Zeugnisse der Frauenfeindlichkeit

Jasmin Taylor (Hg.): Im Namen Gottes. Die Unterdrückung der Frauen im Iran. Europa-Verlag, Berlin/München/Wien/Zürich 2023, 240 Seiten, 25 Euro

Jasmin Taylor ist 1983 aus dem Iran nach Deutschland geflohen. In ihrem Buch erzählen sechs Iranerinnen und sie selbst, wie sie vom Regime der Islamischen Republik unterdrückt wurden, und appellieren an die demokratische Welt, die Mullahs nicht mehr zu unterstützen.

Die jüngsten „Frau, Leben, Freiheit“-Proteste im Iran erinnern die Autorin und Unternehmerin Jasmin Taylor daran, dass sie selbst als junges Mädchen zusammen mit ihrer Freundin Soraya von der Sittenpolizei verhaftet wurde, weil die beiden den Hijab nicht vorschriftsmäßig trugen – genauso wie die 22-jährige Kurdin Jina Mahsa Amini im September 2022. Amini starb an den Misshandlungen, und auch Taylors Freundin starb im Polizeigewahrsam. Taylor selbst kam mittels einer Bürgschaft nach einer Woche Gefängnis und siebzig Peitschenhieben wieder frei.  

Taylor ist eine von sieben Frauen, die in dem Buch stellvertretend für über 40 Millionen Iranerinnen von ihren Erfahrungen mit Willkürherrschaft und Diskriminierungen in allen Lebensbereichen berichten. Ihre Geschichten zeigen, wie Frauenhass und Gräueltaten von der Gesetzgebung „im Namen Gottes“ legitimiert werden. Diese stellt sie jeweils am Ende der persönlichen Erinnerungen dem internationalen Recht gegenüber, das von der Scharia-Justiz gebrochen wird. 

In ihrem eigenen Fall thematisiert die Autorin die Strafmündigkeit, die im Iran von der Geschlechtsreife abhängig ist. Jungen sind danach ab fünfzehn, Mädchen schon mit neun Jahren strafmündig, während nach internationalen Regeln wie etwa den Bestimmungen der UN-Kinderrechtskonvention die Strafmündigkeit erst im Alter von 18 Jahren beginnt.  

Nach dem Scharia-Gesetz nur halb so viel wert wie Männer

Weitere Kapitel zu Ehe- und Sorgerecht veranschaulichen, dass Frauen nicht selbst über ihr Leben bestimmen können, denn immer haben sie einen männlichen Vormund: zunächst den Vater, dann Bruder, Onkel oder Ehemann. Die dürfen sie zwangsverheiraten oder in der Ehe legal vergewaltigen. Auch beim Erb-, Arbeits- und Familienrecht sind Frauen benachteiligt; das Recht, Rache zu nehmen für eine Straftat, zeigt besonders klar, dass sie nach dem Scharia-Gesetz nur halb so viel wert sind wie Männer. Das illustriert die Geschichte von Narges, deren Nachname wie der aller erwähnten Frauen mit Absicht anonym bleibt: Nachdem sie ihren gewalttätigen Mann verlassen hatte, ist sie infolge einer Säureattacke ihres Schwiegervaters auf beiden Augen erblindet. Als weibliches Opfer dürfte sie dem männlichen Täter nur ein Augenlicht nehmen. 

Die zumeist wohlhabenden und gebildeten Protagonistinnen präsentieren sich trotz des Leids, das sie erlebt haben, stark und selbstbewusst. Irritierend wirken die durchweg unkritischen Rückblenden auf das Schahregime. Als weibliches Vorbild verweist Taylor auf die ehemalige Kaiserin Schahbanu Farah Pahlavi, „eine Frau von unvergleichlicher Stärke und Anmut“, der sie ihr Buch widmet. 

Für das Vorwort hat sie die iranisch-amerikanische Journalistin und Frauenrechtlerin Masih Alinejad gewonnen. Diese appelliert an die EU, den Druck auf die iranische Regierung zu erhöhen, denn nur so hätten die „Frauen eine echte Chance, den Kampf für ihre Freiheit zu gewinnen“. Das Buch ist locker geschrieben und gut zu lesen.
 

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