Weniger Geld für Asylsuchende

Österreich
In Wien sind die Parteien nicht einig in der Flüchtlingsfrage. Die Sozialdemokraten und die Grünen setzen auf Integration, während die konservativen Parteien Asylbewerbern und Schutzsuchenden das Leben in der Alpenrepublik ungemütlich machen wollen.

Der Zustrom von Flüchtlingen aus dem Vorjahr soll sich nicht wiederholen. Darüber herrscht in Österreichs Regierung weitgehende Einigkeit. 2015 haben über 90.000 Menschen um Asyl gesucht. In diesem Jahr sollen nicht mehr als 37.500 Asylanträge entgegengenommen werden. Diese Obergrenze hatten die Koalitionsparteien SPÖ und ÖVP bereits zu Jahresbeginn beschlossen. Wenn diese Zahl erreicht ist, soll der Notstand ausgerufen werden. Eine Notverordnung würde es Österreich ermöglichen, Flüchtlinge leichter zurückzuweisen und einen weiteren Zuzug verhindern.

Wie das gehen soll, darüber herrschte bis zuletzt Unklarheit. Die SPÖ spricht lieber von einem „Richtwert“ – ein Begriff, der eine gewisse Flexibilität enthält. Während Bundeskanzler Kern (SPÖ) der Ansicht ist, die derzeit 100 bis 150 täglich gestellten Asylanträge seien zu bewältigen, bereitet Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) bereits die Notverordnung vor. Gegenüber einer Boulevardzeitung stellte er Anfang August klar: Der 37.501. Flüchtling soll seinen Asylantrag erst 2017 stellen können. Bis Ende Juli waren 24.000 Asylanaträge abgegeben worden.

Wer sich integriert, erhält einen Bonus

Die Regierungsparteien haben auch für den Umgang mit den bereits im Land befindlichen Flüchtlingen unterschiedliche Konzepte. Während die SPÖ davon ausgeht, dass die Leute hier bleiben und daher gut integriert werden müssen, versucht die ÖVP den Aufenthalt in Österreich so unattraktiv wie möglich zu machen. So will sie die Mindestsicherung, die seit einigen Jahren die Sozialhilfe ersetzt, für Flüchtlinge bundesweit herabsetzen. Das Land Oberösterreich, wo die ÖVP mit der rechten FPÖ regiert, ist bereits vorgeprescht. Seit Juli bekommen Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte (also Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber nicht abgeschoben werden können) statt bisher 914 Euro monatlich nur noch 365 Euro Mindestsicherung für Erwachsene. Dazu kommt ein an Auflagen wie Spracherwerb gebundener Integrationsbonus von 155 Euro. Alleinerziehende haben Anspruch auf zusätzliche Unterstützung.

Das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR und andere Kritiker hegen verfassungs- und EU-rechtliche Bedenken gegen die Reduzierung. Außerdem könne man in Oberösterreich nicht von 520 Euro im Monat leben. Die Einsparungen würden sich durch mehr Obdachlosigkeit und steigende Kriminalität rächen.

Niederösterreich hatte bereits im Februar die Mindestsicherung generell bei 1500 Euro pro Familie gedeckelt. So will das Bundesland verhindern, dass Eltern Kinder zeugen, nur um die Mindestsicherung zu erhöhen, und dass Leute schlecht bezahlte Jobs ablehnen.

Abwärtsspirale bei der Sozialhilfe befürchtet

ÖVP und FPÖ versprechen sich durch diese Kürzungen Einsparungen in Höhe von über 70 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren. Laut SPÖ und Grünen hingegen sind höchstens 17 Millionen Euro zu holen. In Oberösterreich waren im Mai ein Viertel der knapp 14.500 Bezieher von Mindestsicherung Asylberechtigte oder subsidiär Schutzberechtigte. Gegenüber dem Vorjahr hat sich ihr Anteil damit kaum erhöht.

Im rot-grün regierten Wien sind sogar nur 17 Prozent der gut 180.000 Bezieher von Mindestsicherung Flüchtlinge. Im Vorjahr wurden in der Hauptstadt insgesamt 544 Millionen Euro für die Mindestsicherung aufgewendet. Die zuständige Stadträtin Sonja Wehsely sieht keinen Anlass, bei diesen Ausgaben zu knausern. Sie will vielmehr für ein ausreichendes Angebot an Deutschkursen sorgen, damit die Geflüchteten schnell in den Arbeitsmarkt integriert werden können.

Die liberalen Neos, die kleinste Parlamentsfraktion, fürchten, dass die restriktiven Maßnahmen in einzelnen Bundesländern eine „Abwärtsspirale“ im Sozialhilfebereich in Gang setzen. Sie fordern eine Harmonisierung der Mindestsicherung auf Bundesebene sowie Erwerbsanreize. Denn Länder, die an den bisherigen Regelungen festhalten, werden verstärkt belastet; das betreffe vor allem Wien. Die SPÖ schlägt eine Residenzpflicht für Asylbewerber und -berechtigte vor. Damit könne man verhindern, dass sich die Menschen das Bundesland aussuchen, wo die Sozialleistungen am attraktivsten sind. Die ÖVP will dem zustimmen, wenn die SPÖ im Gegenzug bei der Kürzung der Mindestsicherung einlenkt.
Ralf Leonhard

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erschienen in Ausgabe 9 / 2016: Tourismus: Alles für die Gäste
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