Nigerias Christen missfällt, dass zwei Muslime kandidieren

Kirche und Ökumene
Christliche Verbände in Nigeria blicken besorgt auf die Wahlen im Februar nächsten Jahres. Sie warnen davor, dass sowohl der Präsident als auch sein Stellvertreter muslimischen Glaubens sein könnten.

Zwar ist es noch eine Weile hin, bis die Nigerianerinnen und Nigerianer einen neuen Präsidenten samt Stellvertreter wählen. Klar ist aber schon jetzt, dass der amtierende Präsident, Muhammadu Buhari, nach zwei vierjährigen Amtszeiten nicht mehr antreten wird. Weil er Muslim ist und aus dem Norden stammt, müsste jetzt ein Christ aus dem Süden Spitzenkandidat werden, mit einem Muslim aus dem Norden als Stellvertreter. Seit dem Ende der Militärdiktatur 1999 gilt diese ungeschriebene Regel. Die Regierungspartei All Progressive Congress APC hat im Juni allerdings entschieden, mit Bola Tinubu, dem ehemaligen Gouverneur von Lagos, und Kashim Shettima, dem ehemaligen Gouverneur im Bundesstaat Borno, ein muslimisches Doppel ins Rennen zu schicken.

In einem Facebook-Post hatte der größte ökumenische Verband in Nigeria, die Christian Association of Nigeria (CAN), daraufhin erklärt, dass man weder ein rein christliches noch ein rein muslimisches Duo an der Spitze des Staates akzeptieren würde. Die Nominierung von Präsidentschaftskandidaten und ihren Stellvertretern desselben Bekenntnisses sei „eine Bedrohung für den fragilen Frieden und die Einheit Nigerias“. Auch die katholischen Bischöfe warnen vor einem muslimischen Doppelgespann. Angesichts der aktuellen Krise und Spaltung der Nation wäre dies unsensibel und würde jene Kräfte stärken, die die Einheit der Nation und die friedliche Koexistenz bedrohen, erklärten die Bischöfe Nigerias Mitte Juni. 

Konflikte zwischen christlichen Bauern und muslimischen Halbnomaden

Als abschreckendes Beispiel führen sie den nördlichen Bundesstaat Kaduna an, in dem sowohl der Gouverneur als auch sein Stellvertreter Muslime sind. Dort war es in den letzten Monaten zu Massakern an Angehörigen der mehrheitlich christlichen Bevölkerung gekommen. Anfang Juni hatten muslimische Halbnomaden 32 Menschen in Dörfern des Kajuru-Distrikts getötet. Seit Jahren kommt es im Bundesstaat Kaduna zu gewaltsamen Konflikten zwischen christlichen Bauern und muslimischen Halbnomaden aus der Ethnie der Fulani, die aufgrund des Bevölkerungswachstums sowie des Klimawandels immer weniger Weideflächen für ihre Herden finden und diese dann auf die Felder der sesshaften Bauern treiben. Bei Angriffen auf eine katholische und eine baptistische Kirche starben Ende Juni ebenfalls in Kaduna drei Menschen. 

„Wenn man auf die Erfahrungen in Kaduna zurückblickt, kann man die Verwüstungen wahrnehmen, die das muslimisch-muslimische Ticket unter der mehrheitlich christlichen Bevölkerung in Kaduna angerichtet hat“, sagten die katholischen Bischöfe. Für den Frieden sei es wichtig zu verstehen, dass alle Nigerianerinnen und Nigerianer unabhängig von ihrem Glauben oder ihrer Religion gleich sind und dass Politiker sensibel mit diesem Thema umgehen müssten. 

Doch auch in anderen Bundesstaaten, die bisher verschont geblieben waren, kommt es zu Gewalt. Anfang Juni wurden im südwestlichen Bundesstaat Ondo bei einem Anschlag auf einen katholischen Pfingstgottesdienst mehr als 50 Menschen getötet. Weltweit für Schlagzeilen hatte Anfang Mai der Fall einer christlichen Studentin im nördlichen Bundesstaat Sokoto gesorgt, die von Kommilitonen ermordet worden war, weil sie angeblich den Propheten Mohammed beleidigt hatte. Nach Angaben der katholischen Kirche sind allein in den ersten sieben Monaten des Jahres in Nigeria insgesamt 18 Priester entführt worden. Vier davon wurden ermordet. 

Dennoch warnt Kardinal John Onaiyekan, der emeritierte Erzbischof der Hauptstadtdiözese Abuja, davor, von Religionskonflikten zu sprechen. „Sowohl Christen als auch Muslime müssen zusammenhalten und sich diesen Kriminellen entgegenstellen“, sagte der Kardinal in einem Interview und kritisierte die Regierung, die regelmäßig verspreche, die Mörder zu verfolgen, de facto aber nichts tue.
 

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