Nicht nur erfreuliche Zahlen

ODA-Quote
Die internationale Entwicklungshilfe steigt im Coronajahr auf Rekordhöhe. Doch die ärmsten Länder profitieren davon kaum, kritisiert Tillmann Elliesen.

Tillmann Elliesen ist Redakteur bei welt-sichten.
Das ist eine gute Nachricht: Die Mitgliedsländer der OECD haben im vergangenen Jahr mehr Geld für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe bereitgestellt als jemals zuvor. Die sogenannte offizielle Entwicklungshilfe (ODA) stieg gegenüber 2019 um 3,5 Prozent auf den Rekordwert von 161,2 Milliarden US-Dollar – und das obwohl im Coronajahr 2020 die Wirtschaftsleistung der OECD-Länder um gut fünf Prozent geschrumpft ist. Für die OECD zeigt das, dass die Geberländer vor allem aus Solidarität Hilfe leisten, unabhängig vom Auf und Ab des Wirtschaftswachstums.

Auch die Bundesregierung kann sich auf die Schultern klopfen. Laut den vorläufigen Zahlen, welche die OECD Mitte April vorgelegt hat, ist die Entwicklungshilfe aus Deutschland im vergangenen Jahr um fast 14 Prozent auf mehr als 28 Milliarden US-Dollar gestiegen; nur die USA haben mehr geleistet.

Kredite für Länder des globalen Südens

Und doch haben diese erfreulichen Zahlen eine Schattenseite: Zum einen geht der Anstieg der ODA zu einem guten Teil auf höhere Darlehen für die Länder des globalen Südens zurück. Laut OECD stiegen die als Entwicklungshilfe anrechenbare Kredite der Geberländer gegenüber 2019 um fast 39 Prozent. Diese Kredite müssen anders als Zuschüsse irgendwann zurückgezahlt werden – samt Zinsen. In der deutschen Entwicklungshilfe sind die Kredite sogar um 69 Prozent gewachsen.

Zum anderen haben vor allem bessergestellte Entwicklungsländer vom Anstieg der Hilfe profitiert: In den Ländern mit mittlerem Einkommen ist sie um satte 36 Prozent gestiegen, während die Länder mit niedrigem Einkommen 3,5 Prozent weniger bekommen haben. Die OECD schließt aus beiden Trends, dass der ODA-Anstieg zum Teil auf Darlehen für Länder mit mittlerem Einkommen zurückgeht.

Arme Länder leiden besonders unter der Pandemie

Und das ist eine schlechte Nachricht. Denn gerade in Zeiten der Pandemie sollte es umgekehrt sein: Aus Steuergeldern finanzierte Entwicklungshilfe sollte vor allem in die ärmsten Länder fließen, weil diese als Folge von Corona stärker noch als ohnehin schon auf diese Form der Finanzspritze angewiesen sind. Überall auf der Welt zeigt sich: Unter dem Virus leiden vor allem arme Bevölkerungsgruppen, wirtschaftlich und gesundheitlich. Eine von Solidarität angetriebene Hilfe sollte das in Betracht ziehen und dem entgegenwirken. Das tut sie aber nicht, wenn zusätzliche Mittel vor allem in bessergestellte Länder fließen.

In den vergangenen Jahrzehnten habe sich die Entwicklungshilfe erstaunlich krisenfest gezeigt, heißt es aus der OECD. Sie ist zuversichtlich, dass daran auch das Coronavirus nichts ändert. Doch die Pandemie ist noch nicht vorbei; die Rechnung für die Wirtschaftshilfen in den Geberländern kommt erst noch. Entwicklungsminister Gerd Müller warnt bereits, laut Haushaltsplanung des Finanzministeriums sollen die deutschen Mittel für Entwicklungszusammenarbeit 2022 um ein Viertel sinken. Das wäre kein gutes Signal. Im vergangenen Jahr haben die ärmsten Länder nichts vom Wachstum der Hilfe abbekommen. Es wäre unverantwortlich, wenn die Geberländer im nächsten Jahr ihre Mittel sogar für alle kürzen.

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