Ein Bericht, zwei Lesarten

Viel Lob für die eigene Arbeit erkennt die Leitung des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) im neuen Prüfbericht der OECD zur deutschen Entwicklungspolitik. Doch tatsächlich wimmelt es darin an unverhohlener Kritik. Opposition und zivilgesellschaftliche Organisationen sehen das Ministerium regelrecht abgestraft.
Der Bericht gebe „Rückenwind für begonnene Reformen" und motiviere dazu, das Bemühen um eine effizientere deutsche Entwicklungszusammenarbeit fortzusetzen, suchte Staatssekretär Hans-Jürgen Beerfeltz bei der Vorstellung Ende Oktober die Dinge ins Positive zu wenden. Eindeutige Zustimmung finde sich beispielsweise für Deutschlands Anstrengungen, Klimaschutz- und Entwicklungsziele zu verbinden. Auch dass sich die neue BMZ-Leitung gleich nach Amtsantritt vor einem Jahr daran gemacht habe, das Wirrwarr des Außenauftritts zu beenden und die staatlichen Durchführungsorganisationen GTZ, Inwent und DED endlich zu bündeln, finde Anerkennung.
 

Autor

Johannes Schradi

war bis Frühjahr 2013 Berlin-Korrespondent von „welt-sichten“.

Im Übrigen, so Minister Dirk Niebel, habe die neue Regierung nur sechs von den 60 Monaten zu verantworten, auf die sich dieser „Peer Review" durch Großbritannien, Australien und den OECD-Entwicklungsausschuss DAC bezieht. Aber gerade auf diese vergangenen sechs Monate kommt der Bericht ausgiebig zu sprechen. Die angestrebte „Neuausrichtung" der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, heißt es gleich einleitend, bleibe inhaltlich wie in ihren praktischen Konsequenzen „noch immer unklar". Nach wie vor seien Deutschlands Aktivitäten zu breit gefächert.

Der Betonung bilateraler Hilfe fehle eine plausible Begründung

Mehr noch: Die explizite Maßgabe des schwarz-gelben Koalitionsvertrags, nicht mehr als ein Drittel der staatlichen deutschen Entwicklungsleistungen über multilaterale Kanäle einzusetzen und zwei Drittel als direkte (bilaterale) deutsche Hilfe auszugeben, sei „not evidence based", zu deutsch: Sie entbehre jeder nachvollziehbaren Begründung. Die Bemühungen um eine bessere internationale Arbeitsteilung ließen zu wünschen übrig. Zudem müsse Deutschland finanziell „zurück auf Kurs". Zwischen den international gegebenen Geldversprechen und der Realität klaffe eine große Lücke.

Düstere „Wirklichkeit der Entwicklungshilfe"

Wenig Lob für das erste Amtsjahr von Entwicklungsminister Dirk Niebel finden die Deutsche Welthungerhilfe und terre des hommes in der diesjährigen Ausgabe ...

Unwohlsein bereitet den DAC-Prüfern zudem, wie stark die neue BMZ-Führung privates wirtschaftliches Engagement als nützliches Instrument der Entwicklungszusammenarbeit betont. Man fürchtet, dass Mittel, die unter staatlichen Entwicklungsleistungen verbucht sind (ODA-Mittel), „umgelenkt" werden könnten: um Projekte zu finanzieren, „die sich mehr an Deutschlands Handelsinteressen denn am erwartbaren Nutzen für die Entwicklungsländer orientieren". Darüber hinaus fließe nach wie vor weit weniger Geld nach Subsahara-Afrika, als eigentlich versprochen sei.

„Eine Erfolgsbilanz sieht anders aus", kommentiert der Dachverband entwicklungspolitischer Hilfsorganisationen VENRO die Ergebnisse des Reports. „Der Minister versteht sich nicht mehr als Anwalt der Armen", sagt deren Vorsitzender Ulrich Post. Das BMZ gebe zu wenig Mittel an fragile Staaten; gerade diese bräuchten aber „unsere Unterstützung, um eine Chance zu haben, die Armut in ihrem Land zu bekämpfen".

Entwicklungsminister Niebel hingegen wertet sein erstes Amtsjahr rundum positiv: „Wir sind bei der Gestaltung einer neuen Entwicklungspolitik auf sehr gutem Weg." Hilfe soll es weiter geben - aber bitteschön bei mehr Liefererfolg („Aid on Delivery"). Das sei man dem deutschen Steuerzahler schuldig.

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erschienen in Ausgabe 12 / 2010: Staatsaufbau - Alles nur Fassade?
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