Teuer erkaufte Kircheneinheit

Katholiken in China
Nach 66 Jahren Funkstille wollen der Vatikan und China wieder diplomatische Beziehungen aufnehmen. Den Preis dafür muss ausgerechnet die chinesische Untergrundkirche zahlen, die über viele Jahre trotz staatlicher Repressionen loyal zum Papst gestanden hat.

Wer in China katholisch ist, muss sich entscheiden. Entweder er schließt sich einer Gemeinde an, die vom kommunistischen Regime in Beijing anerkannt wird, dafür aber vom Vatikan nicht akzeptiert ist. Oder er sucht den Segen des Papstes und geht in eine Untergrundkirche, die wiederum Beijing als illegal betrachtet. Diese Spaltung geht auf das Jahr 1951 zurück, als China seine diplomatischen Beziehungen zum Vatikan abbrach. Das kommunistische Regime wollte damals nicht akzeptieren, dass der Papst – wie überall auf der Welt – bei der Berufung der Bischöfe das letzte Wort hat. Es sah darin eine unzulässige Einmischung in innerchinesische Belange.

Der Vatikan argumentierte umgekehrt ähnlich: Ein atheistisches Regime dürfe nicht in Kirchenangelegenheiten reinregieren. Das Tischtuch war zerschnitten und die katholische Glaubensgemeinschaft in China begann sich zu spalten in eine offizielle Katholische Kirche und eine Rom-treue Untergrundkirche. Heute ist etwa die Hälfte der 12 Millionen Katholiken in China staatlich organisiert, die anderen feiern im Untergrund Gottesdienst.

Diese Spaltung wollen der Vatikan und China nun überwinden und haben Gespräche aufgenommen. Rom strebt die Einheit der katholischen Gläubigen im Reich der Mitte an. Und die chinesische Regierung würde gerne die Kontrolle über die Untergrundkirche gewinnen. Beobachter gehen davon aus, dass bereits im März die ersten Schritte zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen gemacht werden.

Den Preis für die Annäherung zahlt die Untergrundkirche

Für die katholische Kirche hat das Tauwetter allerdings einen hohen Preis und den muss offenbar die Untergrundkirche zahlen. Denn der Vatikan ist gewillt, zugunsten der staatstreuen Kirche zu verhandeln. Ende vergangenen Jahres forderte der Papst die beiden Rom-treuen Bischöfe Zhuang Jianjian aus der Diözese Shantou (Provinz Guangdong) und Vincent Guo Xijin aus der Diözese Mindong (Provinz Fujian) auf, zurückzutreten und den beiden regimetreuen Bischöfen in ihren Diözesen Platz zu machen.

Mit dieser Entscheidung hat der Heilige Stuhl viele Katholiken der Untergrundkirchen vor den Kopf gestoßen. In beiden Diözesen gehört die große Mehrheit der Katholiken der Untergrundkirche an. So haben in Mindong 60 Priester Bischof Guo den Gehorsam geschworen, während die Gefolgschaft seines Gegenspielers nur aus sechs Priestern besteht. Der vorgesehene Nachfolger von Bischof Zhuang hingegen wurde offiziell von Rom exkommuniziert, weil er ohne päpstliches Mandat ins Amt gekommen ist.

Kardinal Joseph Zen, der emeritierte Erzbischof von Hongkong, nannte die Entscheidung des Papstes einen „Affront gegenüber denen, die unter großen Opfern ihren Glauben im Untergrund leben“. Bischof Zhuang hatte Ende vergangenen Jahres den Kardinal um Hilfe gebeten, woraufhin dieser Mitte Januar nach Rom gereist war, um dem Papst in einer Privataudienz einen persönlichen Brief des degradierten Bischofs zu überbringen. In seinem Internetblog äußerte Zen anschließend erhebliche Bedenken an den Bemühungen des Vatikans, die Beziehungen zu normalisieren. 

Offenbar konnte der Kardinal aus Hongkong den Pontifex in Rom nicht von seiner Linie abbringen. Denn mittlerweile gilt als sicher, dass beim nächsten Treffen zwischen dem Vatikan und Beijing Anfang März der Heilige Stuhl der chinesischen Delegation ein offizielles Schreiben überreichen wird, mit dem die abtrünnigen Beijing-treuen Bischöfe legitimiert werden. Im Gegenzug soll dem Vatikan das Alleinbestimmungsrecht über die Bischofswahl in China zugestanden werden.  Unterstützung erhielt Zen Mitte Februar von mehr als tausend katholischen Wissenschaftlern, Anwälten und Menschnrechtlern aus Hongkong, Großbritannien und den USA, die sich in einem offenen Brief an Bischofskonferenzen in aller Welt gegen den Kurs des Vatikans aussprechen.

Posten im Zweifelsfall mit staatstreuen Personen besetzt

China zieht die Zügel an bei der Religionskontrolle Dass Rom ausgerechnet jetzt auf eine Normalisierung der Beziehungen zu China drängt, hat verschiedene Gründe. Zum einen sind 40 der insgesamt hundert Diözesen derzeit nicht mit Bischöfen besetzt, und ein Großteil der Bischöfe ist älter als 75 Jahre. Die Sorge ist berechtigt, dass all diese Posten im Zweifelsfall mit staatstreuen Personen von Beijing aus besetzt werden. Dies würde die Spaltung der katholischen Glaubensgemeinschaft zementieren.

Zum anderen hat das Regime erst unlängst die Zügel bei der Religionskontrolle angezogen.nSeit Februar müssen sich alle religiösen Gruppen offiziell zu den sozialistischen Kernwerten bekennen. Gottesdienste dürfen nur noch in staatlich registrierten Räumen stattfinden. Und jeder, der Reisen zu religiösen Konferenzen oder zu Papst-Audienzen in Rom organisiert, muss mit Strafen bis zu 30.000 US-Dollar rechnen. Damit will Beijing das Einsickern von ausländischen Ideologien verhindern.

Amnesty International warnt davor, dass die Verfolgung bestimmter Glaubenspraktiken wie die Untergrundgottesdienste zunehmen werde. Dass die Machthaber es ernst meinen, haben sie bereits Anfang des Jahres demonstriert, als die Militärpolizei in der Provinz Shanxi eine nicht registrierte Kirche sprengte, in der eine Gemeinde der Untergrundkirche mit 50.000 Mitgliedern Gottesdienste feierte.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2018: Kunst und Politik: Vom Atelier auf die Straße
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