Mehr Geld für Kleinbauern

NGO appellieren an die künftige Bundesregierung, ihre Förderpolitik zu korrigieren
NGO appellieren an die künftige Bundesregierung, ihre Förderpolitik zu korrigieren

(14.10.2013) Während im politischen Berlin noch nicht einmal Koalitionsverhandlungen begonnen haben, formulieren das Hilfswerk Misereor, der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft und die afrikanische nichtstaatliche Organisation INADES bereits eine Forderung an die künftige Bundesregierung: Mindestens zehn Prozent ihrer Entwicklungsgelder solle sie fortan in die kleinbäuerliche Landwirtschaft investieren, um weltweit eine gesicherte Lebensmittelversorgung zu ermöglichen. Laut dem Welthungerindex 2013 ist jeder achte Mensch weiterhin nicht ausreichend ernährt. Vor allem in Südasien und im südlichen Afrika sei die Lage nach wie vor sehr ernst.

Derzeit veranschlagt das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) mit mehr als 700 Millionen Euro zwar elf Prozent seines Entwicklungsetats für die ländliche Entwicklung. Allerdings komme nur ein geringer Teil davon den Kleinbauern zugute, kritisiert Misereor. Francis Ngang, Hauptgeschäftsführer von INADES, sagt: „Kleinbauern wurde das Wirtschaften in den vergangenen 30 Jahren massiv erschwert: Ihre Märkte wurden durch Handelsliberalisierungen mit Produkten aus dem Ausland überschwemmt, Forschung und Beratung wurden privatisiert und der Zugang zu Lagerhaltung und fairen Krediten erschwert.“ Daher müsse die künftige Bundesregierung ihre Förderpolitik korrigieren und „gezielt in bäuerliche Betriebe und lokale Marktstrukturen“ investieren, fordert Pirmin Spiegel, Hauptgeschäftsführer von Misereor.

Weltweit nehme die Zahl der Hungernden zwar ab; laut Welthungerindex 2013 (WHI), den die Welthungerhilfe am Montag vorstellte, hat sich der Wert des WHI im Vergleich zum Jahr 1990 um 34 Prozent verringert. Aber die Lage bleibe dennoch ernst: Jeder achte Mensch sei nicht ausreichend ernährt. Insgesamt hungerten laut Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO 842 Millionen Menschen, vor allem in Südasien und in der Sahel-Zone. Burundi, Eritrea und Komoren rangieren am Ende der 78 im WHI erfassten Länder. Hier seien Hunger und Mangelernährung am gravierendsten.

Zweifel an Erfolg bei der Hungerbekämpfung

In ihrem aktuellen „Jahrbuch zum Menschenrecht auf Nahrung 2013“ mahnen die Hilfsorganisationen Brot für die Welt und FIAN zur Vorsicht bei der Bewertung der Erfolge in der Hungerbekämpfung. Die FAO habe einen Rückgang um 26 Millionen gegenüber dem Vorjahr errechnet. Dieser sei jedoch vor allem einer neuen Zählweise geschuldet. „Die Effekte steigender Nahrungsmittelpreise werden kaum mehr berücksichtigt“, sagt Roman Herre, Agrarreferent von FIAN. Erfasst werde nur, wer ein Jahr lang ununterbrochen gehungert hat. „Menschen, die durch extreme Wetterereignisse ihre Ernte und damit ihre Ernährungsgrundlage für Monate verlieren, fallen durchs Raster“, so Herre. „Aus unserer Sicht hat sich an den realen Faktoren, die zu Hunger führen, nichts gebessert.“

Auch Bärbel Dieckmann, Präsidentin der Welthungerhilfe, betont: Gerade die Ärmsten der Armen stürzten durch Naturkatastrophen, bewaffnete Konflikte und hohe Nahrungsmittelpreise in eine „Abwärtsspirale“: „Wer weniger als zwei Dollar am Tag hat, kann sich keinen Krankheitsfall und keinen Ernteausfall leisten. Für viele Familien in den gefährdeten Gebieten wie der Sahel-Zone ist nach der Katastrophe vor der Katastrophe.“ (osk)
 

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Vor fast 50 Jahren gab es bei einer NGO, bei der ich tätig war, den Satz “wir sind da um zu helfen, nicht um Geschäfte zu machen”. Daran scheint sich bis heute nicht viel geändert zu haben. Sie hatten schon damals nicht begriffen, dass “Hilfe zur Selbsthilfe” mit wirtschaftlichen Kriterien zu tun hat. Wie diese wirtschaftliche Komponente einzusezten ist, haben sie – die NGOs, auch bis jetzt nicht begriffen. Wenn wir in diesem Artikel als Überschrift lesen “Mehr Geld für Kleinbauern” so ist die Frage, wieso ist es möglich das die Niederlande 2010 134.000 Tonnen !!! Zwiebeln in den Senegal liefern, die Tonnage des Knobels aus China leider nicht zu erheben ist, aber in den kleinsten Orten zu kaufen ist. Zu gleicher Zeit – seit 50 Jahren - wir, die “Hilfsorganisationen” mit EURO Millionen, Projekte betreiben, welche nicht einmal lokal Zwiebel und Knobel im genügenden Ausmaß produzieren können. Hier erhebt sich die Frage, ob all diese NGOs nicht nur auf dem Bereich der Nahrungsmittelbeschaffung Versager sind. Jährlich werden mehr als EURO 100 Milliarden !!! in die EZA gesteckt. Wo sind die Erfolge – wer denkt über die Fehler dieser Arbeit nach? Sie, die NGOs wollen Geld, aber keine Analysen des Fehlverhaltens. Es könnte geholfen werden, wenn den Personen in den zweiten und dritten Reihen ihrer Organisationen mehr Glauben geschenkt würde, und auch danach gehandelt wird.
Gerhard Karpiniec
Laxenburg/Österreich
45 Jahre mit der EZA verbunden

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Mit Herrn Karpiniec habe ich schon zusammengearbeitet. Vor Jahren habe ich ihn um Rat gebeten, wie man es einfädeln könnte, dass im Senegal auf lokaler Ebene mit heimischen Früchten Pflanzenöl als Treibstoff produziert wird. Damals war Ausgangspunkt eine kirchliche Einrichtung, die 5000 Euro für eine Ölpresse gespendet hat, die Jatropha-Öl herstellt. Aus dem Öl wird dort Seife gemacht, der jährliche Gewinn liegt bei 50 Euro. Da es keinen Strom vor Ort gibt, wird die Presse mit einem Dieselmotor angetrieben. Meine Anregung, den Motor statt mit Diesel, das man kaufen muss, mit dem Jatropha-Öl zu betreiben, wird bis heute ignoriert. Ebenso mein Vorschlag, ich würde selbst am Ort für die notwendigen Voraussetzungen sorgen. Der kleine Motor verzehrt pro Arbeitsstunde 1-2 Euro, der Verkauf der Seife bringt im Jahr 50 Euro. Angesichts dieser Tatsachen fällt es schwer, nicht zynisch zu werden. Verursacht werden solche himmelschreienden Blödheiten von wohlmeinenden Gutmenschen, die hier wie auch andern Orts die "organisierte Unverantwortlichkeit" (Ulrich Beck) betreiben.

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