jahr 1982 ausschließlich Produkte von Importeuren wie Gepa, El Puente oder dwp verkauft, keine mit dem Siegel von Transfair. Auch von anderer Stelle der Fairhandelsbewegung, etwa von Weltläden, kommt Kritik an dem Siegel.

Transfair betont hingegen die Chancen für die Produzenten im globalen Süden, die über Discounter und globale Ketten wie Starbucks höhere Absatzzahlen erreichen können. Zudem weist die Organisation auf ihren Standard für Händler hin. Sie verpflichten sich mit dem Siegel für ihre Produkte dazu, die Bestimmungen der Internationalen Arbeitsorganisation ILO einzuhalten, auch im Norden.

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Dem Artikel über TransFair und verschiedenen Handelspartnern liegt ein grundsätzliches Missverständnis über die Aufgaben der einzelnen Akteure zu Grunde, dass wir gern klären möchten. Wir sind hierzu auch laufend im Austausch mit Gewerkschaften und mit unseren gewerkschaftsnahen Mitgliedsorganisationen, z.B. Nord-Süd-Netz des DGB Bildungswerks, der Christlich Demokratische Arbeitnehmerschaft Deutschlands (CDA), dem Forum Eine Welt & Gesprächskreis Menschenrechte (SPD Forum Eine Welt) sowie der Heinrich Böll Stiftung.

Fairtrade setzt sich für faire Lebens- und Arbeitsbedingungen ein und zwar gemäß dem Vereinsauftrag vor allem für faire Arbeitsbedingungen bei Produzentenorganisationen im globalen Süden. Hier sorgt der Standard für lohnabhängig Beschäftigte, zusammen mit spezifischen Projekten, Kooperation mit lokalen Gewerkschaften und Stärkung der Selbstorganisation von ArbeiterInnen für erkennbare und messbare Veränderungen, wie zahlreiche Studien belegen. Fairtrade ist im globalen Süden Teil der Schritte in die richtige Richtung, Schritte zu mehr Respekt für Arbeitsrecht und zu verbesserten Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Gewerkschaften setzen sich für faire Arbeitsbedingungen ein, und zwar vordringlich für die Bedingungen ihrer Mitglieder – die Mitglieder der NGG zum Beispiel in Deutschland im Gastgewerbe, einem Sektor mit viel prekären Arbeitsverhältnissen und großen Problemen.

Dies ist Arbeitsteilung von gesellschaftlich engagierten Akteuren (in diesem Fall von Fairtrade und NGG z.B.), und so erkennt es auch Ver.di explizit in einem Beschluss von 2011 an, der sich eindeutig positiv zu TransFair/Fairtrade positioniert, und über den Gewerkschaftsrat und Bundesvorstand regelmäßig im Austausch sind.

Fairtrade arbeitet als freiwillige Zertifizierung mit Unternehmen, die zertifizierte Produkte handeln, herstellen, weiterverkaufen etc. TransFair versucht dadurch die große Lücke zu verkleinern, die vorhanden ist, weil wir weltweit weder starke Gewerkschaften noch gesetzliche und wirksame menschenrechtliche Sorgfaltspflichten der Unternehmen haben. Die Kooperation von TransFair mit Unternehmen ist daher keinesfalls ein gewerkschaftsfeindlicher Akt. Dies entspricht auch der Sichtweise von Verdi, dem DGB Nord-Süd Netzes, der IGM oder auch der FES.

Wir würden es begrüßen, wenn dies aus Ihrer Berichterstattung/einer Richtigstellung hervorgeht.

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Müßte der Weltladen der Aktion Dritte Welt Saar als Konsequenz nun auch Gepa-Produkte verzichten? Viele Gepa-Produkte mit dem Fair Plus-Siegel werden beispielsweise auch in vielen Kaufland-Verkaufsstätten der Schwarz-Gruppe (Lidl/Kaufland) verkauft.

Hallo Rudi,

unsere Produkte gibt es zwar nicht ausschließlich in Weltläden, sondern auch in Lebensmittelmärkten wie Rewe, Edeka, tegut oder im Biofachhandel – zurzeit arbeiten wir jedoch weder mit Lidl/Kaufland noch mit anderen Discountern zusammen.

Viele Grüße
Dein GEPA-Team

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Interessanter Hinweis von Rudi hinsichtlich der Konsequenz. Wahrscheinlich ist der Dritte Welt Saar auch nicht bekannt, dass GEPA ein Fairtrade-zertifizierter Händler ist und einen Großteil seiner Rohstoffe von Fairtrade-zertifizierten Kooperativen bezieht.

Hinzuzufügen wäre noch, dass GEPA Fair Plus kein Siegel ist, sondern ein sogenannter 'claim', also eine Aussage eines Unternehmens über sich selbst - die man glauben kann oder auch nicht. Ein Standard steht jedenfalls nicht dahinter.

Ein Siegel funktioniert aber grundlegend anders: Siegel verleiht man sich nicht selbst, sondern sie werden von unabhängigen Dritten durch Zertifizierung gegen einen akkreditierten Standards vergeben, und zwar unternehmens-, marken- und produktübergreifend. Deswegen gibt es das Fairtrade-Siegel auch auf Hunderten von Produkten einer Vielzahl von Unternehmen. Und Fair Plus nur auf GEPA-Produkten.

Antwort auf von anmaphi (nicht überprüft)

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Hallo Anmaphi,

danke für deinen Kommentar - du hast Recht damit, dass fair+ ist kein „Siegel“ ist. Mit dem fair+ Zeichen auf unseren Verpackungen möchten wir auf unsere Mehrleistungen und Pionierarbeit als Unternehmen im Fairen Handel aufmerksam machen.

Wir sind jedoch mit allen unseren Produkten in verschiedene Zertifizierungs- und Monitoringsysteme eingebunden. Fairtrade International ist eines davon, wir arbeiten aber auch mit Naturland Fair sowie IMO Fair For Life zusammen. So stellen wir u. a. sicher, dass wir in unseren Mischprodukten möglichst viele faire Zutaten verwenden, wie zum Beispiel in unseren Milchschokoladen mit Naturland Fair-zertifizierter Bio-Alpenmilch.

Als eines von wenigen Unternehmen in Deutschland sind wir zudem nach dem WFTO-Garantiesystem geprüft, d. h. dass wir auch als Organisation „fair“ sind und nicht einzelne Produkte. Denn das unterscheidet uns als Fair Handelsunternehmen von konventionellen Anbietern, die nur wenige Produkte fair-zertifiziert anbieten: Unser Unternehmenszweck ist Fairer Handel und das heißt auch: Alle unsere Produkte sind fair gehandelt. Dafür stehen wir ein und gehen in vielen Punkten über Standards hinaus – von partnerschaftlichem Handel und Dialog mit unseren Handelspartnern über höhere Preise wie zum Beispiel die letzten Jahre für Kakao bis hin zu möglichst hohe Fair-Handelsanteilen bei Mischprodukten wie Schokolade o.ä. sowie transparente Lieferketten ohne Mengenausgleich.

Viele Grüße
Dein GEPA-Team

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erschienen in Ausgabe 11 / 2019: Aufbruch am Horn von Afrika
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