Mit Leidenschaft für die Sache der Frauen

Nicholas D. Kristof, Sheryl WuDunn
Die Hälfte des Himmels.
Wie Frauen weltweit für eine bessere Zukunft kämpfen

C.H. Beck, München 2010,
359 Seiten 19,95 Euro


„Die Frauen stützen die Hälfte des Himmels“ lautet das chinesische Sprichwort, das diesem Buch seinen Titel gegeben hat. Die Volksrepublik kommt dann auch bemerkenswert gut weg bei den Reisen, die das Journalisten-Ehepaar Nicholas D. Kristof und Sheryl WuDunn auf den Spuren von Frauen und ihrem Kampf für ein besseres Leben durch Schwellen- und Entwicklungsländer unternommen hat. China habe wie kein anderes Land in den vergangenen hundert Jahren die Gleichberechtigung vorangetrieben, schreiben sie. Auch den berüchtigten Sweatshops, in denen Hunderttausende Arbeiterinnen unter elenden Bedingungen schuften müssen, gewinnen sie bei aller Kritik positive Seiten ab: Die beruflichen Chancen für Frauen hätten sich dank ihnen erheblich verbessert.

Diese Art, die Dinge von mehreren Seiten zu betrachten und Klischees zu hinterfragen, durchzieht das gesamte Buch – und macht es lesenswert. Kristof und WuDunn servieren keine einfachen Wahrheiten und hüten sich davor, simple Auswege aus den schwierigen Lebensumständen zu präsentieren, mit denen viele Frauen in den Ländern des Südens kämpfen. Trotzdem ist ihr Anliegen von der ersten Seite an klar: Sie möchten ihre Leserinnen und Leser für den Kampf um die Durchsetzung der Menschenrechte für Frauen gewinnen. Um das zu erreichen, gehen die beiden Pulitzer-Preisträger ganz nah ran: an indische Zwangsprostituierte, Vergewaltigungsopfer aus dem kongolesischen Bürgerkrieg oder junge Mädchen, die gerne zur Schule gingen, aber nicht dürfen, weil sie möglichst früh heiraten sollen.

Sie beschreiben anschaulich und drastisch, welchem Leid und welchen Ungerechtigkeiten viele Frauen auf dieser Welt ausgesetzt sind. Trotzdem gerät ihr Buch nicht zur Betroffenheitslitanei. Denn sie lassen nicht nur die Opfer von Gewalt und Diskriminierung zu Wort kommen. Sie berichten auch über mutige und engagierte Frauen, die – oft aus eigenen schlechten Erfahrungen heraus – Schulen, Mikrokredit-Initiativen und Therapiezentren gründen, um das Leben anderer Frauen lebenswerter zu machen. Die sehr persönlichen Geschichten ihrer Geprächspartnerinnen reichern Kristof und WuDunn mit einer Fülle von Hintergrundinformationen und empirischen Untersuchungen an. Die Förderung von Frauen, so betonen sie, nutze der gesamten Gesellschaft. In Ländern, in denen mehr Frauen am Geschäftsleben beteiligt sind, komme die Wirtschaft besser voran.

Zwangsheirat, Mangel an Bildung, Genitalverstümmelung, unzureichende Geburtenkontrolle und wirtschaftliche Abhängigkeit – vieles von dem, was Kristof und WuDunn schildern, ist nicht neu. Aber sie tun es mit großer Leidenschaft und Professionalität – auch kritische Hinweise fehlen nicht bei einzelnen Hilfsinitiativen und sogar die grundsätzliche Kritik an der Wirkung von Entwicklungshilfe wird kurz diskutiert. Genderexpertinnen und -experten werden dem Buch wenig neue Erkenntnisse abgewinnen. Es ist eher für die breite Öffentlichkeit gedacht – und hier ist ihm ein großer Kreis von Leserinnen und Lesern zu wünschen.


Gesine Kauffmann

 

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