Schwache Basis für die Hilfe

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Laut dem UN-Hochkommissar für Flüchtlinge hat die Zahl der Geflohenen und Vertriebenen weltweit 2015 mit 65 Millionen einen neuen Höchststand erreicht. Doch die Daten dazu sind lückenhaft und unzuverlässig, monieren Berliner Wissenschaftler.

Wer Flüchtlingen und Vertriebenen helfen will, sollte wissen, wie viele wo Zuflucht gefunden haben und wie sich das lokal auswirkt – zum Beispiel auf den Wohnungs- und Arbeitsmarkt oder die Preise von Nahrungsmitteln. Doch dazu fehlen laut einem neuen Papier aus der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) zuverlässige Daten.

Das gilt schon für die Frage, wie viele Menschen weltweit auf der Flucht sind. Laut dem jüngsten Überblick des UN-Hochkommissars für Flüchtlinge (UNHCR) waren es 2015 rund 65 Millionen, darunter gut 16 Millionen Flüchtlinge – das heißt ins Ausland Geflohene – und knapp 41 Millionen im eigenen Land Vertriebene. Hinzu kamen gut 5 Millionen palästinensische Flüchtlinge und gut 3 Millionen Asylbewerber.

Diese Daten haben systematische Schwächen, erläutern die Autoren des SWP-Papiers. Für Industrie- und Schwellenländer beruhen sie auf Angaben von Behörden, die nicht alle vergleichbar sind – zum Beispiel betreffen manche den Bestand an Flüchtlingen, andere die Zu- und Abwanderung. In Entwicklungsländern erfasst der UNHCR die Flüchtlinge, die er als Hilfswerk registriert, und das sind nicht alle. Andererseits sind manche „alten“ Flüchtlinge enthalten, die inzwischen auf eigene Faust zurückgekehrt oder weitergezogen sind.

Zahl der Klimaflüchtlinge wächst

Noch lückenhafter sind die Angaben zu Binnenvertriebenen, für die der UNHCR kein völkerrechtliches Schutzmandat hat. Und er zählt nicht die mit, die infolge von Umweltzerstörung ihre Heimat verlassen müssen. Deren Zahl wird auf mehr als 200 Millionen in acht Jahren geschätzt, und sie wächst, betonen die Autoren der SWP.

Nicht berücksichtigt sind auch Menschen, die vor Kriminalität fliehen – in Mittelamerika rund eine Million im Jahr – oder für Entwicklungsprojekte vertrieben werden. Dies trifft laut dem Papier 15 Millionen im Jahr, viele davon in China. Oft erhalten solche Zwangsumgesiedelten allerdings eine neue Wohnung vom Staat und sind nicht wie Flüchtlinge auf Nothilfe angewiesen.

Noch weniger sichere Zahlen liegen über das Alter und das Geschlecht vieler Flüchtlingsgruppen vor. Das zu kennen ist wichtig, um gezielt zu helfen – zum Beispiel den Kindern mit Schulen. Das liegt laut dem Papier nicht nur an Mängeln der Statistik-Behörden gerade in armen Ländern, sondern auch am Nebeneinander verschiedener Hilfswerke wie des UNHCR, des Kinderhilfswerks Unicef und des Welternährungsprogramms: Jedes erhebe Daten für den eigenen Bedarf und nach eigenen Kriterien. Besonders wenig wisse man über Geflohene außerhalb von Flüchtlingslagern. Nur rund sechs Prozent der Flüchtlinge lebten in solchen Lagern, auf sie konzentriere sich aber die humanitäre Hilfe.

Die Autoren fordern, die Datenerhebung zu verbessern. Internationale Organisationen sollten auch bei der Analyse der Daten besser zusammenwirken. Das Papier macht außerdem deutlich, warum Zahlen über Flüchtlinge – und nicht nur die – mit großer Vorsicht benutzt werden sollten, nicht zuletzt von Journalisten.

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