Die EU-Fangflotte auf Nachhaltigkeitskurs

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Entsorgung Abfällen im Ausland
Pierre Gleizes / Rea/ Laif

Greenpeace-Aktivisten protestieren im Jahr 2012 vor der Küste Mauretaniens gegen industriellen Fischfang. Die EU hat ihre Fischereipolitik seitdem grundlegend reformiert.

Fischerei
Europäische Schiffe fangen jährlich Zehntausende Tonnen Fisch vor den Küsten von Entwicklungsländern. Die EU schließt dafür Fischereiabkommen mit den jeweiligen Staaten. Sie genießen unter Experten einen vergleichsweise fortschrittlichen Ruf. Verbesserungsvorschläge gibt es trotzdem. 

Rund ein Dutzend solcher Abkommen sind laut EU-Kommission aktuell samt Protokollen in Kraft, die meisten mit afrikanischen Ländern. Hier sticht Westafrika hervor, Verträge bestehen unter anderen mit dem Senegal, Gambia und Mauretanien. Den europäischen Fischern – Spanien etwa ist stark vertreten – geht es zum einen um sogenannte weit wandernde Arten wie Thunfisch und zum anderen beispielsweise um Sardinen oder Seehecht. 

Die Abkommen und Protokolle legen unter anderem maximale Fangmengen und die Höchstzahl von EU-Schiffen sowie Schonzeiten fest. Sie bestimmen das zulässige Fanggerät und Kontrollen durch vom Partnerland benannte Beobachter an Bord europäischer Schiffe. Sie können auch die Verpflichtung enthalten, bestimmte Fänge dort anzulanden. 

Grundsätze der Abkommen sind Nachhaltigkeit und das aus dem UN-Seerechtsübereinkommen übernommene Konzept des Überschusses („surplus“). Demnach dürfen EU-Schiffe nur fischen, was die Einheimischen nicht selbst brauchen. Im Gegenzug erhalten Letztere Geld aus dem EU-Budget, Gambia zum Beispiel laut Zahlen der Kommission für 2019 jährlich 550.000 Euro, Mauretanien den mit Abstand größten Betrag von 61,6 Millionen. Der Unterschied erklärt sich mit verschiedenen Fangmengen, unterschiedlichen und unterschiedlich wertvollen Fischarten und verschieden großen Fischereizonen. Hinzu kommen Gebühren der europäischen Reeder an die Entwicklungsländer. 

Fachleute werten die Abkommen als Fortschritt. Früher habe auch Europas Flotte Bestände vor Afrika so dezimiert, dass dies bis heute nachwirke, sagt etwa Francisco Marí von Brot für die Welt. Inzwischen sei die EU dank der neuen Abkommen ein Vorreiter für nachhaltige Fischerei geworden. „Das Bild, wir nehmen den Afrikanern den fangfrischen Fisch weg, ist heute falsch“, meint der Fischereiexperte des evangelischen Hilfswerkes.

Die Fangmengen sind deutlich gesenkt worden

Auch Heino Fock vom Thünen-Institut in Bremerhaven würdigt die Abkommen.  Sie seien „dem Nachhaltigkeitsansatz zuträglich“, denn die frühere Überfischung durch EU-Schiffe gebe es nicht mehr. Inzwischen seien die Höchstfangmengen deutlich reduziert worden, erklärt der Fischereiforscher, der selbst mehrere Erkundungen vor Westafrika unternommen hat: „Es hat aufseiten der EU einen Paradigmenwechsel gegeben.“ 

Die Bestände sind damit aber noch nicht gesichert. Für die Fanggebiete vor Entwicklungsländern, in denen EU-Fernfangflotten fischen, fehlen Daten über die Bestände. „Die EU-Fischer wissen kaum, wie sich ihr Tun auf die Meeresumwelt auswirkt“, sagt Justine Guiny von der Umweltorganisation BirdLife. Im Senegal zum Beispiel tage der Ausschuss, der sich um die wissenschaftliche Bewertung des Abkommens mit der EU kümmert, manchmal erst, nachdem der für die Diskussion der Umsetzung zuständige Exekutivausschuss zusammengetreten sei. Das schwäche die wissenschaftliche Basis der Diskussionen, sagt Guiny. Die Expertin räumt aber ein, dass die Fischereipraktiken der EU-Schiffe „zumindest auf dem Papier“ dazu tendierten, vergleichsweise nachhaltiger als die anderer Fernfangflotten zu sein. Insbesondere China wird in europäischen Kreisen immer wieder für sein Fischereimanagement und den Mangel an Transparenz kritisiert.  

Verbesserungsvorschläge für die EU-Fischereiabkommen gibt es reichlich. Für entscheidend hält etwa der WWF die genaue Feststellung der jeweiligen Bestände. Zudem fordert er transparentere Fischereiverträge der Entwicklungsländer mit Drittländern außerhalb der EU – wozu die EU wiederum Anreize geben könne. Erst dann könne man den „Überschuss“ an Fisch für alle besser einschätzen, erklärt WWF-Expertin Antonia Leroy. Die Umweltorganisation ist auch dafür, die Geschlechterperspektive in die Abkommen stärker einzubinden, denn ein Großteil der Beschäftigten in der Fischverarbeitung seien Frauen.
Ferner könnte die EU die Wissenschaft und Kontrollbehörden der Entwicklungsländer stärker unterstützen, „damit die Länder ihren natürlichen Reichtum besser verwalten können“, meint Thünen-Mitarbeiter Fock und nennt als Beispiel die Ausbildung von Fachleuten und Infrastruktur.

Vorschläge, wie die Abkommen verbessert werden können

Außerdem wäre mehr regionale Zusammenarbeit bei der Bestandsbewertung gut, meint Brot-für-die-Welt-Experte Marí. So könne etwa geprüft werden, ob es die Ernährungssicherheit im Senegal gefährdet, wenn in Mauretanien zu viel gefischt wird. In diesem Sinne solle die EU Druck auf ihre Partnerländer ausüben.

Manchen ein Dorn im Auge ist auch, dass die EU und damit der Steuerzahler Millionen für die Fangrechte an die Entwicklungsländer zahlt – nur ein Teil kommt von den Fischereiunternehmen. Die rechtfertigen das damit, dass sie im Rahmen der Fischereiabkommen viele Auflagen erfüllen müssen und damit Entwicklungshilfe leisteten. „Unsere Flotte landet den Fisch normalerweise in den Entwicklungsländern an“, berichtet Daniel Voces de Onaindi vom EU-Dachverband Europêche. Dort werde er zum Teil weiterverarbeitet, bevor er nach Europa verschifft wird oder auch in der Region bleibt. Das schaffe in den Partnerländern „eine ganze Industrie“, sagt Voces de Onaindi. Die Abkommen verlangen zudem weitere Jobs auf den EU-Schiffen. Zum Beispiel bestimmt die Vereinbarung mit dem Senegal, dass die Flotte der Tiefsee-Trawler mindestens ein Viertel der Seeleute aus dem Senegal oder einem anderem Land der AKP-Gruppe (Afrika, Karibik, Pazifik) anheuern müsse, das aktuelle Mauretanien-Protokoll setzt für bestimmte Schiffstypen sogar eine Quote von 60 Prozent Einheimischer an der Besatzung fest.Phillipp Saure

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erschienen in Ausgabe 7 / 2020: Der Plan für die Zukunft?
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