Als Garantiestaat für den Frieden in Kolumbien

AFP via Getty Images/RAUL ARBOLEDA
Ein Kämpfer der Rebellengruppe FARC-EMC Ende März im Südwesten von Kolumbien. Der Waffenstillstand zwischen der kolumbianischen Regierung und dieser Splittergruppe der Rebellenorganisation FARC-EP steht auf tönernen Füßen. Die Schweiz dient als Garantiestaat für das Abkommen.
Schweiz
Die Schweiz engagiert sich seit über zwanzig Jahren in Kolumbien, um Konflikte zwischen der Regierung und Guerillagruppen zu beenden. Aktuell begleitet sie Verhandlungen mit zwei Rebellengruppen. Was kann sie in ihrer Rolle dazu beitragen?

Mit einem Friedensabkommen wurde 2016 der fünf Jahrzehnte dauernde bewaffnete Konflikt zwischen der Regierung Kolumbiens und der landesweit größten Guerillagruppe FARC-EP (Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia Ejército del Pueblo) beendet. Noch immer sind jedoch zahlreiche andere bewaffnete Gruppen im Land aktiv und es werden regelmäßig Menschen getötet oder vertrieben.

Kolumbiens Präsident Gustavo Petro verfolgt mit seiner Vision eines „Paz total“ – eines „umfassenden Friedenseine sehr ambitionierte Friedenspolitik. Selbst ehemaliges Guerilla-Mitglied, will er mit allen bewaffneten Gruppen verhandeln. Im August letzten Jahres hatte er es geschafft, das ELN (Ejército de Liberación Nacional), die größte noch verbleibende Guerillagruppe Kolumbiens, an den Verhandlungstisch zu bringen und einen Waffenstillstand zu beschließen. Auch mit der EMC (Estado Mayor Central), einer Splittergruppe der ehemaligen FARC, wird verhandelt und gilt ein Waffenstillstand.

Die Schweiz beteiligt sich seit 2001 auf verschiedenen Feldern an der Förderung des Friedens in Kolumbien. Aktuell ist sie für die Verwirklichung des Friedensabkommens von 2016 tätig. Zudem ist sie seit 2022 Mitglied der Begleitgruppe für den Friedensprozess mit dem ELN. Auf Anfrage berät sie die Parteien beispielsweise bei Fragen zur Einhaltung des Waffenstillstandes oder zum Schutz der Zivilbevölkerung. Federführend ist die Abteilung Frieden und Menschenrechte des Departments für Auswärtige Angelegenheiten (EDA). Außerdem verwahrt die Schweiz auf Wunsch der kolumbianischen Regierung und der FARC das Schlussabkommen von 2016 sowie eine Sicherheitskopie des Archivs der kolumbianischen Wahrheitskommission.

Vertrauen in die Schweiz

Für die Verhandlungen mit der EMC-FARC hat die Schweiz im Oktober 2022 auf Anfrage beider Parteien die Rolle als Garantin übernommen. „Dass wir für dieses Mandat angefragt wurden, ist ein Zeichen des Vertrauens in die Schweiz und unsere Arbeit“, sagt Philipp Lustenberger, Sondergesandter der Schweiz für den Friedensprozess in Kolumbien. Als Garantiestaat sei die Schweiz noch stärker bei den Verhandlungen präsent, stets in direktem Austausch mit beiden Parteien und in Koordination mit den anderen Garantiestaaten Irland, Norwegen und Venezuela.

Lustenberger ist seit 2022 als Sondergesandter in Kolumbien tätig. Neben den Verhandlungen und dem Austausch mit allen Beteiligten, bringe die Schweiz auch technisches Wissen und Erfahrungen ein. „Die Schweiz weist mit ihrem System der direkten Demokratie viel Expertise auf, wenn es darum geht, die Mitwirkung der Bevölkerung am Frieden zu fördern“, sagt Lustenberger. Diese ist auch Teil der aktuellen Verhandlungen mit dem ELN: Ein Komitee bestehend aus über 80 Personen aus verschiedenen Bereichen hat die Aufgabe, die Beteiligung der Gesellschaft am Friedensprozess sicherzustellen. 

In schwierigen Phasen will die Schweiz anhand ihrer guten Dienste den Dialog aufrechterhalten und zu Lösungen beitragen. So wie aktuell bei den Verhandlungen mit der EMC-FARC, die auf wackeligen Beinen stehen: Die Regierung hatte im März den vereinbarten Waffenstillstand in einigen Regionen aufgehoben. Grund dafür waren Gewalttaten der Guerillagruppe gegen die Zivilbevölkerung und die Tötung einer indigenen Aktivistin. 

Gesprächskanäle offen halten

„Es ist jetzt sicher eine schwierige Phase in dem Verfahren, in der wichtige Gespräche stattfinden“, sagt Philipp Lustenberger. „Die Parteien sprechen weiterhin miteinander, das ist schon mal gut.“ Dass diese Gesprächskanäle offen bleiben, sei derzeit eines der wichtigsten Ziele. „Wir führen mit beiden Seiten Gespräche und hoffen, dass sich alle Anführerinnen und Anführer der Guerillagruppe weiterhin auf die Verhandlungen verpflichten“, sagt Lustenberger.

Um den Frieden voranzubringen, sei es jedoch wichtig, dass die Regierung, gleichzeitig zu den Verhandlungen die Lebensbedingungen in den Regionen verbessere, etwa in die Bildung investiere, eine verbesserte Gesundheitsversorgung oder Infrastruktur aufbaue. Aber: „Nicht alle Probleme können gleichzeitig gelöst werden, einen ,umfassenden‘ Friedewie von der Regierung angestrebt, wird es so schnell nicht geben in Kolumbien.“ Trotzdem sei das Land für die internationale Gemeinschaft und auch für die Schweiz ein Hoffnungsträger: „Immerhin finden überhaupt Verhandlungen statt, das ist leider in vielen anderen Konfliktregionen nicht der Fall.“

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