Lebensmittelmulti auf der Anklagebank

Die Globalisierungskritiker von Attac geben nicht auf: Nach der gescheiterten Strafklage versuchen sie mittels Zivilklage, die Spionageaffäre um Nestlé und Securitas aufzuklären. Attac wirft dem Nahrungsmittelkonzern und der Sicherheitsfirma Bespitzelung vor.

 Vor dem Bezirksgericht in der Westschweizer Stadt Lausanne war die Rede von „Angst“, „Misstrauen“ und „Albträumen“: Neun Mitglieder der globalisierungskritischen Bewegung Attac berichteten Ende Januar bei einem zweitägigen Prozess über die Folgen der Bespitzelung durch den Lebensmittelkonzern Nestlé und die private Sicherheitsfirma Securitas. Die Aktivisten sehen ihre Persönlichkeitsrechte verletzt und fordern insgesamt 27.000 Franken Entschädigung (rund 22.360 Euro).

Autorin

Anja Burri

ist Redakteurin bei der Schweizerischen Depeschenagentur sda und ständige Korrespondentin von "welt-sichten".

Securitas soll im Auftrag von Nestlé ab 2003 mindestens zwei junge Frauen als Spioninnen bei Attac eingeschleust haben. Der Grund: Eine Attac-Gruppe arbeitete zu der Zeit an einem Nestlé-kritischen Buch. Die Frauen engagierten sich jahrelang vordergründig für Attac; gleichzeitig hielten sie Nestlé über die Aktivitäten der Globalisierungskritiker auf dem Laufenden. 2008 deckten Medien die Bespitzelung auf.

Eine strafrechtliche Untersuchung wurde im Juli 2009 eingestellt, da der Untersuchungsrichter nur verjährte Verstöße gegen das Datenschutzgesetz feststellen konnte. Bei der Zivilklage gehe es Attac nicht vorrangig um Geld, sondern um Aufklärung, so die Organisation. Der öffentliche Prozess biete eine „einmalige Chance, Transparenz über das Handeln von Nestlé und Securitas herzustellen“.

Denn nach wie vor ist für Attac einiges unklar: Nestlé und Securitas hätten der Justiz nur einen Bruchteil der Spionageberichte weitergegeben, sagte Béatrice Schmid, eine der Klägerinnen, im Gespräch mit „welt-sichten“. Deshalb stellten sich immer noch viele Fragen: „Was stand in den nicht zugänglich gemachten Berichten? An wen wurden diese weitergegeben? Welche Schlüsse wurden daraus gezogen?“

Der Prozess Ende Januar ließ allerdings vieles offen. Der Securitas-Verteidiger kritisierte in seinem Plädoyer die „Lügen“, die über die angeblichen Spioninnen verbreitet würden. Ihr Auftrag sei es lediglich gewesen, Vorkehrungen zu treffen, um Nestlé zu schützen. Der Anwalt von Nestlé betonte, es seien nie persönliche Daten über die Attac-Aktivisten gesammelt worden. Vielmehr hätten die Globalisierungskritiker einen „ideologischen Krieg gegen Nestlé“ geführt. Eine der eingeschleusten Securitas-Mitarbeiterinnen sagte, sie habe einfach professionell gearbeitet. Aufgehört habe sie, weil das Doppelleben zu kompliziert geworden sei.

Das Urteil in dem Prozess steht noch aus. Attac kann zumindest einen positiven Nebeneffekt verbuchen: Medien aus dem In- und Ausland interessierten sich brennend für die Verhandlung. Heute zweifle immerhin niemand mehr daran, dass Attac tatsächlich ausspioniert wurde, sagt Béatrice Schmid.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2012: Hunger: Es reicht!
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