Mit Nord-Süd-Koalitionen aus der Sackgasse?

Menschenrechte
Wie das Ringen zwischen China und den USA internationale Menschenrechtsarbeit erschwert, analysiert eine neue Studie. Und sie gibt Hinweise, wie der Schaden begrenzt werden kann.

Ein wichtiger Bestandteil des internationalen Menschenrechtsschutzes ist diplomatischer Einsatz von Staaten für diese Rechte. Wie Staaten insbesondere in den Vereinten Nationen (UN) und ihren Organen diesen Schutz voranbringen können, betrachtet diese wichtige neue Studie von Chatham House.

Ausgangspunkt ist die weltpolitische Polarisierung zwischen China und den USA mit ihren jeweiligen Verbündeten. Beide vertreten laut dem Autor David Griffiths gegensätzliche Konzepte von Menschenrechten: China betone kollektive Rechte, besonders das „Recht auf Entwicklung“, und wolle die Rolle der Menschenrechtsdiplomatie und der UN auf einen von Druckmitteln freien Dialog zwischen souveränen Staaten beschränken. Griffiths lässt offen, ob Peking damit in erster Linie Kritik an schweren Missständen in China unwirksam machen oder aber darüber hinaus sein Konzept weltweit durchsetzen wolle. 

Dass dieses in vielen Ländern des globalen Südens Anklang findet, liegt laut Griffiths auch daran, dass das von den USA vertretene Menschenrechtskonzept seinerseits einseitig und wenig glaubwürdig sei: Washington betrachte erstens den Schutz von Rechten als eine Art Nebenprodukt von Demokratie statt als Aufgabe für jede Art Regierung und habe zweitens mit dem Kampf gegen den Terror und mit den Kriegen etwa im Irak seit 2003 den eigenen Einsatz für Menschenrechte diskreditiert. Dies und Erfahrungen von Ausbeutung und Benachteiligung – etwa als während der Corona-Pandemie Impfstoffe im Norden gehortet wurden – verleihe Chinas Konzept in armen Ländern eine gewisse Plausibilität.

Das heißt aber laut Griffiths nicht, dass sie alle dieses Konzept übernehmen. Aus dem globalen Süden und aus sozialen Bewegungen kämen vielmehr auch neue, eigene Forderungen für Menschenrechtsschutz – etwa dafür, Klimaschutz, Rassismus und globale Ungleichheit als Frage dieser Rechte aufzuwerten. Westliche Staaten sollten das ernsthaft aufgreifen, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte stärker beachten und zum Beispiel internationale Verschuldung, Klimafinanzierung und Steuerpolitik als Menschenrechtsfragen anerkennen, empfiehlt Griffiths. Zusätzlich sollten sie die zuständigen UN-Organe wie den Menschenrechtsrat besser finanzieren. Auf diese Weise könnten Koalitionen von Staaten aus Nord und Süd den UN-Menschenrechtsschutz davor schützen, in der Polarisierung zwischen den USA und China komplett zerrieben zu werden.  

Griffiths erklärt sehr gut die Entwicklung des UN-Menschenrechtssystems und weist darauf hin, dass Menschenrechtsdiplomatie immer auch mit Interessen der jeweiligen Staaten zu tun hat. Zwei Hindernisse für die empfohlenen Nord-Süd-Koalitionen erwähnt er aber nicht: Länder aus Europa, die sich darauf einlassen, müssten ihre Migrationspolitik als schwere Menschenrechtsverletzung anerkennen und eine unabhängige Linie gegenüber den USA verfolgen – und das, wo sie wegen des Ukraine-Krieges mehr als zuvor auf die USA angewiesen sind.

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