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US-Außenminister John Kerry hat sein Land in die Offensive gebracht und in Paris ein „ehrgeiziges“ Klimaabkommen gefordert. Die Fronten für den Endspurt der Verhandlungen sind abgesteckt.

John Kerry hat die besten Ghostwriter. Das hat der US-amerikanische Außenminister am 9. Dezember auf dem Weltklimagipfel unter Beweis gestellt. Seine Rede vor Journalisten war raffiniert gemischt aus Appellen an die Vernunft der ganzen Menschheit, Mitgefühl für die Opfer des Klimawandels, Gesten der Großzügigkeit und Verweisen auf die amerikanische Tatkraft –gewürzt mit Seitenhieben auf Klima-Skeptiker. Und in all das Pathos hatte Kerry sorgfältig Botschaften verpackt, die ein hartes Verhandlungsfinale in Paris erwarten lassen.

Kerry bekannte sich zum „Übergang weg von der high carbon economy“ und zu einer „beständigen Transformation der Weltwirtschaft“. Er bemühte dramatische Beispiele, um zu belegen, dass es den Klimawandel wirklich gibt – gerichtet offenbar an das Publikum in den USA. Und er forderte ein „ehrgeiziges“ Klimaabkommen. Dann schoss er einen Pfeil in Richtung Saudi-Arabien, das sich in Paris am stärksten querstellt. Auch Ölländer wie Dubai investierten in die grüne Wirtschaft und sogar der größte Öl- und Gasproduzent: die USA.

Transparenzpflicht für alle

Die nächste verklausulierte Botschaft galt Schwellenländern, die finden, dass reiche Länder beim Klimaschutz vorangehen müssen. Besonders Indien besteht auf der „gemeinsamen aber unterschiedlichen Verantwortung“, die in der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) von 1992 niedergelegt ist. Entsprechend verpflichtet das Kyoto-Protokoll nur Industrieländer, Treibhaugase zu mindern. Diese Trennung wurde infolge des Gipfels in Kopenhagen 2009 aufgeweicht: Auch die meisten Entwicklungsländer haben vor der Konferenz in Paris mehr oder weniger ehrgeizige „unabhängige national festgelegte Beiträge“ (INDCs) zum Klimaschutz vorgelegt. Für die Höhe der Einsparungen gilt jetzt in der Praxis das Prinzip der Differenzierung durch Selbsteinschätzung.

Die Einhaltung der INDCs soll indes regelmäßig überprüft werden. Und dabei, sagte Kerry, solle es für reiche und arme Länder dieselbe Transparenzpflicht geben. Eine brisante Forderung, denn genau das haben die BICS-Länder Brasilien, Indien, China und Südafrika in einer gemeinsamen Pressekonferenz am 8. Dezember abgelehnt. Zudem teilt der US-Außenminister die Forderung etwa der Europäischen Union (EU) und vieler NGOs, dass die nationalen Ziele nach und nach verschärft werden, fügt aber hinzu: „Und das gilt für alle.“ Der harmlose Satz ist eine weitere Spitze gegen die BICS-Länder: Die haben erklärt, dass sie unter der UNFCCC nicht in gleicher Weise wie die Industrieländer zu Klimaschutz verpflichtet werden können und es nicht zur Debatte stehe, diesen Vertrag neu zu schreiben.

Ein Ass bleibt noch im Ärmel

Viele arme Länder betonen auch, dass sie Klimaschutz nur leisten können, wenn die Industrieländer die versprochene Hilfe zahlen. Dazu sagte Kerry, die USA würden ihre bilaterale Hilfe für Anpassung an den Klimawandel auf rund 800 Millionen Dollar im Jahr verdoppeln. Und er räumte ein, dass Entwicklungsländer Unterstützung brauchen, um auf moderne statt auf fossile Technik zu setzen – die Welt müsse ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar Klimahilfen pro Jahr bereitstellen. Was die USA einbringen wollen, sagte er nicht; das mag einer seiner Trümpfe für den Endspurt des Feilschens sein. Er ließ auch offen, ob mit den INDCs die Finanzversprechen überprüft werden sollen, wie viele Entwicklungsländer fordern. Dafür betonte er, dass private Investitionen wichtiger sind als öffentliche: Erneuerbare Energien seien eine riesige Geschäftschance.

Hier ließ Kerry seine klimapolitische Wette durchblicken: Weil sich der Kongress in den USA gegen Klimaschutz-Maßnahmen sperrt, setzt die Regierung Obama darauf, dass kleine Schritte sowie der technische Fortschritt eine Eigendynamik auslösen. Dann wird immer mehr Klimaschutz durchsetzbar. „Je mehr Fortschritt wir machen, desto ehrgeiziger werden die Zusagen werden“, betonte er.  

Zunächst wollen er und Präsident Obama ein Abkommen, das sie dem Parlament verkaufen können. Dazu müssen die INDCs freiwillig sein und alle Länder gleich behandelt werden. Diesen Preis sind viele Entwicklungsländer inzwischen bereit zu zahlen – anders als noch 2009. Nur deshalb konnten die USA sich in Paris der „Koalition für hohe Ambition“ anschließen, welche die Europäische Union und die AKP-Staaten initiiert hatten; sie umfasst etwa hundert Länder, darunter die, die am meisten vom Klimawandel bedroht sind.

Die BICS-Staaten aber weigern sich noch, Kerrys Preis für ein ambitioniertes Abkommen zu akzeptieren. Vor allem Indien erklärt die unterschiedliche Behandlung von Industrie- und Entwicklungsländern zur Grundsatzfrage. Die Fronten für den Endspurt der Verhandlungen sind abgesteckt. Kerrys Glanzstück der öffentlichen Diplomatie hat die USA in die Offensive gebracht. Und zum ersten Mal in solchen Verhandlungen stehen sie auf der Seite der Mehrheit.

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