„Es bleiben nur nationale Gerichte“

Syrische Kriegsverbrechen
Carla Del Ponte hat die Syrien-Kommission der UN verlassen – aus Frust, dass der UN-Sicherheitsrat die Kriegsverbrecher nicht anklagen lässt. Der Berliner Menschenrechtsanwalt Patrick Kroker erklärt, welche Alternativen bestehen und was die deutsche Justiz erreichen kann.

Was hat die UN-Untersuchungskommission für Syrien bisher erreicht?
Sie hat ihre Aufgabe erfüllt und Kriegsverbrechen dokumentiert und in die Öffentlichkeit gebracht. Aber ich kann die Frustration von Carla Del Ponte gut verstehen: Die Kommission hat unglaublich wertvolle Informationen gesammelt, die aber juristisch nicht genutzt werden können. Das ist angesichts des Ausmaßes der Verbrechen ungeheuerlich.

Warum haben die Berichte der Kommission, etwa über Giftgasangriffe oder Folter, bislang keine juristischen Folgen?
Die Kommission hat nicht das Mandat, die Informationen juristisch zu verwerten und an den Internationalen Strafgerichtshof zu übergeben. Da blockiert der UN-Sicherheitsrat. Es könnte aber auch an anderer Stellt mehr getan werden. Die nationalen Staatsanwaltschaften müssten mehr ermitteln. Und die Staatengemeinschaft könnte ein Sondertribunal einrichten. Das ist aber derzeit sehr unwahrscheinlich.

Stattdessen haben die Staaten der UN-Generalversammlung am Sicherheitsrat vorbei einen Syrien-Ermittler einberufen, der aber mangels Finanzierung seine Arbeit noch nicht aufgenommen hat. Wie groß wäre sein Einfluss?
Anders als bei der vom Sicherheitsrat eingesetzten Syrien-Kommission geht es darum, nicht nur zu dokumentieren, sondern Informationen gezielt zur Strafverfolgung zu sammeln. Das ist sinnvoll. Und eventuell können die Ergebnisse bei späteren Verfahren genutzt werden. Aber ohne Staatsanwaltschaften und Gerichte, die sich dem annehmen, läuft das ins Leere.

Was kann die deutsche Justiz erreichen?
Nach dem Weltrechtsprinzip können bestimmte Verbrechen wie Völkermord oder Folter in allen Ländern zur Anklage gebracht werden. In Deutschland ist das relativ weit gefasst. Die Staatsanwaltschaften können ermitteln und einen internationalen Haftbefehl erwirken. Das würde auch die Politik unter Druck setzen. Die nationalen Gerichtsbarkeiten sind das einzige, was wir auf absehbare Zeit haben.

Auch unter den syrischen Flüchtlingen in Deutschland werden Kriegsverbrecher vermutet. Aber Sie haben im Namen von Folteropfern Strafanzeige gegen Funktionäre der syrischen Militärgeheimdienste eingereicht, die kaum greifbar sind. Warum?
Uns reicht es nicht, wenn niederrangige Leute, die nach Deutschland geflohen sind, verurteilt werden. Uns geht es darum, systematische Verbrechen aufzudecken – in diesem Fall die Folter in den Geheimgefängnissen. Wir wollen die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, um das System aufzubrechen, aus dem heraus diese Verbrechen begangen werden. Der Generalbundesanwalt hat das aufgegriffen und Zeugen verhört. Wir gehen davon aus, dass wir ihm ausreichend Belege vorgelegt haben, um einen internationalen Haftbefehl zu erlassen.

Das Gespräch führte Sebastian Drescher.

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