Predigtverbot nach Religionskritik

Ägypten
Ein ägyptischer Theologe hat die Eroberungszüge in der Frühzeit des Islams mit den Kreuzzügen im Mittelalter verglichen. Jetzt darf er nicht mehr predigen und lehren.

Der islamische Theologe Nashaat Zarraa aus Kairo hat die Al-Azhar-Universität, die höchste Lehreinrichtung im weltweiten sunnitischen Islam, Anfang Februar aufgefordert, sich für die Eroberungskriege zu entschuldigen, über die sich der Islam im siebten und achten Jahrhundert im arabischen Raum, in Nordafrika bis hin nach Andalusien ausbreiten konnte. Solche Eroberungskampagnen seien keine Ausdrucksform des Islams, sondern eher mit den Kreuzzügen im Mittelalter zu vergleichen. Auch diese seien militärische Unterfangen gewesen, die nicht mit dem Wesen des Christentums vereinbar gewesen seien. Das hätten Kirchenhistoriker längst anerkannt und sogar der Vatikan habe sich für das dadurch entstandene Leid entschuldigt, sagte der Theologe, der einen Posten im Religionsministerium innehat und bisher an einer Moschee im Norden Kairos gepredigt hat. Es sei an der Zeit, anzuerkennen, dass die islamischen Eroberungskriege ebenso wenig mit dem authentischen Islam vereinbar seien.

Für diese Aussagen hat das Religionsministerium Nashaat Zarraa offiziell gerügt und ihm verboten, in Moscheen zu lehren und zu predigen. Seine Thesen seien nicht vereinbar mit Positionen der theologisch-akademischen Gemeinschaft der Al-Azhar-Universität.

Die Al-Azhar ist dafür bekannt, immer dann besonders empfindlich zu reagieren, sobald es um eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit dem Islam geht. Zarraa hatte seine Kritik kurz nach einer Rede des Großimams der Al-Azhar, Ahmed el-Tayeb, geäußert, in welcher der oberste Theologe diese Feldzüge glorifiziert hatte. Zarraa führte aus, dass genau diese Glorifizierung der islamischen Geschichte die stillschweigende Duldung des Vorgehens terroristischer Gruppen impliziere, die ihre Militäraktionen gegen unschuldige Zivilisten mit dem islamischen Konzept des Dschihads rechtfertigten. Im Islam sei der Dschihad aber auf Selbstverteidigung beschränkt und schließe Einschüchterungen, Tötungen und die Versklavung von Frauen zur Ausbreitung des Glaubens aus, sagte Zarraa und nannte als abschreckendes Beispiel den „Islamischen Staat“ in Syrien und im Irak.

Gegen Nashaat Zarraa hatte das Religionsministerium vor einiger Zeit schon einmal Disziplinarmaßnahmen eingeleitet, als er während einer Reise in den Irak und in den Iran öffentlich zur Überwindung von Konflikten zwischen Schiiten und Sunniten aufgerufen hatte.

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erschienen in Ausgabe 4 / 2020: Willkommen – oder nicht?
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