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Kanadas Entwicklungshilfe
Männer gehen leer aus: Kanadas Regierung will die Entwicklungshilfe umkrempeln und künftig fast ausschließlich Frauen und Mädchen unterstützen. Mehr Geld gibt es dafür allerdings nicht.

Kanadas Entwicklungsministerin Marie-Claude Bibeau scheute nicht vor großen Worten zurück, als sie den Politikwechsel verkündete: „Unser neuer feministischer Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit ist der ehrgeizigste und fortschrittlichste in der kanadischen Geschichte“, betonte sie Anfang Juni in Ottawa. Er werde Kanada zum „globalen Anführer“ machen, um Frauen und Mädchen zu stärken und die Gleichberechtigung zu fördern.

Die kanadische Regierung setzt sich damit erneut deutlich gegenüber dem Nachbarn USA ab. Bereits im März hatte sie bis zu 20 Millionen Dollar für Programme zur Förderung der sexuellen Gesundheit und Familienplanung zugesagt - als Reaktion auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, die Mittel dafür drastisch zu kürzen.

Die Zahlen klingen erst einmal gut: Im Rahmen eines speziellen Frauenförderprogramms sollen in den nächsten fünf Jahren knapp 120 Millionen US-Dollar an lokale Frauenorganisationen in Entwicklungsländern fließen. Bis zum Jahr 2020 sollen laut Medienberichten mindestens 80 Prozent des Entwicklungshilfebudgets (andere Quellen nennen einen Anteil von 95 Prozent) eingesetzt werden, um das Leben von Mädchen und Frauen in armen Ländern zu verbessern – mit Hilfe von Ausbildung, besserem Zugang zu Gesundheitsversorgung und Finanzdienstleistungen, mehr gesellschaftlicher und politischer Teilhabe.

Zunächst fließt Geld in den Kongo

Dies sei die „wirkungsvollste Art der Entwicklungshilfe“, betonte Ministerin Bibeau. „Nachhaltige Entwicklung, Frieden und Wachstum für alle sind nicht zu verwirklichen, so lange Mädchen und Frauen nicht wertgeschätzt und gestärkt werden“. Als erstes Land soll die Demokratische Republik Kongo in den Genuss der neuen Politik kommen. Kanada stellt 77,5 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um Frauen mit Schulungen und Geld in die Lage zu versetzen, ihre Familien und Gemeinschaften zu ernähren. Mit dem Programm sollen zudem Konfliktopfer humanitäre Hilfe erhalten und Straßenkinder betreut werden.

Die neue Ausrichtung der kanadischen Entwicklungspolitik stieß auf viel Lob und Anerkennung in der Zivilgesellschaft. Doch etliche Organisationen wiesen sogleich auf den Wermutstropfen hin: Mehr Geld gibt es dafür nicht. Die offizielle Entwicklungshilfe (ODA) lag 2016 bei 3,96 Milliarden US-Dollar, das entspricht einem Anteil von 0,26 Prozent am Bruttoinlandsprodukt. Die kanadische Regierung ist damit weit vom 0,7-Prozent-Ziel der Vereinten Nationen entfernt.

An anderer Stelle muss gespart werden

Das schränke das Potenzial der neuen Politik erheblich ein, kritisierte Julia Sanchez, die Präsidentin des kanadischen Rats für Internationale Zusammenarbeit. „Wir halten sie für kühn und fortschrittlich, aber wir verstehen nicht, wie sie ohne frisches Geld verwirklicht werden soll.“ Ähnlich äußerte sich der Kanada-Direktor der Organisation ONE, Stuart Hickox.

Der Soziologe Liam Swiss ist ebenfalls skeptisch. Wenn die Entwicklungshilfe nicht erhöht werde und zu einem großen Teil für die Förderung von Mädchen und Frauen ausgeben werden soll – welche Einsparungen müssten dann in Kauf genommen werden, fragt der Professor von der Memorial University von Neufundland. Und wie wolle man künftig mit Ländern und Gemeinschaften zusammenarbeiten, in denen Programme zur Gleichstellung der Geschlechter „schwierig oder ein Tabu“ seien? Und er nennt noch ein Risiko: Die Gefahr, dass Hilfsprogramme als gendersensitiv „getarnt“ würden, um die Kriterien für kanadische Hilfsgelder zu erfüllen.

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erschienen in Ausgabe 9 / 2017: Religion und Umwelt
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