Klimaklage: Zementhersteller Holcim spielt auf Zeit

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Die Insel Pari von oben fotografiert, umgeben von Meer.
zvg
Die indonesische Insel Pari liegt nur knapp über dem Meeresspiegel.
Schweiz
Die Klage von vier Indonesiern gegen die Zementfirma Holcim ist die erste in der Schweiz, bei der es um die Verantwortung eines Unternehmens für den Klimawandel geht. Holcim will das Verfahren offenbar verschleppen.

Das Gerichtsverfahren gegen den Zementhersteller könnte sich in die Länge ziehen. Holcims Anwälte haben beim Gericht beantragt, zunächst die zwei verfahrenstechnischen Fragen zu klären, ob ein zivilrechtliches Verfahren angebracht ist und ob die Kläger ein schutzwürdiges Interesse mit ihrer Klage verfolgen. 

Unterstützer der Kläger sehen darin eine Taktik, das Verfahren zu verschleppen. Das schreibt das Hilfswerk HEKS in einer Mitteilung, das die Klage mit einer Informationskampagne begleitet. Die Firma scheue sich davor, ihre Klimastrategie einer juristischen Prüfung zu unterziehen, heißt es. Dabei sei die Sachlage klar, sagt Yvan Maillard Ardenti, Experte für Klimagerechtigkeit beim HEKS: „Die Betroffenen werden regelmäßig von Überflutungen heimgesucht. Man kann kein stärkeres schutzwürdiges Interesse finden.“ Holcim selbst äußert sich nicht zum laufenden Verfahren, teilte eine Sprecherin der Plattform „ref.ch“ mit.

Der Star Beach auf der Südseite der Insel ist sehr flach und wird deshalb immer wieder überschwemmt.

Klägerinnen und Kläger fordern Schadensersatz

Im Februar 2023 hatten vier Bewohnerinnen und Bewohner der indonesischen Insel Pari Klage gegen Holcim eingereicht. Sie argumentieren, dass ihre Insel schon heute stark unter den Folgen des Klimawandels leide. Holcim wiederum, die größte Zementfirma weltweit, habe zwischen 1950 und 2021 über seine gesamte Lieferkette mehr als sieben Milliarden Tonnen CO2 ausgestoßen – mehr als die gesamte Schweiz seit Beginn der Industrialisierung, sagt Maillard Ardenti. Die Indonesier verklagten Holcim wegen Persönlichkeitsverletzung aufgrund des übermäßigen Schadens, den der CO2-Ausstoss auf ihrer Insel verursache. Sie fordern Schadensersatz, zudem soll Holcim seine Ziele zur Reduktion von CO2-Emissionen so anpassen, dass sie mit 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens konform sind.

Zwar bekennt sich Holcim zu den Reduktionszielen des Pariser Abkommens und hat seine Klimastrategie von der Science Based Target Initiative absegnen lassen. Das HEKS hingegen nennt die Strategie von Holcim in einem Bericht „zu wenig zu spät“. Das Hilfswerk kritisiert unter anderem, dass Holcim seine Reduktionsziele nur im Verhältnis zur Produktionsmenge festlegt, ohne sich auf eine Reduktion in absoluten Zahlen zu verpflichten.

Die Klage gegen Holcim reiht sich ein in eine wachsende Zahl von Verfahren, mit denen sich Betroffene des Klimawandels juristisch wehren. Jüngst haben die „Klimaseniorinnen“, die die Schweiz verklagt hatten, sie tue zu wenig gegen den Klimawandel, vor dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Recht erhalten. In den Niederlanden wurde das Ölunternehmen Shell dazu verpflichtet, seinen CO2-Ausstoß zu reduzieren. Und in Deutschland ist die Klage eines peruanischen Bauern, dessen Dorf vom Klimawandel bedroht ist, gegen den Energieversorger RWE anhängig. 

Klimaklagen sind Neuland für Gerichte

Autorin

Meret Michel

ist Schweiz-Korrespondentin bei "welt-sichten".
Dennoch sind die Hürden groß. Eine davon sei die Komplexität der Materie, sagt die Anwältin Nina Burri, die bei HEKS für Wirtschaft und Menschenrechte zuständig ist. Die Gerichte müssten die wissenschaftlichen Belege für den Klimawandel verstehen, sagt sie. Dem stünden manchmal Details im Weg – etwa, dass die Sprache der Wissenschaftler, wenn es darum gehe, Wahrscheinlichkeiten auszudrücken oder Gefahren zu bewerten, sich von denen der Juristen unterscheide. So könne es vorkommen, dass Juristen die Dringlichkeit von wissenschaftlichen Einschätzungen zum Klimawandel unterschätzen, sagt Burri. „Auch wenn Klimaklagen für die Gerichte Neuland bedeuten, sollte sie das nicht von einer sorgfältigen juristischen Prüfung abhalten.“ 

Dazu komme, dass man für eine Klage gegen ein Unternehmen belegen müsse, wie hoch dessen CO2-Ausstoß und damit sein Beitrag zum Klimawandel sei. Lange waren diese Daten nicht für einzelne Akteure wie etwa Unternehmen vorhanden. Doch das habe sich geändert, sagt Anwältin Burri. Verglichen mit den Verfahren in den Niederlanden und in Deutschland sei bei dem in der Schweiz neu, dass es mit den Forderungen nach Schadensersatz und nach der Anpassung der CO2-Ziele sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft blicke. 

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