„Verfolgung macht unsere Kirche stark“

Nach dem Anschlag auf eine koptische Kirche in Alexandria in Ägypten, bei dem am Neujahrstag 23 Menschen getötet und 76 verletzt wurden, gab es auch Drohungen gegen Kopten im Ausland. Islamisten haben eine Liste mit Namen von 130 Kopten aus aller Welt ins Internet gestellt, zu deren Ermordung sie aufrufen. Viele koptische Gottesdienste in Europa finden deshalb unter Polizeischutz statt. 14 der bedrohten Personen leben in Österreich. „Verfolgung ist für uns nichts Neues“, sagt Anba Gabriel, der koptische Bischof aus Wien. „Wir glauben, dass die Kirche aus solchen Zeiten gestärkt hervorgehen wird.“

Wie gehen Ihre Gemeindeglieder mit den Drohungen um? Bleiben sie am Sonntag nun zu Hause?

Nein, im Gegenteil. Die Kirchen sind voller denn je. Ein Ehepaar meinte neulich, dass sie fortan in der Kirche nebeneinander stehen werden, damit sie beide gleichermaßen getroffen werden, wenn etwas passiert. Viele Leute, sogar Kinder, haben mir gesagt, dass ihnen die Drohungen keine Angst machen.

Das klingt nach Märtyrertum.

Ja, das stimmt. Ich glaube, dass solche Attentate und Drohungen die koptische Kirche letztendlich stärker machen.

Wie meinen Sie das?

Die Kopten werden nicht erst seit gestern verfolgt. In der langen Geschichte der koptischen Kirche gab es immer wieder Verfolgung und Unterdrückung. Unsere Erfahrung ist, dass gerade in Zeiten, in denen den Kopten das Leben schwer gemacht wurde, die Kirche gestärkt wurde. Wir glauben, dass Gott das Schlimme für uns zum Guten wenden wird. Christen werden in der Not stark. Das haben wir in den letzten Jahrzehnten erlebt, in denen der Terror gegen die Kopten in Ägypten zugenommen hat und es viele Tote gegeben hat. Die koptische Kirche ist in der gleichen Zeit aber gewachsen.

Was steckt hinter der Todesliste, die nach dem Attentat in Ägypten bekannt wurde?

Auf der Liste sind unter anderem die Namen von 14 Kopten, die in Österreich leben. Es sind vorwiegend Priester und Menschen, die in unseren Gemeinden aktiv sind. Vermutlich haben die Terroristen die Namen von unserer Homepage. Bizarrerweise ist darunter auch Pater Johannes, ein Mönch, der die koptische Gemeinde in Österreich gegründet hat. Er ist schon gestorben, und zwar eines ganz natürlichen Todes. Die Terroristen wissen nicht viel über uns und kennen uns persönlich überhaupt nicht. Dass sie willkürlich Namen auf eine Liste setzen, ist eine neue Methode von ihnen.

Stehen Sie auch auf dieser Liste?

Nein, aber ich kann mir gut vorstellen, dass die Terroristen mich im Zweifelsfall nicht von einem Mönch oder Priester unterscheiden können. Wir tragen ja alle ein schwarzes Gewand.

Wie hat die österreichische Regierung auf diese Liste reagiert?

Sie nimmt das sehr ernst. Vielleicht sogar ernster als wir selbst. Unser Weihnachtsgottesdienst und auch der ökumenische Gedenkgottesdienst für die Opfer des Anschlags in Alexandria haben unter starkem Polizeischutz stattgefunden. Der österreichische Bundespräsident hat uns besucht, und zwei Verletzte des Bombenattentats in Alexandria werden demnächst nach Österreich kommen und hier behandelt. Für diese Hilfe und Solidarität sind wir sehr dankbar.

Warum werden jetzt Kopten, die ins Ausland gegangen sind, bedroht?

Mit zwölf Millionen Gläubigen sind wir die größte christliche Minderheit im arabischen Raum und wir werden schon seit vielen Jahren von militanten Muslimen in Ägypten drangsaliert. Ich selbst bin als junger Mann einmal für kurze Zeit entführt worden. Und wenige Tage nach dem Attentat auf die Kirche in Alexandria wurden in Oberägypten fünf Kopten angeschossen und einer getötet. Der Terror geht weiter. Bis auf eine Ausnahme wurde bisher niemand, der in den letzten 40 Jahren in Ägypten Kopten umgebracht oder verletzt hat, zur Rechenschaft gezogen.

Gelten die Drohungen gegen Kopten im Ausland den Christen allgemein?

Dass die Terroristen ihren Hass gegen uns in alle Länder exportieren, ist eine neue Methode. Aber letztendlich wollen sie die Welt erobern. Und sie fangen mit uns als Minderheit an.

Wie haben die islamischen Verbände auf das Attentat und die Drohungen reagiert?

Wir haben Briefe von muslimischen Organisationen bekommen. Manche haben uns auch besucht. Das hat uns gefreut.

Haben die europäischen Kirchen Ihrer Ansicht nach angemessen auf die Attentate reagiert?

Wir haben großes Mitleid und eine starke Solidarität von Seiten der katholischen, der evangelischen und der orthodoxen Kirche gespürt. Sie haben an unseren Gottesdiensten teilgenommen und uns Kopten für unseren starken Glauben gelobt. Das hat uns gut getan.

Ist diese große Anteilnahme am Schicksal der koptischen Christen neu?

Nicht ganz. Neu ist aber die Einstimmigkeit, in der wir diese Solidarität und Liebe erfahren. Das Attentat oder die Drohungen lassen uns Kirchen zusammenwachsen. Und das ist gut so. Auf dogmatischer Ebene gibt es sicherlich noch viel Trennendes. Aber auf der Ebene der Liebe und der Solidarität rücken wir näher zusammen.

Die Fragen stellte Katja Dorothea Buck.


Anba Gabriel
ist seit 2000 Bischof der Diözese für Österreich und die deutschsprachige Schweiz. Der 51-Jährige war sieben Jahre lang praktizierender Arzt, bevor er 1991 in ein Kloster in Ägypten eintrat und 1995 zum Priester geweiht wurde

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erschienen in Ausgabe 2 / 2011: Behinderung: Das Recht auf Teilhabe
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