Knatsch mit Brüssel

Schweizer Hilfsprogramme
In den vergangenen zehn Jahren hat die Schweiz Projekte in den neueren Mitgliedstaaten der Europäischen Union finanziert. Doch jetzt ist erst einmal Schluss damit: Neues Geld knüpft der Bundesrat an die Bedingung, dass Verhandlungen mit der EU über einige Beziehungsfragen vorankommen.

Anlagen zur Trinkwasserversorgung, Schulbusse, duale Ausbildungsplätze, Touristenpfade oder die Modernisierung von Krankenhäusern: Seit 2008 hat sich die Schweiz im Rahmen ihrer Europapolitik mit insgesamt gut 1,3 Milliarden Franken (gut 1,1 Milliarden Euro) an verschiedenen Projekten in der erweiterten EU beteiligt. Sie hat das Geld aber nicht in den dafür von Brüssel eingerichteten Kohäsionsfonds gezahlt, sondern selbst über die Art und den Umfang der geförderten Projekte entschieden.

Dieser sogenannte Erweiterungsbeitrag sei „Ausdruck der schweizerischen Solidarität mit der erweiterten EU“, heißt es auf der Internetseite des Außendepartements (EDA). Gleichzeitig festige die Schweiz damit die Grundlage für solide wirtschaftliche und politische Beziehungen zur EU und deren Mitgliedstaaten.

Nun aber laufen die insgesamt 210 Projekte in Estland, Lettland, Litauen, Malta, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern – den Staaten, die der EU 2004 beigetreten sind – Ende 2017 aus. Die Hilfe war auf zehn Jahre befristet. Zwar hatte das Schweizer Parlament bereits im Herbst vor einem Jahr mit deutlicher Mehrheit die gesetzliche Grundlage für einen weiteren Kohäsionsbeitrag in Höhe von 1,04 Milliarden Franken (913 Millionen Euro) für die Jahre 2017 bis 2020 beschlossen. Doch der Bundesrat entschied kurz vor der Sommerpause, den Erweiterungsbeitrag als Trumpf für die  blockierten Verhandlungen mit der EU im Ärmel zu behalten. Deshalb haben die beiden zuständigen Bundesämter – die Direktion für Entwicklungszusammenarbeit (DEZA) und das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) – die weitere Planung vorerst auf Eis gelegt.

Die Schweiz will den Zugang zum EU-Binnenmarkt klären

In den Verhandlungen mit der EU geht es insbesondere um den Abschluss eines Abkommens, das den Rahmen für bestehende und künftige Verträge über den Zugang der Schweiz zum Binnenmarkt bilden soll. Umstritten ist dabei, wer bei Streitigkeiten zwischen Bern und Brüssel zuständig sein soll. Gegner des Abkommens in der Schweiz warnen vor „fremden Richtern“, die die Souveränität des Landes bedrohten. Neues Geld soll erst fließen, wenn die Gespräche mit Brüssel vorangekommen sind. Wann der Bundesrat entscheiden wird, ist offen. Die Frage werde „zu gegebener Zeit anlässlich der Betrachtung aller europäischer Dossiers überprüft“, heißt es von der Regierung.

Die DEZA und das SECO lösen als Folge der Blockade ihre Außenstellen in fünf osteuropäischen Hauptstädten – Bratislava, Budapest, Prag, Riga und Warschau – auf, die lokalen Angestellten werden zum Ende dieses Jahres entlassen. Siroco Messerli, Abteilungsleiter Neue EU-Mitgliedstaaten bei der DEZA, sagte gegenüber dem Schweizer Radio SRF, es sei „einfach eine Tatsache“, dass der Schweizer Beitrag in diesen zehn EU-Mitgliedstaaten nun nicht nahtlos weitergeführt werde. Die Unterbrechung ist für die Aufrechterhaltung der Beziehungen in den zehn Staaten kaum förderlich. Wenn der Erweiterungsbeitrag irgendwann weiterläuft, müssten neue Mitarbeiter die Kontakte teilweise wieder neu aufbauen.

Für Rumänien und Bulgarien gilt die Frist noch bis Ende 2019, Kroatien hilft die Schweiz noch bis 2024. Denn diese Staaten traten der EU erst später bei, die Schweizer Hilfe startete dementsprechend später. Der Erweiterungsbeitrag wurde unter den 13 Staaten anhand der Bevölkerungsgröße und des Pro-Kopf-Einkommens aufgeteilt. Mit fast einer halben Milliarde Franken war Polen der größte Empfänger.
 

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erschienen in Ausgabe 10 / 2017: Kongo: Das geschundene Herz Afrikas
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