Kein Sinn für Entwicklung

Der Dachverband der europäischen Entwicklungsorganisationen Concord Europe hat geprüft, wie entwicklungsfreundlich die EU-Politik ist. Fazit: Brüssel hat sich zwar zur Kohärenz verpflichtet, doch es fehlen Mechanismen zur Kontrolle, ob sich die einzelnen Ressorts daran halten.

Im Vertrag von Lissabon verpflichtet sich die EU dazu, ihre Politik grundsätzlich darauf hin zu prüfen, ob und wie sie sich auf die Entwicklung in anderen Ländern auswirkt. Doch mit der Umsetzung dieses Kohärenzgebots tut sich Brüssel schwer. Laut dem Bericht von Concord Europe liegt das unter anderem daran, dass die Entwicklungspolitik in den EU-Institutionen nach wie vor keinen großen Stellenwert hat und eine Abstimmung mit dem Entwicklungsressort nicht stattfindet.

Zwar werden EU-Vorlagen routinemäßig einer Folgenabschätzung unterzogen, und seit 2009 sehen die Leitlinien der Kommission dazu auch ausdrücklich vor, direkte ebenso wie vermittelte Wirkungen speziell in Entwicklungsländern zu berücksichtigen. Doch in der Praxis geschieht das nur selten: Vorlagen zur Handels-, Energie- oder Agrar­politik werden lediglich von den entsprechenden Fachabteilungen geprüft. Ein Beraterkreis des Kommissionspräsidenten wiederum begutachtet die Ergebnisse dieser Prüfungen, bevor sie zusammen mit der Vorlage an Ministerrat und Parlament gegeben werden. Doch auch in diesem Stadium ist die Entwicklungsdirektion nicht vertreten.

Die EU-Biospritpolitik befeuert das „land grabbing“

Concord hat 177 von 2009 bis 2011 erstellte Folgenabschätzungen untersucht: Nur in 33 davon (19 Prozent) wurden entwicklungspolitische Aspekte überhaupt wahrgenommen. Schlimmer noch: Nur in sieben von 77 Vorlagen, bei denen direkte Auswirkungen auf Entwicklungsländer zu erwarten waren, wurde darauf in der Folgenabschätzung eingegangen. Concord zeigt an drei Politikbereichen – Finanzpolitik, Landwirtschaft und Ernährung sowie Rohstoff- und Klimapolitik – die Widersprüche, die sich aus dem Mangel an Kohärenz ergeben. So sind die Agrarflächen, die Unternehmen aus der EU in Entwicklungsländern erworben haben, in den drei Jahren von 2009 bis 2012 auf mehr als das Dreifache gewachsen. Ursache dafür ist die EU-Richtlinie zur Erhöhung des Anteils von Biotreibstoffen in Benzin und Diesel. Im Juni sagte die Kommission zusätzliche Hilfe für Kleinbauern und besonders für die Kinderernährung in aller Welt zu: Damit will sie offenbar den Schaden begrenzen, der durch Plantagen für Treibstoff aus Zucker, Mais, Soja, Palmöl und Jatropha auf Kosten von Kleinbauern angerichtet wird.

Das grundsätzliche Problem ist laut Concord, dass die Beschlüsse der EU „Vorrang für enge, kurzsichtige Anliegen gegenüber den langfristigen Interessen ihrer eigenen Bürger und der Menschen in den Entwicklungsländern“ geben. Abgesehen davon fehle es im Institutionengefüge der EU an Korrekturmechanismen, um solche Widersprüche und Fehlentwicklungen rechtzeitig kenntlich machten. Zudem mangele es an Transparenz und an verlässlichen Daten; zivilgesellschaftliche Organisationen, die auf Probleme hinweisen könnten, würden nicht einbezogen. Die Folge sei, dass die zuständigen Mitarbeitenden in den EU-Institutionen die Folgen ihrer Entscheidungen nicht einschätzen könnten.

Für Concord ist jetzt die richtige Zeit für eine Korrektur: Nächstes Jahr werden das EU-Parlament neu gewählt und die EU-Kommission neu besetzt – rechtzeitig zur UN-Konferenz für die Entwicklungspolitik ab 2015.

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erschienen in Ausgabe 11 / 2013: Kriminalität
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