„Die Bauern können nur gewinnen“

Reis statt Ananas, Bio statt Chemie: Das philippinische Bauernnetzwerk MASIPAG setzt sich dafür ein, den Hunger auf den Philippinen mit einfachen Mitteln wirksam zu bekämpfen. Traditionelle Saatgutsorten werden wieder eingeführt, neue gemeinsam entwickelt. Das Wissen um Züchtung und Anbau geben die Bauern untereinander weiter. Noch verwendet die Mehrzahl der philippinischen Landwirte allerdings Saatgut multinationaler Konzerne. Dabei lässt sich mit biologischem Anbau deutlich mehr Geld verdienen.

Auf den Philippinen sind die Böden fruchtbar und die klimatischen Bedingungen für die Landwirtschaft gut. Trotzdem leidet einer von sechs Filippinos Hunger. Weshalb?

Wir könnten uns tatsächlich selbst ernähren. Aber unsere Regierung setzt auf Export. Um die Bedürfnisse des ausländischen Marktes zu erfüllen, werden Exportprodukte wie Ananas oder Bananen angebaut. Den Reis – unser Grundnahrungsmittel – müssen wir importieren. Eine wichtige Rolle spielt dabei der Beitritt zur Welthandelsorganisation WTO. Nach der Ratifizierung des Abkommens in den 1990er Jahren ist die Armut stark gestiegen. Im vergangenen Jahr, als der Preis für den Reis wegen der internationalen Nahrungsmittelkrise in die Höhe schnellte, hat sich sehr deutlich gezeigt, dass es so nicht weitergeht. Wir müssen umdenken.

Wer profitiert denn am meisten von der aktuellen Situation?

Vor allem multinationale Konzerne wie Monsanto und Syngenta profitieren davon. Seit 1995 gibt es ein Gesetz, das den Konzernen sehr viele Rechte einräumt. Sie können damit beinahe unbeschränkt auf die Ressourcen zugreifen, und sie müssen kaum Steuern bezahlen. All dies geschieht auf Kosten der Bauern. Die Agrarkonzerne haben die Bauern in die Abhängigkeit getrieben. Der genmanipulierte Mais von Monsanto ist weit verbreitet. Die Bauern müssen jedes Jahr neues Saatgut kaufen – und dazu das für diese Pflanze notwendige, teure Unkrautvernichtungsmittel. Als nächstes kommt der genmanipulierte Reis, Freisetzungsversuche haben bereits begonnen.

Die Befürworter argumentieren, mit Gentechnik könne der Hunger wirksam bekämpft werden. Sehen Sie an der Technik gar keine Vorteile?

Nein. Gentechnik macht alles nur noch schlimmer. Was die Konzerne behaupten, stimmt einfach nicht. Mit der Gen-Revolution ist es wie damals mit der Grünen Revolution: Als 1962 die erste Hochertragssorte eingeführt wurde, hieß es, mit dem „Wunder- Reis“ könne der Hunger besiegt werden. Das war vor über 40 Jahren, und die Menschen hungern immer noch. Aus den riesigen Erträgen, die man uns versprochen hat, ist nichts geworden. Im Gegenteil: Der Reis wurde von einer Krankheit befallen, die es vorher auf den Philippinen nicht gegeben hatte. Die Hochertragssorten erfordern Unmengen an chemischem Dünger und Pestiziden. Die Folgen sind saure Böden und verarmte Bauern.

Was ist die Alternative zu Chemie und Gentechnik?

Die Alternative ist eine nachhaltige, biologische Landwirtschaft, die in den Händen der Bauern ist. Sie müssen die Kontrolle über das Land und das Saatgut wieder erlangen. Der Grundsatz lautet: Sortenvielfalt statt Monokulturen, Produktion für den Eigenbedarf statt Exportlandwirtschaft. Dafür setzt sich die Organisation MASIPAG ein. Die Menschen sollen sich weder ausländischen Mächten noch Firmeninteressen beugen müssen. Oberste Ziele müssen die Nahrungssicherheit und die Nahrungssouveränität sein.

Was tut MASIPAG, um diese Ziele zu erreichen?

MASIPAG führt alte Sorten wieder ein und entwickelt in Zusammenarbeit mit Bauern und Wissenschaftlern neue. Wir vermitteln den Bauern das Wissen, das nötig ist, um Sorten zu züchten, und zeigen ihnen, wie sie ohne chemische Hilfsmittel Schädlinge bekämpfen können. Auf Testfeldern werden alte und neue Sorten angebaut. Die Bauern können sich die Resultate ansehen und jenes Saatgut wählen, das am besten zu den spezifischen Bedingungen ihres Landes passt. Das beste daran ist, dass die Bauern das Wissen und das Saatgut untereinander weitergeben, wie sie es früher taten. Die Bauern haben die Kontrolle über das, was sie anbauen. Wissenschaftler und Experten sind nur die Vermittler.

Überzeugt dieses Konzept die Bauern?

In den vergangenen 20 Jahren ist MASIPAG auf rund 35.000 Mitglieder gewachsen. Die Gemeinschaften sind über das ganze Land verteilt. Das ist beachtlich. Aber noch immer pflanzt die Mehrzahl der Bauern Monsanto- und Syngenta-Saatgut an. Es gibt auch Bauern, die auf biologische Landwirtschaft umstellen und dann zum konventionellen Anbau zurückkehren.

Wie kommt das?

Die Konzerne machen den MASIPAG- Bauern spezielle Rabatt-Angebote, um sie zurückzugewinnen. Manche steigen darauf ein. Die meisten, die auf biologische Landwirtschaft umstellen, bleiben aber dabei. Wenn mich ein Bauer fragt, warum er Bio-Landwirtschaft betreiben sollte, sage ich: „Probiere es aus!“ Wer es versucht, stellt fest, dass er finanziell besser dasteht als zuvor. Die Bauern können mit der Umstellung nur gewinnen.

Lässt sich der finanzielle Vorteil beziffern?

Ja, wir haben vor kurzem eine umfassende Studie gemacht. Untersucht wurde das landwirtschaftliche Netto-Einkommen, also das Gesamteinkommen abzüglich der Produktionskosten. Es zeigte sich, dass die MASIPAG-Bauern mehr verdienen als die konventionellen, das gilt auch für diejenigen, die noch dabei sind, ihren Betrieb umzustellen. Die Bio-Bauern kommen auf rund 36.000 Pesos (rund 538 Euro) im Jahr, die konventionellen Bauern auf lediglich 31.000 Pesos (rund 463 Euro).

Worauf führen Sie diesen Unterschied zurück?

Mit konventionellem Anbau kann man große Erträge hervorbringen. Aber die Produktionskosten sind hoch. Werden die Lebenshaltungskosten einbezogen, verzeichnen die konventionellen Bauern am Ende des Jahres ein Defizit von rund 5000 Pesos; sie haben sich also verschuldet. Die MASIPAG-Bauern können sogar etwas Geld zur Seite legen. Sie liegen mit rund 4000 Pesos im Plus. Das ist ein großer Unterschied.

Das Gespräch führte Charlotte Walser, InfoSüd

Bobby Pagusara ist Agrarwissenschaftler und arbeitet für die philippinische Organisation MASIPAG, die mit Unterstützung des Schweizer Hilfswerkes Fastenopfer Bäuerinnen und Bauern Wissen über biologischen Landbau vermittelt.

 

erschienen in Ausgabe 8 / 2009: Kaukasus: Kleine Völker, große Mächte
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