Für mehr Wettbewerb in der Entwicklungszusammenarbeit

Das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) wäre mit der Federführung der Politik gegenüber Entwicklungs- und Schwellenländern „fachlich und personell überfordert“. Zu diesem Schluss kommt ein Papier aus dem Umfeld der Bundesarbeitsgemeinschaft Nord/Süd der Grünen. Entwicklungspolitische Kohärenz müsse deshalb anders hergestellt werden.

Die acht Autoren, darunter Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung sowie der Entwicklungsexperte Roger Peltzer, plädieren erstens dafür, dass sich die Bundesministerien bei ihrer Politik gegenüber Entwicklungs- und Schwellenländern besser unter­einander abstimmen, statt dem BMZ die Federführung zu geben. Denkbar seien eine vom Kanzleramt oder dem Auswärtigen Amt koordinierte Gesamtstrategie oder eine Pflicht aller Ressorts, entwicklungspolitisch relevante Vorhaben dem Entwicklungsministerium zu melden.

Zweitens plädieren die Autoren für eine europäische Vergemeinschaftung der Entwicklungszusammenarbeit, denn mehr Kohärenz in Berlin bringe wenig, „wenn es keine kohärente europäische Entwicklungspolitik gibt“. Anders als in der Außen- und Sicherheitspolitik sei die EU in der Entwicklungspolitik bereits ein wichtiger internationaler Spieler. Leider, so die Autoren, sei die entwicklungspolitische Debatte in Deutschland oft durch ein „erhebliches Maß an nationaler Beschränktheit“ und „europapolitischer Blindheit“ gekennzeichnet.

Drittens sollten größere deutsche Entwicklungsprojekte nicht mehr wie bisher an die KfW-Entwicklungsbank beziehungsweise die Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) vergeben, sondern europaweit ausgeschrieben werden. Die Autoren versprechen sich davon unter anderem eine „Koordination von unten“: Bewerbern könnte zur Vorgabe gemacht werden, bereits bestehende Programme und Projekte in ihr Angebot zu integrieren. Hilfsorganisationen könnten so „durch ihre Vor-Ort-Kenntnisse im lokalen oder regionalen Projekt- und Programmdschungel von unten mehr Transparenz für die ausschreibende Stelle schaffen“.

Viertens sollten entwicklungspolitische Konzepte und ihre Durchführung gründlicher beraten werden, auch mit externen Gutachtern aus Europa und Entwicklungsländern. Gleichzeitig müsse eine von den durchführenden Organisationen unabhängige „kontinuierliche Wirkungsanalyse“ organisiert werden.

Bei Entwicklungsexperten und Politikern stoßen die Vorschläge auf ein unterschiedliches Echo. Franz Nuscheler vom Insitut für Entwicklung und Frieden in Duisburg kritisiert, dass die Autoren dem BMZ die Federführung aberkennen: „Dann kann man es auch abschaffen.“ Dirk Messner, der Direktor des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik, sagt, der Trend, dass sich andere Ressorts zunehmend für Entwicklungszusammenarbeit interessieren, sei nicht aufzuhalten. Andere Ministerien müssten aber von den Erfahrungen des BMZ lernen; beim „Kohärenzmanagement“ müsse es eine wichtige Rolle spielen. Das BMZ selbst lehnte eine Stellungnahme zu dem Papier ab.

Nuscheler fürchtet außerdem, dass die Ausschreibung von Entwicklungsprojekten zu einem Wettbewerb nach unten führen könnte. „Zumindest würden die deutschen Organisationen verlieren, weil sie im internationalen Vergleich viel zu teuer sind.“ Roger Peltzer glaubt das nicht: Seine Erfahrung sei, dass am Ende die Qualität des Angebots und nicht der Preis entscheidend sei.

Für den entwicklungspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Christian Ruck, sind die bundeseigenen Durchführungsorganisationen ein „Kompetenzvorteil“ der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, „den es auch zu sichern gilt“. Die reine Durchführung könne ausgeschrieben werden, nicht aber die Steuerung von Projekten. Ruck kritisiert vor allem den Vorschlag einer stärkeren Vergemeinschaftung der Entwicklungspolitik.  Die EU-Kommission solle lediglich „subsidiär tätig werden“.

Der Sprecher der FDP-Fraktion Hellmut Königshaus begrüßte, dass „nun offenbar auch das bündnisgrüne Umfeld“ die FDP-Kritik an der fehlenden Kohärenz in der Entwicklungszusammenarbeit aufnehme. Die von der FDP vorgeschlagene „Heranführung“ des BMZ an das Auswärtige Amt sei ein erster Schritt, die Steuerungsfähigkeit der deutschen Politik zu erhöhen. (ell)

erschienen in Ausgabe 9 / 2009: Medien: Die heiße Ware Information
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