Afrika grenzenlos?

Francis Mangeni und Andrew Mold: Borderless Africa – A Sceptic’s Guide to the Continental Free Trade Area. Hurst Publishers, London 2024, 296 Seiten, ca. 24 Euro

Die Afrikanische Freihandelszone (AfCFTA) weckt sechs Jahre nach ihrer Gründung 2019 noch immer große Hoffnungen auf die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas. Francis Mangeni und Andrew Mold erklären, weshalb das Projekt stockt, aber sinnvoll ist.

Die Autoren stehen der afrikanischen Freihandelszone zwar insgesamt positiv gegenüber, aber sie stellen fest, dass das Abkommen nach einem anfänglichen Hype, auch im deutschen entwicklungspolitischen Milieu, nur äußerst schleppend umgesetzt wird. 

Das Buch bietet einen Überblick über die Phasen und Protokolle des Abkommens, aber im Kern geht es Francis Mangeni vom Center for Global Development und Andrew Mold von der UN-Wirtschaftskommission für Afrika zunächst darum, grundsätzlich zu begründen, warum eine panafrikanische Freihandelszone sinnvoll sein kann. Der arg lang geratene erste Abschnitt des Bandes stellt den Zusammenhang zwischen der AfCFTA und Strömungen des Panafrikanismus her und blickt dann auf die Entwicklung des multilateralen Handelssystems und der einschlägigen Handelsverträge, einschließlich der EU-Afrika-Abkommen. 

In der Rolle des Rohstofflieferanten festgezurrt

Ausgehend von kritischen Analysen afrikanischer Ökonomen resümieren die Autoren, dass dieses multilaterale System Afrika insgesamt nicht in seiner Entwicklung geholfen hat – nicht zuletzt, weil sich der Kontinent regelmäßig auseinanderdividieren und in der Rolle des Rohstofflieferanten festzurren ließ. Im zentralen zweiten Abschnitt ihres Buches relativieren Mangeni und Mold ökonometrische Modellrechnungen, die im Hinblick auf die Continental Free Trade Area bzw. AfCFTA der Afrikanischen Union gewaltige Wachstumspotenziale zeigen, aber nach Einschätzung der Autoren von willkürlichen Voraussetzungen ausgehen. Die CFTA wird daher in Afrika zum einen von links kritisiert: Sie sei nur ein weiteres Manöver neoliberaler globaler Freihändler, die multinationalen Konzernen des Nordens (und aus China) das Treiben auf dem afrikanischen Binnenmarkt erleichtern wollen. 

Dagegen erklärt die andere Fraktion der Kritiker, ein Freihandelsabkommen in Afrika, das Präferenzen für Handel innerhalb Afrikas vorsieht, sei keine Garantie für Entwicklung. Denn Länder, die am Start praktisch keine Industrie oder moderne Landwirtschaft haben, könnten den durch Abbau von Zöllen und anderen Handelshemmnissen geschaffenen Spielraum oft gar nicht nutzen – anders als entwickeltere Länder, bei denen sich dann die Handelsvorteile ansammeln würden. Besser wäre aus reiner Marktlogik dann die vollständige Liberalisierung des Handels, also ohne Vorzugsbehandlung für afrikanische Nachbarn.

Die Gegenposition von Mangeni und Mold ist: Afrikanische Länder handeln untereinander schon jetzt vor allem Güter der verarbeitenden Industrie und insgesamt weit mehr als gemeinhin angenommen. Sie haben deshalb recht gute Perspektiven, in der AfCFTA ihre Wirtschaft weiter zu diversifizieren.

Informeller Grenzverkehr, Schmuggel eingeschlossen

Allerdings übersehen sie: In agrarnahen Ökonomien genügt schon ein kleiner Verarbeitungsschritt, und schon wird das Produkt statistisch nicht der Landwirtschaft, sondern der Industrie zugeordnet. Das vergrößert den Anteil von „Manufacturing“ im innerafrikanischen Austausch, ohne dass das entwicklungsökonomisch einen großen Unterschied macht. 

Das zweite Argument der Autoren kommt unter dem Fachbegriff „Informal Cross Border Trade“ daher und bezieht sich auf informelle Grenzverkehre aller Art, Schmuggel eingeschlossen. Durch Einrechnung hoher Schätzwerte dafür (bis zur Hälfte der Exporte und Importe in Afrika) kommen Mangeni und Mold auf einen höheren innerafrikanischen Handelsanteil als die üblichen 15 Prozent. Auf dem könne die AfCFTA aufbauen. Dies ist allerdings ein schwacher Trost, denn der informelle Handel ist ja nicht grundlos so enorm: In Afrika wird der Handel von einem System aus willkürlichen Abgaben und Hürden behindert – je höher der mutmaßliche Anteil des Informellen, desto größer die Aufgabe für die AfCFTA. 

Die Chancen für Entwicklungserfolge aus Marktöffnung stehen also schlechter, als die Autoren uns nahelegen. Aber Mandeni und Mold können ziemlich brillant belegen, was für ihren Erfolg notwendig wäre. 

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